Conn Iggulden – Sturmvogel (Die Rosenkriege 1)

England zwischen Bauernaufstand und Königssturz

Ein Königreich, zwei Familien, drei Jahrzehnte Krieg. England 1443: Der fromme König Henry VI. ist kränklich und unfähig zu regieren, das Königshaus gerät ins Wanken. Zudem droht ein Konflikt mit Frankreich (wo England umfangreiche Gebiete besitzt), der England in eine Katastrophe reißen könnte. Eine Heirat mit einer Französin soll einen dauerhaften Frieden sichern.

Die Vermählung Henrys mit der französischen Adeligen Margaret von Anjou, 14, soll die macht des Reiches sichern. Doch das Bündnis mit den verhassten Franzosen ruft unter den englischen Siedlern auf dem Kontinent eine Rebellion ins Leben: Die siegreichen Kämpfer von Azincourt wollen ihr Land nicht einfach so hergeben, Kämpfer wie der Bogenschütze Thomas Woodchurch.

Richard, der mächtige Herzog von York, sieht endlich seine Chance gekommen: Er nutzt den Hass auf den König, und zusammen mit seiner willensstarken Gemahlin Cecily of Neville beginnt er die Rosenkriege – York gegen Lancaster… (korrigierte, erweiterte Verlagsinfo)

Der Autor

Conn Iggulden, geboren 1971, unterrichtete Englisch an der Universität von London und arbeitete sieben Jahre als Lehrer, bevor er schließlich mit dem Schreiben historischer Abenteuerromane begann. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen im englischen Hertfordshire. Mehr Info: www.conniggulden.com und https://de.wikipedia.org/wiki/Conn_Iggulden .

Die IMPERATOR-Reihe:

1) Die Tore von Rom (The Gates of Rome, 2003, dt. 2004)
2) König der Sklaven. (The Death of Kings, 2004; dt. 2005)
3) Das Feld der Schwerter (The Field of Swords, 2005; dt. 2005)
4) Die Götter des Krieges (The Gods of War, 2006; dt. 2007)
5) The Blood of the Gods (2013)

Die MONGOLEN-Serie

• Dschingis Khan. Sohn der Wölfe. Blanvalet, 2008. (Originaltitel: Wolf of the Plains: The Epic Story of the Great Conqueror)
• Dschingis Khan. Herr der Steppe. Blanvalet, 2008. (Originaltitel: Lords of the Bow: The Epic Story of the Great Conqueror)
• Bones of the Hills: The Epic Story of the Great Conqueror. 2008
• Empire of Silver: The Epic Story of the Khan Dynasty. 2010
• Conqueror: A Novel of Kublai Khan. 2011

Die ROSENKRIEGE (Wars of the Roses)

1) Sturmvogel (Stormbird, 2013; Heyne 2014)
2) Das Bündnis (Trinity 2014; Heyne 2015)
3) Bloodline (2015)
4) Ravenspur – Rise of the Tudors (19.5.2016)

IMPERATOR und ROSENKRIEGE werden bereits verfilmt.

Handlung

Derry Brewer ist der Meisterspion von König Henry VI, einem schwachen, weil extrem frommen Staatsoberhaupt. Da sich der König nichts sehnlicher wünscht als Frieden mit den Franzmännern, fädelt Brewer einen Deal ein: Land gegen Frieden, besiegelt mit einer Heirat. Unglücklicherweise handelt es sich mit Anjou und Maine um zwei britische Provinzen, die sich seit langer Zeit (seit den Zeiten von Crecy und Azincourt) in englischer Hand befinden und von ruhmreichen Bogenschützen besiedelt worden sind. Doch wo gehobelt wird, müssen Späne fallen, sagt sich Brewer. Wenigstens haben die Franzosen mit Margarete von Anjou ein hübsches, 14 Jahre junges Frauenzimmer als Braut des englischen Königs anzubieten.

Gefährliche Trauung

Leider hat der Herzog von York, Richard Plantagenet, auch ein Wörtchen mitzureden: Er ist der Verwalter jener Provinzen, die der König gerade verschenken will – und er muss die Festung Calais halten, sollten die Franzosen übermütig werden und sich auch noch die Normandie unter den Nagel reißen wollen. Alles läuft dennoch wie am Schnürchen, wenn es nach Brewer geht: Margarete von Anjou wird in der Kathedrale von Tours mit Henrys Stellvertreter William de la Pole, Lord von Suffolk, verheiratet und reist alsbald nach England. Ihr Vater bekommt vom französischen König Charles ein hübsches Sümmchen als Belohnung. Eigentlich ein Kupplerhonorar.

Der Widerstand

Brewer überlebt die Nachstellungen Yorks und versucht, die Bogenschützen, die seinerzeit (1415) bei Azincourt die französischen Ritter niedergemäht hatten, zum Aufgeben ihrer Gehöfte und zum Rückzug nach England zu bewegen. Er redet mit Tom Woodchurch, einem gestandenen Bogenschützen, der unter Seinesgleichen hohes Ansehen genießt. Tom lässt sich nur dazu überreden, Frau und Kinder nach England zu schicken, doch mit seinem Sohn Rowan initiiert er einen Guerillakrieg gegen die einmarschierenden Franzosen.

Deren hochnäsige Ritter werden schon bald Mores gelehrt: Sie lernen, die englischen Bogenschützen überall, wo sie sie finden, zu hassen und sie grausam zu töten. Die Bogenschützen sind leicht an ihren überaus kräftigen Oberarmen und Schultern zu erkennen. Sie schießen einem Ritter auf 450 Schritt genau in den ungeschützten Kragen – oder gleich auf sein Pferd.

Rückzug

Doch als König Charles sein GESAMTES Heer aufbietet, um den feindlichen Widerstand niederzuschlagen und alle Gehöfte niederzubrennen, müssen sich Woodchurch und Co. zurückziehen. Sie geraten in den schier endlosen Strom der Flüchtlinge, der sich nach einer verlorenen Schlacht um Rouen nach Calais ergießt. Die letzte Demütigung auf französischem Boden erwartet Tom vor dem Schiff: Er muss sich ausgerechnet auf den verhassten Brewer berufen, um einen Platz Bord zu bekommen.

In Kent

Vertriebene Bogenschützen und andere Verlierer des Rückzugs aus Frankreich rotten sich um einen Veteranen namens Jack Cade zusammen, der seinen Sohn durch einen fiesen Richter am Galgen verloren hat. Schon nach wenigen Wochen hat er tausend Freibauern um sich geschart und trainiert sie, damit sie den Truppen des Sheriffs von Kent standhalten und eins auf die Mütze geben können. Doch als die Schlacht endlich beginnt, verhindern dichter Nebel und klammer Regen, dass Cade den Überblick behält. Schon bald läuft die Schlacht der Rebellen völlig aus dem Ruder. Nur mit viel Glück behalten sie die Oberhand.

Nach London

Nun ist der Weg nach London frei. Als Tom Woodchurch sich Cades Rebellion anschließt, erhält er einen unschätzbaren Vorteil: Tom kennt die Straßen der englischen Hauptstadt ganz genau – und den Weg zum Tower, wo sich Margarete von Anjou versteckt hält…

Mein Eindruck

Der englische König und seine junge Königin sehen sich also nach ihrer Quasi-Heirat 1445 und der Krönung der Königin einer doppelten Bedrohung gegenüber. Auf der einen Seite die Rebellion des Jack Cade und der aus Frankreich Vertriebenen, auf der anderen die mehr verfassungsgemäße Vorstoß der Plantagenets, um den schwachen König, der Frankreich verlor und aus London geflohen ist, endgültig vom Thron zu stoßen. Richard von York, der Thronräuber, rührt natürlich keinen Finger, um London vor dem kentischen Pöbel zu bewahren und die Königin aus dem Tower zu befreien.

Doch noch ist England nicht verloren. Derry Brewer gelingt es, einen gewissen Widerstand unter den Anhängern des Königs zu wecken und sie nach London zu lotsen. Die Innenstadt wird unversehens zum blutigen Kriegsgebiet. Das zweite Zentrum des Widerstands gegen York ist Margarete selbst. Die Königin (1429-1482), 1461 etwas über 30 Jahre alt, steht ihrem Mann gegen das intrigante Parlament ebenso bei wie gegen die Rebellen. Im Tower von London, wo die Rebellen über die königliche Münze herfallen und gierig nach den Kronjuwelen suchen, organisiert sie den Widerstand. Manch ein tapferer Gardist gibt sein Leben für sie. Doch im isolierten Weißen Turm (der bis heute steht) übersteht sie den Angriff, bis Brewers Leute Entsatz bringen.

Diese weiblichen Heldentaten wären alle für die Katz, wenn ihr nicht die allerwichtigste gelungen wäre: Vom keuschen König ein Kind zu empfangen. Da ein König ohne Erbe völlig wertlos ist (wie Heinrich VIII nur zu gut wusste) und sein leben nur von kurzer Dauer sein dürfte, strengt sich Margarete an, den König zu verführen. Wer sich nun verwundert fragt, woher eine 14-jährige Braut das nötige biologische und anatomische Wissen erlangt haben könnte, dem dürfte klar sein: Die verklemmten Engländer haben’s ihr sicher nicht gesagt.

Solches erotisches Wissen verdankt Margarete ihrer älteren Schwester Yolande, die natürlich regelmäßig zu Besuch nach England kommt – der Ärmelkanal ist ja so breit nun auch wieder nicht. Als verheiratete Frau ist Yolande mit allen amourösen Tricks vertraut. Wie auch immer: Der deutlich erkennbare Bauch der Königin beeindruckt das Parlament genügend, um den König nicht sofort abzusetzen und ins Kloster zu schicken. Vielmehr wählen die Adligen und Würdenträger einen Plan B, der sich als genauso verhängnisvoll erweisen wird: Sie ernennen Richard von York zum Protektor des Reiches. Damit ist der Weg zu den Rosenkriegen (1455-1485) frei…

…und darum geht es ja in Conn Igguldens neuer Romanserie, die genau diesen Titel trägt: „Sturmvogel“ ist erst der Auftakt zu „Die Rosenkriege“. Wie schon in seiner Serie um Julius Caesar beschäftigt sich der Autor mit der Entstehung einer Bürgerkriegssituation. Wo Caesar gegen Pompeius & Co. focht, bis sein Adoptivsohn Octavian siegte, da untersucht der Startband des Rosenkriege-Zyklus, wie es zum Ausbruch des langen Konflikts kommen konnte.

Er skizziert die Gründe und die Hauptakteure, allerdings ist die Figur des Derry Brewer sein eigenständige Erfindung. In seinem ausführlichen Nachwort erklärt er, welche Freiheiten er sich noch herausnahm. Wo bis heute ein notorischer Fabulierer wie William Shakespeare unser Wissen über diese Epoche prägt (von Henry V bis Richard III), versucht Iggulden ein paar Fakten einzubringen. Das ist ihm durchaus plausibel gelungen.

Die Übersetzung

Die Übersetzung liest sich flüssig, plausibel und korrekt. Sie enthält angesichts des Umfangs von rund 600 erstaunlich wenige Fehler – siehe unten – und enthält sämtliche Zusatzinformationen in eingedeutschter Form. Aber auch nicht mehr. Fußnoten sucht man vergeblich.

S. 135: „endlich kamen auch die Gäste vor (!) draußen heraus“. Korrekt sollte es „von“ statt „vor“ heißen.

S. 155: „Wir werden den Rückzug [aus?] Maine schon noch schaffen.“ Hier fehlt im Text ein Wort. Plausibel wäre „aus“.

S. 439: „er musste er lächeln, als er sich daran erinnerte.“ Einmal „er“ reicht völlig.

Bonusmaterial

Mehrere farbige Land-, Stadt- und Palastkarten finden sich auf den Innenseiten des Einbands und den Anfangsseiten. Stammtafeln der einflussreichsten Häuser sind ebenfalls dort zu finden. Leider gibt es in den Stammtafeln keine Daten; diese gibt es nur auf der ersten und wichtigste Einbandseite: „Die königlichen Linien Englands“. Weitere Informationen hält das Personenregister auf den vorletzten Seiten bereit, an die sich das Nachwort anschließt. Dem Leser bleibt also einiges zu tun: ein veritables Puzzle aus verstreuten Informationen zusammenzusetzen.

Unterm Strich

Man liest einen Iggulden-Roman nicht wegen der fein gesponnenen politischen Ränke, die schon nach wenigen Seiten eh undurchschaubar werden, sondern wegen der zahlreichen Actionszenen. Davon weiß der Autor pflichtgemäß einige aufzubieten. Seien es die Guerilla-Scharmützel Tom Woodchurchs oder Jack Cades, sei es die Schlacht um Calais, seien es die Scharmützel in und um London – stets mangelt es nicht an anschaulich geschilderten Kampfszenen, die es an Brutalität und Bodycount mit jeder Episode von „Game of Thrones“ aufnehmen können. Im Vergleich zum Standard, den Bernard Cornwell gesetzt hat, nimmt sich dieser Gehalt an Gewalt aber noch bescheiden aus. (Cornwell hat mit „Azincourt / Das Zeichen des Krieges“ eine ideale Vorbereitung auf den Rosenkriege-Zyklus geschrieben.)

Die Action bzw. die Vorfreude darauf beschleunigte meine Lektüre erheblich, so dass ich den Wälzer von 600 Seiten schon nach einer Woche durchgelesen hatte. Aber Action allein kann die Darstellung einer historischen Epochen nicht allein tragen, so viel dürfte klar sein. Ein klein wenig Romantik, eine Prise Intrigen und ein Gutteil historischer Hintergrund bestreiten den Rest.

Im Vordergrund stehen stets die Handelnden auf beiden Seiten der Konfliktparteien, die sich von 1455 bis 1485 dreißig Jahre lang beharken werden. Diese Anschaulichkeit ist auch absolut notwendig, damit der Leser am Schicksal der Figuren anteilnehmen kann. Ohne diese Empathie würde die ganze Erzählung wirkungslos verpuffen. Da dies nicht der Fall ist, ließ mich der Roman neugierig und hungrig zurück. Die Fortsetzung trägt den Titel „Das Bündnis“ .

Was den Untertitel „Sturmvogel“ anbelangt, so kann sich jeder Leser seinen eigenen Reim darauf machen. Es lassen sich zahlreiche Figuren aufzeigen, deren Schicksal dem eines Vogels im Sturm gleicht. Vielleicht trifft das Attribut eines solchen Sturmseglers noch am ehesten auf den wirklich gut erfundenen Derry Brewer zu. Jemand musste ja den Anjou-gegen-Frieden-Deal eingefädelt haben.

Taschenbuch: 608 Seiten
Originaltitel: War of the Roses: Stormbird, 2013;
Aus dem Englischen von Christine Naegele
ISBN-13: 9783453417960

www.heyne.de

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)