Connie Willis – Die Jahre des schwarzen Todes. Zeitreiseroman

Ein Weihnachtsalptraum

Es sollte ein Ausflug in die schönste Zeit des englischen Mittelalters werden: Oxford im Jahre 1320 war ihr Ziel. Doch durch einen technischen Fehler kommt die Zeitreisende 1348 dort an, dem Jahr, in dem die Große Pest England erreicht. Die Reise wird zum Alptraum, und sie ist außerstande, ins 21. Jahrhundert zurückzukehren. (Verlagsinfo) Unterdessen bricht auch im Oxford des Jahres 2054 eine Epidemie aus. Die Ereignisse beginnen sich auf fatale Weise zu gleichen…

Die Autorin

Constance Elaine Trimmer Willis wurde am Silvestertag des Jahres 1945 in Denver, US-Staat Colorado geboren. Sie studierte Englisch und Erziehungswissenschaften am dortigen Colorado State College (heute University of Northern Colorado), wo sie 1967 ihren Abschluss machte und als Lehrerin zu arbeiten begann.

Ihre erste Kurzgeschichte („The Secret of Santa Titicaca“) veröffentlichte Willis im Dezember 1970. Bekannt wurde sich durch ihre pointierten Storys. Ein Debütroman (Water Witch; dt. „Die Wasserhexe“, zusammen mit Cynthia Felice) folgte erst 1982. Der Erfolg ermöglichte es Willis, ihren Beruf aufzugeben und sich auf die Schriftstellerei zu konzentrieren.

Die 1945 geborene Lehrerin und US-Schriftstellerin ist seit den achtziger Jahren eine der besten und originellsten Science Fiction-Autorinnen. Die Stories, die dies beweisen, sind in dem Band „Brandwache“ gesammelt (deutsch bei Luchterhand). Sie hat bereits zahlreiche Preise eingeheimst, darunter den HUGO und den NEBULA für ihren Zeitreiseroman „Die Jahre des Schwarzen Todes“ (1992, dt. bei Heyne).

„Lincolns Träume“ war 1987 ihr Romandebüt als Solo-Autorin, davor schrieb sie als Ko-Autorin mit Cynthia Felice. Für „Die Farben der Zeit“ wurde Connie Willis mit dem Hugo Gernsback- und dem Locus (Magazine) Award für den besten SF-Roman des Jahres 1997 ausgezeichnet.

Seither hat Willis mehr Auszeichnungen – darunter elf Hugo Gernsback Awards und sieben Nebula Awards – eingeheimst als jede andere Science-Fiction-Autorin. Dabei fühlt sie sich dem Genre keineswegs verpflichtet. Willis setzt ihre Hauptfiguren gern den Attacken karrieresüchtig stromlinienförmiger, politisch überkorrekter, humorloser Zeitgenossen aus, die sie auf diese Weise anprangert.

Mit ihrem Gatten, einem ehemaligen Physikprofessor, lebt Connie Willis heute in Greeley, Colorado.

Handlung

Oxford im Dezember 2054

Die Historische Fakultät der Universität Cambridge, geleitet von Prof. Gilchrist, ist mächtig stolz darauf, die erste Person durch die Zeit schicken zu können. Die Gelehrten James Dunworthy und Dr. Mary Ahrens von der Konkurrenz-Uni Oxford sehen das ganze Unternehmen etwas kritischer. Sie wohnen dem Transfer bei und fragen die Kandidatin, Kivrin, nach ihrem Befinden. Die blonde Frau, die mit einem Meter fünfzig ungefähr so klein ist wie die Personen in der Zielzeit 1320, ist wohlauf. Die Techniker Latimer und Montoya sind auch schon da, um den Transfer einzuleiten und zu steuern.

Alles scheint glatt zu gehen, denn auf einmal ist Kivrin weg, „sauber durchs Netz“, wie Mr. Dunworthy findet. Doch am nächsten Tag bricht Badri, der Techniker, der die Zielzeit berechnet hat, zusammen. Er ist von einer mysteriösen Krankheit befallen, die sich, wie Dunworthy und Mary bestürzt herausfinden, immer weiter in Oxford ausbreitet – und bald auch im benachbarten London, das ja nur eine U-Bahnfahrt entfernt liegt.

Zu allem Überfluss beginnen jetzt diverse Weihnachtsbesuche, so dass der Krankheit, welche auch immer es sein mag, durch Quarantäne nicht mehr beizukommen ist. So trifft unterdessen Marys Großnette, der 13-jährige Collin, ein. Während die Stadt zum Stillstand kommt, versucht Mr. Dunworthy herauszubekommen, was Badri meint, wenn er auf dem Krankenbett flüstert, etwas stimme nicht mit der Berechnung…

Skendgate kurz vor Weihnachten 1320

Kivrins Absetzpunkt befindet sich am Rande eines winterlich kahlen Waldes. In ihrem Umhang und ungeschützt durch Unterwäsche beginnt sie bald zu frieren und entwickelt ein Fieber. Sie sitzt neben ihrem Fuhrwerk, das sie als Tarnung „mitgebracht“ hat: Sie soll den Eindruck erwecken, als wäre sie etwas Besseres, eine Angehörige der gehobenen Stände.

In ihrem Fieberwahn kann sie nicht unterscheiden, wer sie dann überfällt. Sind es Halsabschneider und Räuber? Jedenfalls packt ein Ritter sie auf seinen Schimmel und führt sie damit zu einem Landgut namens Skendgate, wo man sie unter dicke Decken packt, bis ihr Fieber vergeht. Sogar der Dorfpfarrer Pater Roche, ein sehr einfacher Mann, gibt ihr schon die letzten Sakramente.

Personal

Sobald Kivrin zwei und zwei zusammenzählen kann, schaut sie sich ihre Gastfamilie genauer an. Da ist Frau Eliwys und ihre Schwiegermutter Frau Imeyne. Frau Eliwys ist aber nicht mit Ritter Gawyn verheiratet, sondern mit Sir Bloet, der allerdings bei Gericht in Bath weilt. Sir Gawyn scheint aber nicht nur ein Lehnsmann, sondern auch in Lady Eliwys verliebt zu sein. Was von ihr erwidert wird, sobald Frau Imeyne nicht zugegen ist.

Lady Eliwys hat trotz (oder wegen) ihres jugendlichen Alters zwei Töchter namens Rosemund und Agnes. Besonders die neunjährige Agnes nimmt sich Kivrins an, und diese muss aufpassen, sich nicht zu verraten. Sie soll ungebildet erscheinen, denn die meisten Frauen können in dieser Zeit weder schreiben noch lesen. Schon bald muss sie lügen wie gedruckt. Sie diktiert heimlich in den Rekorder, der in ihren Handknochen eingepflanzt ist. Ihre Protokolle sind an ihren Mentor Mr. Dunworthy gerichtet.

Zeit und Ort

Peinlich genau muss sie auf das Verstreichen der Tage achten, denn erstens kann sie nur 14 Tage bleiben und zweitens werden hier im Jahr 1320 die Tage vor Weihnachten anders berechnet: Hier gilt noch der julianische Kalender anstelle des gregorianischen. So kommt es also zu einer erheblichen Differenz zwischen Skendgate und Oxford: Weihnachten findet in Oxford viel früher statt als in Skendgate.

Stets versucht Kivrin, die Abholstelle wiederzufinden, doch die Stelle, die Sir Gawyn ihr zeigt, kann nicht die richtige sein. Dass Sir Gawyn ihr Fuhrwerk gefunden hat, tröstet sie nicht, denn die Räuber haben es völlig ausgeplündert. Sie wendet sich an den Dorfpfarrer. Tatsächlich: Pater Roche war eines der Gesichter in ihrem Fiebertraum: der „Halsabschneider“. Er muss die Absetzstelle kennen, oder?

Zusammen mit den beiden Mädchen begeben sich Kivrin und der Dorfpfarrer mitten in den Wald. Ja, hier sieht es vertraut aus – und doch: Nichts lässt auf ihre frühere Anwesenheit schließen. Kivrin ist geneigt, ihre Suche aufzugeben. Da trifft endlich Sir Bloet mit seiner Schwester ein, und alle feiern ein wunderbares Weihnachtsfest…

Oxford 2054

Zwischen Weihnachten und Neujahr breitet sich die neue Seuche, die man noch als „Grippe“ bezeichnet, im ganzen Land aus. Dunworthy versucht sich einen Überblick zu verschaffen und den erkrankten Opfern zu helfen. Es gibt immer mehr Todesopfer in Oxford. Kommt das Virus aus einer Ausgrabungsstätte bei Skendgate, womöglich sogar, wie Gilchrist unterstellt, aus der offenen Verbindung zum Jahr 1320?

Doch zunehmend treibt ihn die Sorge um Kivrin um, denn ihre Rückholung steht an. Als er von dem halbwegs genesenen Badri erfährt, dass er selbst, Dunworthy, die falschen Koordinaten angegeben hat und ein bereits delirierender Badri sie unbesehen übernahm, schockiert ihn die Erkenntnis, dass er Kivrin ins Pestjahr 1348 geschickt hat. Nun muss er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um sie zurückzuholen oder ihr anderweitig zu helfen.

Skendgate 1348

Ein Gesandter des Bischofs ist aus Bath gekommen, um Weihnachten zu feiern. Doch merkwürdig: Nach durchzechter Nacht bricht der Gesandte ohne seinen Sekretär und nur mit seinem Assi auf, und nicht etwa nach Oxford oder Bath, sondern zu obskuren Dörfern wie Bicester. Wie die Familie entdeckt, liegt der Sekretär krank in der Dachkammer darnieder.

Nur Kivrin und der Priester verfügen über die medizinischen Kenntnisse, um die Krankheit bestimmen zu können. Es ist Kivrin, die die Beulen in den Achselhöhlen des Mannes entdeckt: Es kann nicht sein, oder, denn schließlich schreibt man doch das Jahr 1320! Der keuchende Mann belehrt sie eines Besseren: „Wir schreiben das Jahr des Herrn eintausenddreihundertachtundvierzig.“

Es ist das Jahr des Schwarzen Todes, das Jahr, in dem die Pest, aus China kommend, erst die englischen Häfen und schließlich auch Oxford erreichte. Doch die Pest hat drei Erscheinungsformen, und die Beulenpest ist nicht die schlimmste. Sie selbst ist dagegen geimpft worden. Bleibt ihr noch eine Gnadenfrist, fragt sich Kivrin, ein paar Tage, bis der Rückholzeitpunkt gekommen ist? Unterdessen wird sie Zeugin, wie der Sensenmann reiche Ernte hält…

Mein Eindruck

Das Leben ist Chaos, und das Chaos ist immer und überall. Meist mangelt es an Kommunikation, dann wieder an Einfühlsamkeit und Zusammenarbeit. Dass Chaos also sowohl in der Jetztzeit des Jahres 2054 ebenso herrscht wie im Jahre 1320 alias 1348, darf nicht weiter verwundern. Ebensowenig die Tatsache, dass hier wie dort eine Epidemie wütet, die die Menschen reihenweise dezimiert. Die Frage ist nur, mit welchen Kräften normalsterbliche Menschen dieses Chaos‘ Herr werden können.

Nicht ohne Grund hat die Autorin Weihnachten als Zeitpunkt ausgewählt. Es ist nicht nur die Zeit, in der der Erlöser geboren wird, sondern im Kirchenkalender gespickt mit Daten, an denen dieses und jenes Ereignis gefeiert werden soll. Das sorgt nicht nur für einen gewissen zeitlichen Zusammenhang und Überblick, sondern hebt die ganze Doppel-Handlung auf eine höhere, allgemeingültige Ebene. Wenn zu Weihnachten die Rettung lieber Menschen nicht gelingt, wann denn dann?

Zweitens gibt es zur Freude der Autorin allerlei besondere bis sonderbare Bräuche und Aktivitäten, mit denen das Fest begangen wird. Die Autorin hat sich als Fan des Festes geoutet und sogar einen ganzen Erzählband („Miracle and Other Stories“) darüber veröffentlicht. Geschenke zu kaufen und zu schenken ist ein weltweiter Standard, Verwandte zu besuchen ebenso. In Zeiten der Epidemie kann Nähe allerdings verhängnisvoll wirken, und Werte werden umgekehrt. Bemerkenswerter sind in Oxford 2054 schon die US-amerikanischen Schellenläuterinnen. Das Schellenläuten muss ebenso harmonisch wie vollzählig stattfinden. Das Vorhaben wird durch die ständigen Ausfälle erschwert, und selbst die Aufführung selbst wird von Fieberanfällen heimgesucht.

Anno 1320/1348 verläuft die Weihnachtszeit sehr viel leiser. Bei der eigentlichen Feier hauen die Beteiligten auf die Pauke, doch schon wenig später setzt Katerstimmung ein, als man entdeckt, dass der Sekretär des gesandten des Bischofs die Pest eingeschleppt hat. Nun wird die zu Weihnachten vielbeschworene Nächstenliebe auf eine harte Probe gestellt. Pater Roche erkennt eine Heilige direkt vor seiner Nase.

Die Heilige

Kivrin ist die Kurzform von Katherine. Deren Standbild steht in Pater Roches kleiner Dorfkirche. Zu ihr betet er um Erlösung, und Kivrin erkennt zur ihrer Bestürzung, dass seine Verehrung weit über das Speirituelle hinausgeht. Er versucht, sie zu verführen und als das nicht fruchtet, sie zu vergewaltigen, wie ihr scheint. Doch er ist bereits von der Seuche viel zu sehr geschwächt, um seine Absicht auszuführen. Es ist das letzte Aufbäumen des Fleisches, eine letzte Affirmation seiner realen Existenz. Vergeblich.

Pater Roches Verehrung ist keineswegs die einzige, die Kivrin erhält. Auch Agnes, die jüngere Tochter von Frau Eliwys, klammert sich an sie, und das Schicksal des Mädchens geht der Zeitreisenden ganz besonders nah. Von Lady Eliwys‘ der Schwiegermutter, Frau Imeyne, wird Kivrin eher als potentielle Hexe eingestuft. Ständig will Imeyne an den Bischof in Bath schreiben, um Kivrin anzuzeigen und der Befragung zuzuführen.

Glücklicherweise verhindert der Ausbruch der Pest, dass es zu einem Hexenprozess kommt. Hexe oder Heilige? Keiner kann sich bei der Fremden sicher sein. Doch alle wundern sich, dass sie nicht von der Seuche angegriffen wird – denn sie ist ja geimpft. Ist ihre Kraft nun des Himmels oder des Teufels? Nachdem alle, die sie in Skendgate gekannt hat, gestorben sind, wünscht sich die Zeitreisende nur eines: entweder nach Schottland, das bekanntlich von der ersten Pestwelle verschont wurde, oder nach Hause, zu Dunworthy und Mary Ahrens. Warum kommen sie nicht, um sie aus diesem Jammertal zu retten?

Dunworthy

Kivrins Mentor brauchte sehr lange, um seine Schuld und seine Verantwortung zu begreifen. Nicht nur hat er sie durch ein Versehen in die falsche Zeit, ja, in die Hölle der Pest geschickt. Die Mächte des Schicksals haben sich allesamt gegen ihn verschworen: Chaos herrscht überall. Die „Grippe“ hat Oxford fest im Griff, so dass ein Getreuer nach dem anderen ausfällt. Schließlich weigert sich auch Gilchrist, ihm Zutritt zur Zeitmaschine zu gewähren. Und wo ist die höchste Instanz? Angeblich beim Forellenangeln in Schottland. Deus absconditus: Gott hat sich buchstäblich vom Acker gemacht.

Nachdem alle Bittgesuche usw. nichts gefruchtet haben, greift Dunworthy mithilfe von Colin und dessen lokalen Freunden zu einer genialen List. Endlich erlangt er Zutritt zur Zeitmaschine, da fällt ihn das Virus der „Grippe“. Als er im Krankenhaus erwacht, wird ihm allmählich die Dringlichkeit seiner Verantwortung bewusst. Es bleiben nur noch wenige Stunde, bis sich das Zeitfenster zu Kivrin wieder schließt und sie unwiederbringlich verloren ist – und mit ihr sämtliche Ereignisprotokolle. In einem dramatischen Herzschlagfinale raffen sich Dunworthy und Colin dazu auf, das Zeitnetz nach Skendgate auszuwerfen und Kivrin zurückzubringen.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist einigermaßen gelungen, doch der Roman hätte dringend eine Personenliste nötig gehabt. Der Leser muss sich die Eigen- und Ortsnamen, die ich für die Inhaltsangabe sortiert habe, selbst zusammenstellen und zueinander in Bezug setzen. Eine Google-Landkarte bereit zu halten, ist ebenfalls ratsam. So kann man die Orte Bath, Oxford und West-London miteinander verbinden. (London ist anno 2054 natürlich weitergewachsen und viel größer als etwa anno 2022.)

S. 13: „Gilchrist drückte auf der anderen Seite auf einen K[n]opf…“: Das N fehlt.

S. 21: „als sie über die herumgesteuerten Kisten und Körbe stieg.“ Gemeint sich wohl „herumgestreute Kisten“.

S. 79: „Drogenabhäng[ig]er“: Eine Silbe fehlt.

S. 125: „die Druckempfindlichkeit war vergangen[en]“: Die Silbe -en ist überflüssig.

S. 229: „Eliwys wollte Gawyn nicht einmal nach Bath reiten lassen, um Nachricht über die […] zu erhalten…“ Die Lücke bei […] ist offensichtlich, aber was hier stellen sollte, ergibt sich m.E. nicht aus dem Kontext.

S. 288: „war das ganze Bein mir roten Bissen bedeckt.“ Statt „mir“ sollte es „mit“ heißen.

S. 331: „den nächsten T[a]g…“: Das A fehlt.

S. 360: „was ihr die Aussicht auf seinen Besuch in Ashencote vergäl[l]te“. Das zweite L in „vergällte“ fehlt.

S. 380: „bei Debenhan“: Jeder Londoner weiß, dass damit nur das Kaufhaus Debenham’s gemeint sein kann.

S. 418: „Gefahrenzuschl[a]g“. Wieder fehlt das A.

S. 424: „Chilchrist“ statt „Gilchrist“.

S. 433: „Her[d]stelle“: Das D fehlt.

S. 481: „Einer von ihnen trägt einen purpurnen Samtvorhang…“: Vorhänge gehören an Fenster, doch an Menschen gehören Umhänge.

S. 678: „Es gab keine[n] Rückholtermin.“ Das N fehlt.

S. 738: „vor dem Brasenose Colle[g]e“: Das G fehlt.

S. 740: „Pest[e]eimpfung“: Das E ist überflüssig.

S. 763: „Ihr mußt Euch niederlegen.“ Korrekt sollte es „müsst“ heißen.

S. 786 und 789: „Ziehweg“ statt „Viehweg“. Ein Zweifelsfall, der korrekt sein kann.

S. 812: „Weit vorn im Chor klomm die matte Flamme des ewigen Lichts…“ Da diese Flamme nicht emporklimmt, wohl aber glimmt, sollte es korrekt „glomm“ heißen.

S. 824: „in diesem Jahrhundert, das schlimmer war als eine Zehn“. Diese Formulierung würde auf einer Skala, die eine 10 als Höchstwert annimmt, einen Sinn ergeben.

Unterm Strich

Dieser Roman von rund 830 Seiten ist eine lange, aber keine mühselige Lektüre. Ständig passiert etwas, und ich hatte Mühe, gerade in den Oxford-Kapiteln den Überblick zu behalten. Es ist daher ratsam, sich mit dem Lesen ranzuhalten und keine längeren Pausen einzulegen. Der Kontrast zwischen Oxford und Skendgate sorgt erst für scharfe Unterschiede, dann für immer mehr Parallelen: An beiden Orten breitet sich eine tödliche Krankheit aus, und die Menschen reagieren entweder verzweifelt oder resigniert auf Tod und Leid.

Dass diese anrührende Geschichte nicht aus der Luft gegriffen ist, macht schon das erste Motto deutlich. Es ist dem Pestberief eines Mönches aus dem Jahr 1349 entnommen. Weitere Berichte stammen von der Zeitreisenden selbst, diktiert in den Rekorderchip in ihrem Handknochen. Diese Passagen, die der Fiktion den Anstrich der Authentizität verleihen, sind teils innerer Monolog, teils chronologischer Report.

So mögen sich auch die Berichte Robert Falcons Scotts von seiner gescheiterten Südpolexpedition anno 1912 gelesen haben: ernsthaft, persönlich und dennoch erschreckend in ihren Aussagen Die Frage ist daher: Können wir der Chronistin vertrauen? Ich neige dazu, ihr zu glauben, denn sie hat keinen Grund, ihren Mentor Dunworthy zu täuschen. Skendgate ist ihr Golgatha. Vielmehr ist es gut möglich, dass ihre Berichte zum Teil auf Fieberphantasien und Missverständnissen basieren. Letzten Endes muss der Leser sein eigenes Urteil fällen.

Schuld und Sühne

Dunworthy ist an ihr schuldig geworden, indem er Kivrin in die falsche Zeit geschickt hat. Er muss diese Verantwortung einlösen und sie dort herausholen, wenn es in seiner Macht steht. Doch Chaos, Standesdünkel und schlichte Desertion des obersten Verantwortlichen – heftige Kritik seitens der Autorin – erschweren seine Rettungsexpedition, bis es beinahe zu spät ist. Ein anrührendes, dramatisches Finale folgt, das keinen Leser kalt lassen dürfte.

Zeitreisen

Der Roman ist der Kommentar der Autorin am Untergenre Zeitreise bzw. an den bisherigen Bearbeitungen dieses Themas. Autoren haben Zeitreisen wie Reisen im Raum aufgefasst und alle Ereignisse fein säuberlich ablaufen lassen. Dabei sind laut Willis Reisen durch die Zeit stets Kämpfe gegen das Chaos und die Unwägbarkeiten einer Verbindung, die BEIDE Seiten unwiderruflich verändert. Nichts läuft bei ihr wie geplant, sondern es wird laufend improvisiert.

Nicht nur die Absender machen Fehler, sondern die Reisenden selbst werden bis zur Unkenntlichkeit verändert. Wer kann schon wissen, ob Kivrin entweder als Heilige verehrt oder als Hexe verbrannt werden wird? Das Schicksal von Frauen ist bei Zeitreisen allgemein unsicher, so die Botschaft. Und so stehen im Blickpunkt der Autorin vor allem die Frauenfiguren.

Weibliche Leser können möglicherweise auch mit der Vielzahl der Figuren und ihren Verflechtungen mehr anfangen als etwa ein männlicher Leser, der eine geradlinige Handlung sucht – und nicht fündig wird. Action gibt es auch keine, sondern lediglich zwei lange Leidensgeschichten. Wo Kivrins Geschichte traurig wirkt, bildet Dunworthys Kampf gegen die Windmühlen der akademischen Bürokratie eher wie eine Komödie. Beide zusammen bilden sie eine perfekte, wirkungsvolle Kombination.

Taschenbuch: 832 Seiten
O-Titel: Doomsday Book, 1992;
Aus dem US-Englischen von Walter Brumm,
ISBN-13: 978-3453065895

www.heyne.de

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