Christopher Nuttall – Die Wissende (Die Bibliothek der schwarzen Magie 1)

Die Bibliothek der schwarzen Magie

Band 1: „Die Wissende“
Band 2: „The Very Ugly Duckling“ (noch ohne dt. Titel)

Die junge Elaine arbeitet als Bibliothekarin. Eine bessere Stellung kann sich eine Waise ohne Beziehungen und mit nur geringer magischer Kraft nicht erhoffen. Doch da Elaine Bücher liebt, kommt sie mit ihrem Beruf ganz gut zurecht. Bis sie eines Tages eine Kiste öffnet, deren Inhalt der Bibliothek vermacht wurde. Innerhalb eines Augenblicks ist nichts in ihrem Leben mehr, wie es war …!

Schauplatz dieser Schicksalswendung ist die Goldene Stadt, Hauptstadt des Reiches und eine pulsierende Metropole. Hier gibt es wahrscheinlich alles, was zu solch einer Metropole gehört, von der Adelsintrige bis zum Unterweltboss. Allerdings spielt in dieser Geschichte nichts davon eine Rolle, insofern ist die Ausarbeitung der Örtlichkeit eher detailarm ausgefallen.

Sehr gut dargestellt ist dagegen die Bibliothek. Obwohl – oder wahrscheinlich gerade weil – Christopher Nuttall sie völlig prosaisch anhand ihrer Nutzung und Elaines Arbeit dort beschreibt, ist dieser Ort sehr lebendig und plastisch geraten.

Auch die Historie der Welt und ihre Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Geschichte fand ich gut gemacht. Der nahezu übermächtige Antagonist ist hier zum Glück durch äußere Umstände in seinen Fähigkeiten eingeschränkt. Wie es dazu kam, hat der Autor noch nicht verraten, aber es soll ja noch etwas für den nächsten Band übrig bleiben.

Vielleicht wird der Entwurf der Magie dort ebenfalls noch etwas weiter ausgebaut. Bisher kann man ihn bestenfalls als rudimentär bezeichnen. Abgesehen von den Taschendimensionen und der Unterscheidung zwischen wilder und hoher Magie ist hier noch nicht viel geboten.

Trotzdem hat sich bereits ein logischer Knacks eingeschlichen. Mir zumindest will es nicht ganz einleuchten, warum jemand eine Aufgabe, die seine magischen Kräfte übersteigt, bewältigen kann, einfach indem er den einzelnen großen Zauber durch die Kombination einer Vielzahl von kleinen Zaubern ersetzt. Ich hätte erwartet, dass der addierte Kraftaufwand mindestens genauso groß sein müsste.

Aber irgendeine Hintertür war wohl nötig, da Elaines Unfall ausdrücklich keinerlei Auswirkungen auf ihre magische Kraft hatte. Und eigentlich finde ich es auch gut, dass Mr. Nuttall darauf verzichtet hat, seine Protagonistin auf diese Weise zur Überheldin zu machen. Die Idee, die der Autor umgesetzt hat, ist viel interessanter und nicht so klischeegefährdet.

Tatsächlich ist Elaine nicht nur absolut durchschnittlich, sie hat auch insofern das Klischee vermieden, als sie nicht die Heldin wider Willen ist. Zwar hat sie nicht um den magischen Unfall gebeten, sie hadert aber auch nicht mit den Konsequenzen, sondern macht einfach das Beste daraus. Und das durchaus passabel: aus der anfangs so schüchternen und unsicheren wird eine selbstbewusste und entschlossene Frau.

Schade nur, dass sie trotz dieser Entwicklung doch irgendwie blaß bleibt. Bei allen Erinnerungen, Hoffnungen und Wünschen, die sie hat, bei allem Einfallsreichtum, den sie mit der Zeit entwickelt, um zu nutzen, was ihr so ungefragt aufgezwungen wurde, fehlt es ihr doch an Intensität, an Tiefe.

Dazu kommt, dass sie anfangs oft wie ein Teenager wirkt, zum Beispiel in ihrer Reaktion auf Millicent, oder in ihrem Wunsch, ein Junge würde mit ihr ausgehen. Von einer Dreiundzwanzigjährigen, selbst wenn sie schüchtern ist, würde ich eher warten, dass sie mit einem Mann ausgehen will! Vielleicht wäre es besser gewesen, der Autor hätte seine Hauptfigur ein paar Jahre jünger gemacht. Die Reife, die Elaine am Ende des Buches zeigt, hätte – vor allem im Hinblick auf die Ereignisse – bei einer noch sehr jungen Frau von achtzehn oder neunzehn weniger gestört, als die jugendliche Unreife zu Beginn bei einer vom Alter her eigentlich schon erwachsenen Frau.

Unterm Strich hat mit das Buch alles in allem gar nicht mal so schlecht gefallen. Die Grundidee und den Aufbau des Plots fand ich gelungen, zumal der Autor gegen Ende einen gemeinen kleinen Haken eingebaut hat, der einerseits absehbar war, andererseits aber eine Wendung genommen hat, die ich nicht erwartet hatte. Trotz kleinerer Widersprüche und der anfänglichen Diskrepanz in Elaines Charakterzeichnung war die Geschichte interessant und spannend erzählt, und jetzt, da diese Diskrepanz behoben ist, bin ich auf die Fortsetzung durchaus neugierig.

Christopher Nuttall stammt aus Schottland und kam über den eher geringen Umweg des Bibliothekars zum Schreiben. Und er ist fleißig. Dreizehn Titel hat er bereits veröffentlicht, auf Deutsch ist bisher nur „die Wissende“ erschienen, der erste Band des Zyklus Die Bibliothek der schwarzen Magie. Ein Veröffentlichungsdatum für den zweiten Band ist noch nicht bekannt.

Taschenbuch 480 Seiten
Originaltitel “Bookworm”
Deutsch von Dr. Hans Link
ISBN-13: 978-3-442-26405-6

www.chrishanger.net
www.randomhouse.de/blanvalet

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