Daschkowa, Polina – Für Nikita

Von den derzeit so erfolgreichen russischen Krimiautoren schreibt Polina Daschkowa wohl am überzeugendsten und spannendsten über das „real existierende“ Verbrechen im postsowjetischen Russland. Mit ihrem neuesten Roman „Für Nikita“ beweist sie zudem, wie sehr man sich in Menschen täuschen kann und wie schnell man von ihnen getäuscht wird. Der ganze Roman besteht schließlich aus mehr oder minder geschickt geplanten und ausgeführten Täuschungsmanövern, in deren Mittelpunkt der berühmte Kriminalautor Viktor Godunow alias Nikita Rakitin steht.

Dessen ehemaliger Freund, der zukünftige Gouverneur eines sibirischen Bezirks, Grigori Russow, beauftragt ihn mit der Abfassung seiner Biographie. Doch die beiden verbindet nicht nur eine Freund-, sondern auch eine Nebenbuhlerschaft. Russows Frau Nika war nämlich Nikitas erste und einzige große Liebe, die lange Zeit auf Gegenseitigkeit beruhte. Eine belastete Vergangenheit also, unter der jeder der beiden noch immer leidet. Russow, weil seine Ehefrau den Schriftsteller nie ganz vergessen konnte, und Nikita, weil er Nikas Verlust durch sein egomanisches Verhalten verschuldet hatte und dies noch immer bereut.

Das bis aufs Äußerste gespannte Verhältnis reißt in dem Moment, als Nikita bei seinen Recherchen nicht nur auf die Ruhmestaten, sondern auch auf die Schandtaten seines Auftraggebers stößt. Der sibirische Gouverneur ist skrupellos genug, um Nikita dafür „von finsteren Gesichtern“ töten zu lassen. Nikita soll bei einem inszenierten Wohnungsbrand ums Leben kommen und sein Geheimnis mit ins Grab nehmen. So identifiziert schließlich eine sehr gute Freundin die total verbrannte Leiche Nikitas an einer Halskette. Nun erst treten aus den unterschiedlichsten Winkeln und Gründen die eigentlichen Totengräber aus dem Schatten der Vergangenheit. Doch dieses Mal sind es die Totengräber des Provinzpolitikers, der sich einen ehemaligen Schulkameraden, die organisierte Kriminalität und am Schluss sogar seine Frau zum Feind macht. Und der Schleier über seine menschenverachtenden Geschäfte beginnt sich dank Daschkowas genialer Dramaturgie nur langsam zu lüften.

Fast keiner ihrer Figuren, egal ob Täter oder Opfer, gewinnt sie nur positive oder nur negative Seiten ab. Und genau das macht ihre Figuren so lebensnah und glaubwürdig in ihrem Handeln und Denken, das auf gesellschaftlich desaströsen Verhältnissen beruht. Diese sozialen und psychologischen Mechanismen weiß Polina Daschkowa ebenso eindringlich zu schildern wie Einzelheiten über den Einfluss krimineller Sektenführer auf die Politik und den perfekt ausgeführten Auftragsmord.

Wollen wir hoffen, dass Frau Daschkowa als Journalistin und Kriminalschriftstellerin nicht ähnlich realen Verbrechen auf der Spur ist wie ihr alter ego Viktor Godunow alias Nikita Rakitin. Denn wie eng erzählerische Phantasie und brutale Wirklichkeit miteinander zusammenhängen, hat sie uns mit diesem Roman abermals eindrücklich gezeigt.

|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|