deLorca, Frank / Streberg, Gerry – Dämonenhaus, Das (Gespenster-Krimi 04)

Das Hood-Anwesen unweit des schottischen Glasgow verströmt eine morbide Faszination. Die Verlobten Peter und Janet wollen hier einziehen, doch die Vorzeichen für einen Daueraufenthalt stehen schlecht. Vor hundert Jahren soll der Erbauer des ausgedehnten Gebäudes, das an einem düsteren Moor steht, sich in einen Werwolf verwandelt und von den Dorfbewohnern geköpft worden sein. Kein Wunder, dass der Dorfwirt dem Vorhaben der Städter äußerst ablehnend gegenübersteht. Er wirft sie kurzerhand hinaus. Sie hätten auf ihn hören sollen …

|Die Sprecher & die Inszenierung|

Philip Schepmann spricht: Peter Newton
Katrin Fröhlich: Janet Culver
Dascha Lehmann: Lynne
Boris Tessmann: Ron
Und 14 weitere Sprecher.

Die Gespensterkrimi-Hörbücher produzierten Alex Stelkens von |WortArt| und Marc Siper von |Lübbe Audio| sowie Pe Simon. Regie führt stets Oliver Döhring, der auch für die John-Sinclair-Hörspiele verantwortlich zeichnet.

_Handlung_

Peter Newton und Janet Culver sind frisch verlobt und wollen aus dem verrußten Glasgow hinaus aufs Land ziehen. Peter hat auch schon eine Überraschung parat: das Hood-Anwesen, das außerhalb eines Dörfchens am Rande eines Moors liegt. Die beiden reagieren ziemlich pikiert, als sie deswegen aus dem Dorfwirtshaus geworfen werden. Offenbar ist man im Dorf nicht gut auf dieses Haus zu sprechen.

Als Janet das Gebäude sieht, meint sie, es sehe aus wie „Frankensteins Ferienhaus“. Wie wahr! Sie stapfen erst einmal durchs Moor, bevor sie eintreten können. Bei der ersten Erkundung finden sie im stromlosen Keller eine Tür, die hinter einem Regal verborgen ist, und in einer Kiste, die Peter zertrümmert, einen menschlichen Schädel – mit Reißzähnen …

Nach einer unruhigen Nacht voller Geräusche und einer Vogelattacke (Achtung: ein Rabe!) erwacht Peter gerade noch rechtzeitig, um die schlafwandelnde Janet vor einem Sturz ins Moor zu bewahren. Sie kann sich nicht erinnern, wie sie auf die Veranda kam. Auf einem Gemälde, das das Haus zeigt, ist die Figur einer Frau im ersten Stock auszumachen. War sie gestern schon da?

Der alte Säufer Henry Rollins erzählt Peter ein wenig über die Vergangenheit des Hauses. Es wurde 1895 von Tom Hood erbaut, der nur zwei Jahre selbst darin lebte. Er stopfte dort selbst erlegte Jagdtiere aus und gehörte angeblich der Sekte „Die Söhne des Wolfes“ an. Als zwei Frauen aus dem Dorf verschwanden und man ihre abgenagten Knochen in den Bergen fand, töteten die Dörfler Tom Hood mit einem geweihten Schwert, denn sie hielten ihn für einen Werwolf. Und im Augenblick seiner Enthauptung soll er sich in der Verwandlung befunden haben. Peter verschweigt diesen Unsinn seiner Verlobten.

Der Ärger beginnt erst so richtig, als das befreundete Ehepaar Ron und Lynn aus Glasgow auftaucht. Ron ist ein unternehmungslustiger Bursche und erkundet den stromlosen Keller von vorne bis hinten. Ganz hinten findet er eine mit zwei Riegeln verbarrikadierte Tür, die er mit brachialer Gewalt öffnet. Die Überraschung ist beträchtlich: Hier stopfte Tom Hood vor hundert Jahren seine Tiere aus. Was aber wichtiger ist: In einem Sarg liegt ein kopfloses Skelett. „Wetten, dass der Schädel genau auf dieses Gerippe passt?“ Und ob der passt! Und er beißt mit seinen Reißzähnen auch gleich zu. Ron muss zum Arzt.

Die hereinbrechende Gewitternacht sollen die vier Freunde nicht vergessen. Das heißt: diejenigen, die überleben.

_Mein Eindruck_

Werwolfmonster haben mich schon immer fasziniert. Das liegt wahrscheinlich an ihrer Fähigkeit, sich zu verwandeln. Das zivilisierte Lamm zeigt quasi seine wahre, seine tierische Natur: das Raubtier. Es ist bezeichnend, dass es – bis vor wenigen Jahren – kaum Erzählungen über weibliche Werwölfe gab: Der Mensch-Wolf ist seit seinen antiken Anfängen, als er noch Lykanthropus hieß, immer männlichen Geschlechts gewesen. Dass die Bestie auch heute, vielleicht mehr denn je zuvor, eine morbide Faszination ausübt, belegen Erfolge von Filmen wie „Der Pakt der Wölfe“. Die beste Parodie ist und bleibt aber immer noch „American Werewolf“.

Die düsteren Moore der schottischen Lowlands eignen sich natürlich hervorragend als Schauplatz einer unheimlichen Werwolfgeschichte. Der lange Arm der Vergangenheit streckt sich nach den ahnungslosen Städtern aus, die sich hier niederlassen wollen. Die Frau hat natürlich gleich ein ganz schlechtes Gefühl dabei – Recht hat sie. Wär sie nur in der Stadt geblieben. Doch die Story hält noch viele weitere Überraschungen bereit. Bis zur letzten Sekunde.

_Die Inszenierung_

Philip Schepmann und Karin Fröhlich spielen die beiden Verlobten, während Dascha Lehmann und Boris Tessmann ihre Freunde darstellen. Nun darf man sich das Quartett aber nicht so vorstellen, als ob es brav im Studio säße und in ins jeweilige Mikro spräche. Das, was der Zuhörer vernehmen kann, ist viel mehr als vier Sprecher. Es ist auch ein Gefühl für Bewegung, Situation und vor allem Raum. Jeder der Räume in Hood Manor hat seinen eigenen Hall, ganz besonders natürlich der unheimliche Keller. Das Wirtshaus hingegen ist im Vergleich dazu richtig heimelig, mit Gläserklirren und vielen Hintergrundstimmen.

Auch die modernen Geräte wie Autos, Digitaluhren und Handys gehören zur Umgebung der Sprecher. Auch ihre „Stimmen“ hören wir ganz genau. Sie dienen dazu, das Geschehen in der Gegenwart zu verorten und so glaubwürdiger zu machen. Wenn via Telefonleitung gesprochen wird, dann also stets verzerrt, denn das ist das, was wir täglich wahrnehmen, aber leider nur noch unterbewusst.

Richtig gefordert ist der Tonmeister, pardon: Soundmixer – an jenen Stellen, an denen das Untier an sich akustisch in Szene zu setzen ist. So ein Werwolf könnte theoretisch auch „Miau!“ sagen, aber das wäre wohl seiner Wirkung und Erscheinungsweise nicht besonders angemessen. Nein, die Natur seines Erscheinens ist die des plötzlichen Angriffs, wobei Schreie, Durcheinander, Brüllen und Krachen eine chaotische Verbindung eingehen, die in ihrer Wucht die Wirkung auf den Hörer nie verfehlt. Ganz wunderbar ist die atemlose Stille vor dem Angriff, in der man die entsetzte Anspannung der Figuren fast körperlich spüren kann. Im Vergleich dazu wirkt das Knurren eines sich anpirschenden Werwolfs schon fast wieder gemütlich.

Die Musik unterstützt dieses Geschehen derart subtil, dass ich sie fast nicht bemerkt habe. Und das ist das Beste, das man über Hintergrundmusik sagen kann. Denn dann ist sie so in den Klangteppich eines Hörspiels verwoben, dass man sie nicht bewusst wahrnimmt, aber ihrer Wirkung dennoch unterworfen ist. Ihre Aufgabe ist es, die Emotionen des Hörers zu steuern: Spannung und Entspannung, Ruhe oder Action usw. Diesmal stammt sie von nicht weniger als drei Komponisten: Christian Hagitte, Simon Bertling und Florian Göbels. Prima Arbeit, meine Herrn!

_Unterm Strich_

Innerhalb der Reihe der bislang vier „Gespenster-Krimi“-Hörspiele hat mir persönlich diese CD am besten gefallen, aber das ist natürlich Geschmackssache. Ich habe eben etwas für Werwölfe übrig. Aber daran liegt es nicht allein. Auch der geschickte Aufbau der Story in mehreren Schichten ist für den positiven Eindruck verantwortlich. Dadurch bleibt es nicht bei der einfachen und etwas abgedroschenen „Wir-gegen-das-Monster“-Variation, sondern eine weitere Wendung sorgt für eine böse Überraschung in der letzten Sekunde. No-one here gets out alive.

|55:36 Minuten auf 1 CD
Mehr Infos unter: http://www.gespensterkrimi-hoerspiele.de |