Clemens, James – Buch des Feuers, Das (Alasea / Banned and the Banished 1)

Elena ist gerade zur Frau geworden. Das ist eigentlich nichts Beunruhigendes. Nur die Verfärbung ihrer Hand kommt ihr seltsam vor. Sie erfährt schon bald, was es damit auf sich hat. Die Erkenntnis erschreckt sie zutiefst: Sie ist eine Hexe! Und der Herrscher ihres Landes ist deshalb offenbar voller Begierde hinter ihr her. Um sie einzufangen, schickt er Magier und andere Helfer aus. In einer überstürzten, halsbrecherischen Flucht entkommen Elena und ihr Bruder den Häschern. Sie wollen versuchen, die Stadt zu erreichen, wo ihre Tante Fila lebt. Doch als sie dort ankommen, müssen sie feststellen, dass sie ein aufgebrachter Pöbel erwartet. Nur der überraschenden Hilfe durch drei Fremde ist es zu verdanken, dass Elena ihren Verfolgern entgeht. In Sicherheit ist sie damit noch lange nicht!

Wie bei den meisten vielbändigen Zyklen ist auch hier der erste Band die große Einleitung, die dem Aufbau der Welt und der Personen dient. Es ist eine finstere Welt, die Clemens da zeichnet, eine eher durchschnittliche Landschaft von Gebirgen, Ebenen und Wäldern, aber voller Lug und Trug und dunkler Magie, bevölkert mit einer Menge ebenso grausamer wie widerlicher Geschöpfe, denen im Laufe der Handlung immer mehr von Elenas Familienmitgliedern zum Opfer fallen.
In dem Maße, wie sie ihre Verwandten verliert, gewinnt sie neue Verbündete. Einige davon sind uralt, andere stammen aus ihrer eigenen Zeit. Aber an allen ist etwas Besonderes:
Er’ril, der Schwertkämpfer, der sich als Gaukler durch die Lande schlägt, war einst Zeuge, wie das Buch des Blutes geschaffen wurde, auf dem die Hoffnung aller Kämpfer gegen die Finsternis ruht. Ein einarmiger Mann, von der Zeit und der Aussichtslosigkeit seines Kampfes verbittert, muss er zuerst seine Vorurteile gegen Hexen überwinden, ehe er zu Elenas Beschützer werden kann.
Kral hat seine Bergheimat eigentlich nur verlassen, um ein Skal’tum zu töten, ein Ungeheuer, das seinem Klan Schaden zugefügt hat. Der Mann wie ein Fels, der niemals lügt und die Lüge in anderen Wesen erkennen kann, wird ebenfalls zu Elenas Beschützer.
Ni’lahn ist eine Nymphai, die letzte ihrer Art. Alle anderen starben, als ihre Bäume einer schlimmen Krankheit zum Opfer fielen. Jetzt zieht Ni’lahn mit ihrer Laute, die die Seele ihres Baumes bewahrt, durch das Land und sucht ein Heilmittel für ihren sterbenden Baum.
Tol’chuk, ein Og’er, wurde von seinem Stamm ausgesandt, die Seelen der Verstorbenen seines Volkes zu befreien, die in einen roten Kristall eingeschlossen sind. Dabei trifft er auf zwei Si’lura, Gestaltwandler, die in ihrer derzeitigen Gestalt stecken geblieben sind: Ferndal und Mogwied, Wolf und Mann. Die beiden wollen nach A’loatal, wo noch ein Rest Magie aus der Zeit vor der Finsternis verblieben sein soll, weil sie hoffen, dass dies den Bann aufheben wird.
Und dann ist da noch Merik, der Elv’e. Als sein Volk vor langer Zeit, noch lange vor Anbruch der Finsternis, aus Alasea vertrieben wurde, wurde der König als Geisel zurückgehalten. Nun sucht Merik dessen Nachfahren. Und die Hexe, deren Erscheinen prophezeit wurde und den Untergang der Welt bedeuten soll.
Sie alle treffen mehr oder weniger zufällig zusammen und ergeben einen ziemlich bunt zusammengewürfelten Haufen von verschiedenen Völkern, was nicht ganz ohne Spannungen abläuft. Der geradlinige Kral gerät recht bald mit dem arroganten Merik aneinander, und zwischen Merik und Ni’lahn herrscht uralter Hass. Selbst Mogwieds Verhältnis zu seinem Bruder ist nicht ungetrübt. Die sich überstürzenden Ereignisse schweißen sie trotz aller Gegensätze zu einer Truppe zusammen, die nur ein Ziel hat: Elena zu schützen. Denn Elena beherrscht ihre Macht so gut wie gar nicht und ist auch äußerst unwillig, sie zu benutzen.

Die Handlung wird mit ziemlichem Druck vorangetrieben. Die fünfhundert Seiten des Buches bestehen fast ausschließlich aus Flucht und Kämpfen, und das hohe Erzähltempo lässt dem Leser kaum Zeit zum Durchatmen. Bis die gesamte Gruppe zusammengefunden hat, verläuft die Handlung in mehreren Erzählsträngen. Clemens wechselt den Strang gnadenlos immer genau dann, wenn der Leser ihn gerade am wenigsten verlassen will, und dreht damit kräftig an der Spannungsschraube!
Die Charaktere bleiben dadurch zwangsläufig etwas auf der Strecke. Zwar werden Gedanken und Gefühle durchaus deutlich beschrieben, gehen aber im allgemeinen Stress zu sehr unter. Die Gruppe wirkt dadurch ein wenig plakativ, wie eine Rollenspielgruppe, wenn man mal davon absieht, dass der Oger hier ein Mitglied und kein Gegner ist.
Das Gewürm und die Ungeheuer, mit denen Clemens seine Welt bevölkert hat, sind alle äußerst unangenehm, und die Szenen in diesem Zusammenhang stellenweise wirklich unappetitlich. Das Gros der Fantasy scheint ohne solche Details irgendwie nicht mehr recht auszukommen, und manchmal wünscht man sich etwas mehr von der subtilen Angst der |Neun|, die ihren Schrecken ganz ohne Ekel und Blut verbreiten.
Die etwas ausgefallenen Schreibweisen für Nymphe, Elfe und Oger dienen wahrscheinlich der Extravaganz, stören aber nicht. Was ich dagegen als massiv störend empfinde, ist die Bezeichnung von Magier/-in und Magie als Magiker/-in und Magik! Ich muss mich wirklich stark konzentrieren, um die Worte im Kontext so frühzeitig zu erkennen, dass ich sie gar nicht mehr wirklich lesen muss, sondern einfach in normaler Schreibweise ergänzen kann. Und jedes Mal, wenn es nicht klappt, stolpere ich darüber. Wie überaus lästig.

Im Großen und Ganzen ist dieser erste Band des Zyklus gut gelungen. Wer kein Problem mit blutigen Szenen und scheußlichen Wesen hat und eine Vorliebe für Action und schnelle, bewegte Handlungsabläufe hegt, kommt hier garantiert auf seine Kosten. Denn es ist wirklich ununterbrochen spannend. Und am Ende wird der Leser mit der Gewissheit allein gelassen, dass die Gruppe drauf und dran ist, den Kopf einem hungrigen Drachen ins Maul zu stecken, der nichts anderes tut, als gerade darauf zu warten! Es ist schier unmöglich, den zweiten Teil nicht zu lesen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Canada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.

Home