Collins, Max Allan – CSI Las Vegas: Doppeltes Spiel

Eine Nacht wie jede andere in Las Vegas, der Stadt in der Wüste des US-Staates Nevada, die noch viel seltener schläft als New York. Gleich zwei Leichenfunde zur selben Zeit sind nichts Ungewöhnliches für das Team der „Crime Scene Investigation“ (CSI) des „Las Vegas Criminalistics Bureau“, das Tatorte sichert, Spuren untersucht und der Kriminalpolizei – meist verkörpert durch Captain Jim Brass von der Mordkommission, der früher selbst beim CSI war – zuarbeitet.

Wie üblich teilt man sich auf. Gil Grissom, leitender Beamter der Nachtschicht, und seine Kollegen Warrick Brown und Sara Sidle machen sich auf ins Beachcomber-Casino-Hotel. Dort ist ein Gast vor den Augen eines entsetzten Etagenkellners buchstäblich hingerichtet worden: Zwei Kugeln jagte der Killer präzise in den Schädel seines Opfers, bevor er unerkannt entkam. Doch Spuren hat er trotzdem hinterlassen, auch wenn wie so oft das gesamte fahndungstechnische Instrumentarium der CSI sowie das geballte Wissen seiner unkonventionell denkenden und arbeitenden Beamten gefordert ist, sie nicht nur zu entdecken, sondern auch zu entschlüsseln.

Nick Stokes und Catherine Willows, die beiden übrigen Mitglieder von Grissoms Team, mühen sich derweil auf einem Baugrundstück ab, wo unter einer wilden Müllhalde die vollständig mumifizierte Leiche eines Mannes entdeckt wurde, die dort wohl mindestens fünfzehn Jahre gelegen hatte. Hier wird es besonders schwierig, die Todesumstände zu rekonstruieren. Eines steht allerdings rasch fest: Mord beendete dieses Leben, genauer gesagt: zwei Kugeln, präzise in den Schädel gejagt …

Lange dauert es nicht, bis den CSI-Leuten die Übereinstimmung auffällt. Zunächst glauben sie noch einen makabren Zufall – bis auf Gil Grissom, der den Zufall generell ausklammert und nur handfeste Beweise gelten lässt. Nur mühsam gehen die Ermittlungen voran, aber ein erster Teilerfolg kann errungen werden: Die Mumie war einst Malachy Fortunato, 1985 plötzlich verschwundener Buchhalter in einem der großen Casinos, gleichzeitig ein Spieler – ein ungute Kombination, wenn man für das Syndikat arbeitet. Las Vegas war in den 80er Jahren noch fest im Würgegriff des organisierten Verbrechens. Gemeinsam mit Fortunato verschwand damals eine große Summe Mafia-Geldes, was seiner Witwe einige unangenehme Besucher ins Haus brachte. Doch sie war tatsächlich ahnungslos, und ihr Gatte womöglich auch.

Wer steckt also wirklich hinter dem Fortunato-Mord? Nach so vielen Jahren ist die Spur erkaltet, die Schar der Verdächtigen groß. Aber in den Labors der CSI setzt man allen Ehrgeiz daran, das Puzzle zusammenzusetzen – und vergisst darüber, dass die Karriere eines Killers durchaus länger als anderthalb Jahrzehnte dauern kann. Der „Deuce“, der die Köpfe seiner Opfer löchert wie die Zwei im Kartenspiel, ist jedenfalls noch sehr aktiv, und er beginnt jetzt allmählich nervös zu werden …

Bücher zu Filmen oder Fernsehserien, die zudem von der Vgs Verlagsgesellschaft herausgebracht werden, sollte man eigentlich meiden. Sie leben allein vom Ruhm der Vorlage, gelten den Studios als nettes Zusatzgeschäft und werden von fix schreibenden, aber minderbegabten Autorenknechten wie am Fließband produziert. Eile tut Not, ist doch das Verfallsdatum solcher „tie-in-Literatur“ identisch mit dem Zeitpunkt, an dem der Film aus dem Kino verschwindet oder die TV-Serie abgesetzt wird.

Zwei Gründe gibt es, das hier besprochene Werk trotzdem eines näheren Blickes zu würdigen. Da ist zum einen der Verfasser: Max Allan Collins hat zweifellos einen guten Namen als „tie in“-Autor, denn er produziert bei aller Hast solide Unterhaltungsware, die mehr ist als die bloße Nacherzählung eines Drehbuchs. Sein Name steht heute über unerhört zahlreichen Film- und Fernseh-Romanen, aber der wahre Leser kennt und ehrt Max Allan Collins als Autor vorzüglicher Kriminalromane, der mit seinen historischen Thrillern noch eines draufzusetzen vermag. Was? Noch nie davon gehört? Kein Wunder, denn Deutschland ist Collins-Diaspora. Man müsste eigentlich bitterlich klagen (oder fluchen): Während dieser Autor mit seinen Butter-aufs-Brot-Büchern in jedem Buchladen vertreten ist, werden seine wahren Kunstwerke nur noch in den Antiquariaten gehandelt – wenn sie denn überhaupt zu bekommen sind! Wer einmal einen der grandiosen Nate-Heller-Thriller gelesen hat, die das Chicago der 30er Jahre mit seinen selbst dem historischen Laien wohl bekannten Gangstern wieder aufleben lassen, wird süchtig nach diesem Stoff, der Reales und Erfundenes so meisterhaft mischt. Theoretisch gäbe es genug davon: Collins ist ein fleißiger Mann (der auch Elliot Ness, den berühmten „Unbestechlichen“, neue-alte Abenteuer erleben lässt). Davon werden wir in Deutschland allerdings nicht profitieren: Nachdem |Bastei-Lübbe| vor vielen Jahren fünf Heller-Bände publiziert hatte, startete der |DuMont|-Verlag in seiner „Noir“-Reihe einen weiteren Versuch. Die Zeit reichte gerade, den dürstenden Fan wie den sprichwörtlichen Tantalus mit einem einzigen neuen Abenteuer zu quälen, dann wurde die Reihe mangels Nachfrage eingestellt: Der deutsche Krimileser mag es lieber gemütlich und nicht gar zu aufregend. So müssen wir uns eben mit einem Collins aus zweiter Hand zufrieden geben.

Der zweite Punkt geht an die Serie: „CSI“ gehört eindeutig zu den besten Thriller-Shows des an Qualität in dieser Hinsicht nicht gerade armen US-Fernsehens. (Ich weiß, dass 99 von 100 amerikanischen Serien Bockmist sind, aber handwerkliche Professionalität und die schiere Quantität der ausgestoßenen Shows garantieren auch heute ein gutes Quantum Sehenswertes.) Die Storys sind krude, aber stets überzeugend, das Tempo rasant (Produzent: Jerry „Pearl Harbor“ Bruckheimer, sonst die Pest der Kinowelt, aber hier in seiner holterdipoltrigen Großkotzigkeit wohltuend gezügelt), die Effekte heftig. Dazu kommt das große Glück einer fabelhaften Besetzung. Zuvor eher unbekannte, aber TV-erprobte Darsteller formen eine Riege, der man einfach gern bei der Arbeit zuschaut. Besonders William L. Petersen als Gil Grissom ist eine Figur mit Ecken und Kanten, die nicht im Reagenzglas des TV-Labors für Instant-Quotenhits lieblos zusammengebraut wurde. Die Chemie stimmt zwischen den Männern und Frauen des CSI-Teams, obwohl sie tüchtig miteinander konkurrieren und streiten.

Collins schafft es, alle diese Punkte in seinen Roman zu retten. Während der Lektüre kann man vor dem inneren Auge einen CSI-Film „Doppeltes Spiel“ ablaufen sehen. Dabei hilft es maßgeblich, dass der Plot mit einer der überdurchschnittlichen TV-Episoden mithalten kann. Der ökonomisch arbeitende Verfasser greift auf die Ergebnisse früherer Recherchen zurück: Mit „The Million Dollar Wound“, dem vierten Nate-Heller-Roman (1986, dt. „Las Vegas 1946“) hatte Collins schon einmal die Geschichte der Casino-Stadt als Kulisse für einen Thriller genutzt. Sein Wissen hat er klug genutzt und ein leichtes, aber rundum lesenswertes Krimivergnügen realisiert, das sich der Genreliebhaber spätestens als nicht mehr gar so teures Taschenbuch auf die Leseliste setzen sollte.