John Sinclair – Tokatas Todesspur (Folge 63)

Auf der Insel des Schweigens: das Armageddon der Samurai

„Geisterjäger“ John Sinclair ist Oberinspektor in einer Sonderabteilung von Scotland Yard, die sich mit übersinnlichen Fällen befasst. Sinclair wird von einem Kreuz beschützt und gewarnt, das vom Propheten Hesekiel selbst stammt. Zur doppelten Sicherheit trägt er auch eine Beretta-Pistole mit sich, die mit Silberkugeln geladen ist. Werwölfe und ähnliches Gelichter mögen so etwas gar nicht. Heißt es.

Diesmal wird er nach Japan gerufen, weil dort der Goldene Samurai erscheinen soll – auf einer Insel des Todes …

Folge Nr. 63 entspricht dem Band 14 der Bastei-Taschenbuchserie.

Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 18 Jahren.

Der Autor

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 – also vor 37 Jahren – eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem Hause Bastei. Inzwischen sind über 1700 „John Sinclair“-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino.
Joachim Kerzel, die deutsche Stimme von Jack Nicholson und Dustin Hoffman, spricht den Erzähler.
Suko: Martin May
Tokata: Carsten Gausche
Und viele weitere.

Der Regisseur

… ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der „John Sinclair“-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes Sinclair-Spezial-Hörspiel „Der Anfang“ hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Realisation: Patrick Simon
Tontechnik und Schnitt: ear2brain productions
Hörspielmusik: Christian Hagitte, Simon Bertling, Florian Göbels
Produktion: Alex Stelkens (WortArt) und Marc Sieper (Lübbe Audio)

Handlung

Vor der westlichen Küste Japans liegt eine Insel, die der Legende nach verflucht ist, weil dort der Höllenfürst Ema-Haw die Göttin Amaterasu verfolgt hat, woraufhin sie ihren Fächer verlor. Die Insel wurde „Insel des Schweigens“ genannt – bis die Legende in Vergessenheit geriet und man das Eiland besiedelte. Doch die vielen Unwetter hielten die Fähren zunehmend davon ab, die Insel anzusteuern und die Menschen zu versorgen. Die Siedler verließen schließlich ihre zeitweilige Heimat. Doch sie hinterließen etwas: Eine Deponie mit Giftmüll und ein Gefängnis für Schwerverbrecher. Den Rest holte sich der Dschungel zurück

Gegenwart

Hinter dem Gefängnis soll ein Mörder hingerichtet werden, doch Jubai beteuert seine Unschuld. Er sieht sich als Opfer einer Intrige. Seine Mühe ist vergeblich – das Erschießungskommando feuert. Der Gefängnisaufseher lässt seine Leiche liegen. Die Folgen sind unerwartet verhängnisvoll. Denn Jubais Blut, das den Felsen bespritzt, erweckt etwas zum Leben …

London, Mittwoch, 14:40 Uhr. Inspektor John Sinclair und sein Mitarbeiter Suko werden von einem Mitarbeiter des japanischen Außenministeriums über einen seiner Agenten informiert, der in der Irrenanstalt Harringdon einsitzt: Die Haut des Agenten hat sich golden verfärbt, und er redet wirres Zeug. Der Japaner bittet Sinclair & Co. um Hilfe. Der verrückt gewordene Agent erzählt etwas von einem goldenen Samurai, der gegen den Höllenfürsten Ema-Haw kämpfen werde.

Zum Erstaunen des Botschafters bestätigt Sinclair, dass es den Goldenen Samurai wirklich gebe. Und er fragt nach dem Fächer, den Amaterasu der Legende nach verlor. Und erfährt, dass der Höllensamurai Tokata diesen stählernen Kampffächer suche. Aber wo befindet das Ding? Auf einer ganz bestimmten Insel. Ein Wettlauf gegen die Zeit entbrennt. Sinclair und Suko lassen sich per Militärjet nach Japan fliegen …

Unterdessen

Der ehemalige Yakuza-Killer Ozaku hat sich zum heimlichen Herrscher des Gefängnisses auf der Insel des Schweigens aufgeschwungen. Er wird mit allem Nötigen versorgt: Zigaretten, Alkohol, Drogen. Während er zusammen mit bestochenen Aufsehern seinen Ausbruch durch einen Kanalschacht vorbereitet, soll der bestochene Aufseher Nezu Miko einen Frachter an der Küste in Empfang nehmen, der wertvolle Fracht bringt: Einen Drogenkurier.

Doch Miko ist entsetzt, als er die Küste erreicht. Der Frachter liegt auf den Küstenfelsen wie ein gestrandeter Wal. Seine Seite ist aufgerissen und drinnen sind Leichen zu sehen. Ein verwirrter Mann, wohl der Kapitän, warnt Miko vor dem Betreten und fragt nach einem einarmigen Samurai. Welchem Samurai, wundert sich Miko. Da erklingt aus dem Schiff ein unmenschliches Brüllen und gleich darauf erscheint ein blutverschmiertes Samuraischwert.

Der alte Mann ergreift die Flucht, und auch Miko wendet sich voller Grauen. Doch es ist bereits zu spät: Tokata ist angekommen. Die Stunde des Showdowns mit dem Goldenen Samurai ist gekommen …

Mein Eindruck

Mutierte Riesenratten – das ist echter Horror! Was die Giftmülldeponie hervorbringt, um den Insassen des Gefängnisses zuzusetzen, das ist Mutter Naturs Rache an der Versündigung durch den menschen. Ähnliches erfolgt auf der metaphysischen Ebene: Der Höllenfürst verging sich an Japans Göttermutter Amaterasu, die daraufhin ihren Fächer verlor, das Zeichen ihrer Ehre. Wir befinden uns in einer gefallenen Welt voller Sünden, ja, sogar in der Endzeit. Kann es da verwundern, dass Unschuldige erschossen werden und der Samurai der Hölle auftritt?

Schleunigst müssen John Sinclair und Suko nach dem Rechten sehen. Der Westen mit seiner Weisheit soll dem gefallenen Osten helfen? So zumindest sah die Welt noch 1982 aus, als diese Geschichte erstmals im Taschenbuch veröffentlicht wurde. Inzwischen hat sich das Rad der Zeit ein ganzes Stück weitergedreht und mit der Weisheit des Westens ist inzwischen kein Staat mehr zu machen – Irak und Afghanistan sei Dank. Dass sich der Fluch des Giftes in Japan auf so erschreckende Weise mit der Kernschmelze der Reaktoren von Fukushima fortsetzt, hätte sich selbst Jason Dark nicht so schrecklich ausgemalt.

Zurück zu den Samurai. All die Auftritte von Yakuza-Killern und -Helfern, Gefängnisaufsehern und geisterjägern sind nur das Vorspiel für das notwendige, grandiose Finale: das Duell Tokatas mit dem Goldenen Samurai. Das Woher und Warum für dessen Auftritt hängt eng mit der Öffnung einer bestimmten Höhle zusammen. Darin findet sich Amaterasus Kampffächer. Wer ihn an sich bringt, hat einen wichtigen Vorteil im Kampf gegen die Gegenseite. Was dann sogleich unter Bewis gestellt wird …

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Macher der „Geisterjäger“-Hörspiele suchen ihren Vorteil im Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: Bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück tun Kerzel, Glaubrecht und Co. dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

Übertriebene Ausdrucksweisen heben die Figuren in den Bereich von Games- und Comicfiguren. Das kann bei jugendlichen Hörern ein Vorteil sein. Die Figuren schreien wütend, fauchen hasserfüllt oder lachen hämisch. Besonders unheimlich ist die Darstellung des Höllen-Samurai Tokata, der eigentlich nur sehr tief brüllt, statt zu sprechen (das war schon immer so). Der Goldene Samurai spricht ebenfalls so tief, ist aber wenigstens zu verstehen.

Geräusche

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm oder Anime erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Diesmal ist die Darstellung sehr realistisch orientiert, so etwa der Düsendonner im Militärjet. Vor allem die Sounds aus dem Gefängnis wurden der zu erwartenden Geräuschkulisse sehr angenähert. Einzige Ausnahme ist die Schießerei, die beim Bekämpfen der Riesenratte entbrennt.

Selbst der Kampf der beiden Samurai ist realistisch gestaltet, sodass jede Menge Metall klirrt und zischt. Der beste Moment ist jedoch die Entdeckung des Kästchens, das den heiligen Fächer der Göttin enthält. Ein Chor verbreitet eine mystische Stimmung angesichts der Begegnung mit der Sphäre der Metaphysik.

Musik

Die Musik leitet in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem kleinen Orchester eingespielt, und bevorzugt werden düstere, basslastige Instrumente und Effektgeräte eingesetzt. Die Titelmelodie der Serie erschallt in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch. Sie wird am Schluss der CD kurz zitiert und erklingt in voller Länge erst am Ende der dritten CD.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

Booklet etc.

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher, die Macher sowie sämtliche Hörfolgen. Auf der letzten Seite weist der Verlag auf den offiziellen JOHN-SINCLAIR-Song „CAIN – Age of Darkness“ hin, der „auf allen bekannten Musik-Downloadportalen“ zur Verfügung stehe. Und auf www.cain-music.com (ohne Gewähr).

Ein Einleger wirbt für die ersten beiden John Sinclair Hörbücher, die jeweils in einer Collector’s Special Edition zusätzlich „Event-Movies“ enthalten sollen. Außerdem kann man ein GRUSEL-Fanpaket gewinnen – dieser Einleger ist die Teilnahmekarte.

Unterm Strich

Das Hörspiel lässt sich recht atmosphärisch an – es herrscht Endzeitstimmung, und das Harmageddon, die finale Schlacht, muss nahe sein. Auch die Sache mit dem gestrandeten Schiff ist effektvoll inszeniert, und dass Monster die vergiftete Insel heimsuchen, wundert uns schon gar nicht mehr. Wo bleibt Godzilla, wenn man ihn braucht?

Doch die finale Schlacht zwischen den Samurai wird ohne menschliche Beteiligung ausgetragen; sie machen den Kampf unter sich aus. Dabei liegt Tokata klar im Vorteil, was die Anteilnahme des Hörers anbelangt. Wir haben schon x-mal das zweifelhafte Vergnügen seiner Bekanntschaft gemacht, zuletzt in „Bring mir den Kopf von Asmodina“ (Folge 62). Dass er diesmal sein Ende findet, verheißt nichts Gutes für die Serie: Oliver Döring wird aufhören.

Das Manko der Dramaturgie ist der Goldene Samurai, über den wir rein gar nichts wissen oder erfahren. Ein weiterer Schwachpunkt besteht darin, dass John Sinclair und Suko gar keine Gelegenheit erhalten, irgendwie einzugreifen – außer bei der Riesenratte. Aber das Mutantenkroppzeug zählt ja eigentlich nicht, wenn es um so wichtige Dinge wie den Kampf der Titanen, pardon: Samurai geht. Man fragt sich hinterher, wieso die Zwei-Mann-Eingreiftruppe überhaupt mit einem Militärjet nach Japan geflogen werden musste, wenn sie vor Ort doch kaum etwas zu tun hat. Und sonderlich gruselig ist diese Folge auch nicht.

Audio-CD mit ca. 55 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3-7857-4383-6
www.sinclairhoerspiele.de
www.luebbe-audio.de
www.wortart.de