Connelly, Michael – Im Schatten des Mondes

Ein äußerst spannender Thriller um eine Profi-Diebin und ihren kaltblütigen Verfolger – im Mittelpunkt das Spielerparadies von Las Vegas. Im Unterschied zu Connellys anderen Roman fehlen diesmal Polizisten fast völlig: Diese Geschichte schildert die Schattenseite des Verbrechermilieus – und wie man ihm entkommt.

_Der Autor_

Michael Connelly arbeitete einige Jahre als Polizeireporter für die Los Angeles Times. In den meisten seiner Romane spielt der L. A. Police Detective Harry Bosch (von Hieronymus Bosch ist auch der Name von Connellys Firma Hieronymus Inc. abgeleitet) die Hauptrolle. Connelly schrieb u. a. die Bestseller „Der Poet“, „Das zweite Herz“ (das Clint Eastwood unter dem Titel „BloodWork“ verfilmt hat), „Schwarze Engel“ und „Dunkler als die Nacht“. Connelly lebt in L.A.

_Handlung_

Die auf Bewährung freigelassene Cassie Black schaut nicht gerne zurück, aber sie muss. Jahrelang hatte sie erfolgreiche Spieler in Las Vegas, der Hauptstadt des Glücksspiels, ausgeraubt. Am Schluss verlor sie ihren Geliebten und Mentor Max Freeling, danach verbrachte sie fünf elende Jahre im Knast.

Jetzt verkauft Cassie Luxusautos an Hollywoodgrößen wie etwa erfolgreiche Drehbuchautoren. Ihr streng gehütetes Geheimnis hat ihr ermöglicht, die schwärzesten Stunden der Hoffnungslosigkeit zu überstehen. Doch mittlerweile hat Cassie die Nase voll vom ehrenhaften Leben. Sie nimmt Kontakt zu ihrem alten Helfer Leo Renfro auf, der ihr einen „Job“ in Vegas verschafft. Natürlich sofort. Cassie muss nämlich möglichst schnell an Geld kommen, um ihr Geheimnis weiterhin bewahren zu können, das in Gefahr ist aufzufliegen …

In Vegas sieht der Job zunächst wie ein Kinderspiel aus: Ein erfolgreicher Baccarat-Spieler namens Hernandez wird ihr als Zielobjekt zugewiesen. Sie erhält seine Zimmerschlüssel und ein Zimmer direkt neben seinem. Offenbar steckt in der Hotelorganisation ein Maulwurf. Obwohl sich Cassie nicht hundertprozentig wohl in dem Hotel, dem (fiktiven) Cleopatra, fühlt, in dem ihr Geliebter Max starb, zieht sie den Job durch. Alles verläuft nach Plan, bis sie den Aktenkoffer ihres auserkorenen Opfers öffnet: Mafiageld!

In diesem Moment fällt ihr die Warnung des Strohmannes Leo Renfro ein, der ihr diesen „Job“ vermittelt hat: Sie solle sich vor jenen Minuten in der Tatnacht in Acht nehmen, in denen der Mond sein altes astrologisches „Haus“ verlässt, um in ein neues zu wechseln: vor dem „kritischen Mond“ (O-Titel: „Void Moon“).

Nun beginnt die Jagd nach dem Mafiageld – für Cassie und ihren kaltblütigen Jäger ein Rennen gegen die Zeit …

_Mein Eindruck_

Bis Seite 160 dachte ich, dass dieses Buch doch ein wenig spannender sein könnte. Ich meine: Es ist zwar recht kitzlig, in einem fremden Hotel einen Raubüberfall durchzuziehen, ohne dass weder der Überfallene noch der Sicherheitsdienst etwas davon merken. Das erinnert ein wenig an die seligen Zeiten von Forsyths „Der Schakal“.

Aber dann, ab Seite 160, kam Jack Karch ins Spiel, und das ist ein mindestens ebenso interessanter Charakter wie Cassie. Jack ist ein korrupter Privatdetektiv, hat aber sehr viel mit der Geschäftsleitung des Cleopatra-Casinos zu tun. Und wie es scheint, war er an Max Freelings Tod nicht ganz unschuldig.

Was diesen psychopathischen Killer – man nennt ihn „Jack of Spades“ wegen seines Geschicks im Umgang mit dem Spaten – so unheimlich macht, sind seine zwielichtigen Taschenspieler- und Zauberertricks, die er von seinem Vater erlernt hat (der aber schon lange unter der Erde ist). Außerdem verfolgt Jack seine eigenen Pläne mit dem Cleopatra.

Ab Jacks Auftritt wird das Leben für Cassie, Leo und alle, die ihnen nahe stehen, reichlich ungemütlich. Natürlich kommt es nach etlichen Scharmützeln zu einem ordentlichen Showdown in Vegas.

Doch im Verlauf von Cassies Verfolgung durch Jack und dieses Finales ergeben sich zahlreiche Überraschungen. Wir erfahren endlich von Cassies Wünschen, Träumen und ihrem Geheimnis. Der Autor bringt uns dazu, dieser Diebin sämtliche Daumen zu drücken. Und wir erfahren endlich, was in jener verhängnisvollen Nacht vor sechs Jahren wirklich passierte. Auch Jack fällt aus allen Wolken – und dann noch etwas tiefer …

_Unterm Strich_

„Im Schatten des Mondes“ fängt langsam an, denn es ist sorgfältig erzählt. Der Erzähler gerät nie ins Schwafeln, wenn er seine Figuren vorstellt, schon gar nicht, wenn sie allmählich in eine spannende Handlung verwickelt werden.

Gegen Schluss wird eine rasante und höchst überraschende Katz-und-Maus-Jagd zwischen Jack und Cassie, seiner hübschen Widersacherin, inszeniert, bei der nicht nur viel Geld auf dem Spiel steht, sondern mehrere Menschenleben. Der Thrillerfreund kann absolut zufrieden sein. Ich war es jedenfalls. Schade, dass das Buch nach 445 Seiten schon zu Ende ist.

|Originaltitel: Void Moon, 2000
Aus dem US-Englischen von Sepp Leeb|