Der Hobbit: Smaugs Einöde – Chroniken IV: Gewänder und Waffen

Zwischen Waffen & Gewändern: Wunderbarer Wahnsinn

An der Entstehung des Films »Der Hobbit – Smaugs Einöde« sind hinter den Kulissen viele Künstler und Experten für Requisiten, Kostüme und Waffen beteiligt. Leser können im vierten Band der »Hobbit-Chroniken«-Serie erneut den Prozess ihrer Arbeit anhand von über 1000 Set-Fotos, Zeichnungen und Erläuterungstexten verfolgen. Ein farbenfrohes und informatives Juwel für jeden Hobbit-Fan! (erweiterte Verlagsinfo) Das Vorwort schrieb die Schauspielerin Evangeline Lilly, die Einleitung die Kostümbildnerin Ann Maskrey.

Der Autor

Daniel Falconer ist der Art Director von Weta Workshop. Er war schon an den Making-of-Büchern zu den drei „Herr der Ringe“-Filmen und „King Kong“ beteiligt. Regelmäßig war er in den DVD-Dokus zu sehen. An den CHRONIKEN-Bänden sind drei Firmen beteiligt: Weta Workshop, Weta Digital (die Effekteschmiede) und 3Foot7, die Produktionsfirma für Art, Kostüme und Make-up. Außerdem bedankt sich Falconer bei Warner Bros., dem Studio, das ja mit die Rechte an den Filmen und all ihren Bildern innehat. Er lebt mit seiner Familie in Wellington, Neuseeland.

Die CHRONIKEN

1) Eine unerwartete Reise – Kunst und Gestaltung
2) Eine unerwartete Reise – Geschöpfe und Figuren
3) Smaugs Einöde – Kunst und Gestaltung
4) Smaugs Einöde – Gewänder und Waffen (Mai 2014)
5) Der Hobbit 3 – Kunst und Gestaltung (Ende 2014)
6) Der Hobbit 3 – Die Kunst des Krieges (2015)

Inhalte und Eindruck

Im Unterschied zu allen Begleitbüchern und Brian Sibleys „Filmbuch“ (dem einzigen mit Interviews) sind die CHRONIKEN von Anfang bis Ende mit Inhalt vollgestopft. Deshalb zählt bereits der Einband: Es ist das Imitat eines Kettenhemds! Die vorderen Innenseiten des Einbands zeigen, passend zum Thema, eine Auswahl von Stoffen , darunter auch Lederimitat.

In ihrem Vorwort lenkt die Schauspielerin Evangeline Lilly (Tauriel) den Blick des Lesers und Filmfans auf die unzähligen Mitwirkenden, die mithalfen, die Phantasiewelt des HOBBITs zu realistisch und glaubhaft wirken zu lassen – diese Künstler und Handwerker werden in den sechs Bänden der CHRONIKEN gewürdigt. Lilly selbst tauchte in dieses kleine Universum ein und nahm wertvolle Erfahrungen und Erinnerungen mit.

Die Einleitung von Kostümbildnerin Ann Maskrey weist darauf hin, dass nur die CHRONIKEN den gesamten Aufwand getreu wiedergeben, den die Kunstabteilungen betrieben. Denn in der jeweiligen Endfassung der drei HOBBIT-Filme wurden viele schöne und bemerkenswerte Details wieder herausgeschnitten, um die Handlung straffer erzählen zu können. Und erst in den CHRONIKEN wird dem Filmfan ein eingehender Blick auf die zahllosen Details gewährt, die an den Waffen, Gewändern und Requisiten zu sehen sind, wenn man genügend Zeit fürs Hinschauen hat.

Das Kapitel „Eine Gemeinschaft von Kreativität“ stellt auf einer Doppelseite die Mitarbeiter der drei Firmen Weta Workshop, Weta Digital (die Effekteschmiede) und 3Foot7, die Produktionsfirma für Art, Requisiten, Kostüme und Make-up vor.

Kapitel 1: Die Hobbits und das Auenland

Dieses Kapitel stellt die schönen Sets von Hobbingen vor. Interessante Details sind die Anschlagtafel vor der Mühle, die Puppenbühne mit Gandalfs roten Spielzeugdrachen sowie natürlich der Beutelhaldenweg 36, auch eine schöne Adresse (aber nicht Beutelsend). Unter den Trägern der Kostüme sind Richard Taylors Frau Tania Rogers und seine zwei Kinder Amelia Samuel zu entdecken. Taylor leitet Weta Workshop, ist also Firmenchef.

Allein den Kostümen von Martin „Bilbo“ Freeman sind dreieinhalb Seiten gewidmet, so aufwändig sind sie gestaltet. Außerdem gibt es ja noch den jungen und den alten Bilbo. Auf Beutelsend und seine vielfältigen Inhalte (die Speisekammer!) entfallen nicht weniger als sechs Seiten. Auf S. 32 werden Kartografie und Kalligrafie gewürdigt. Hier ist der Stammbaum von Bilbo Beutlin ebenso zu bewundern wie Thrors Schatzkarte.

Von Bilbos Notizbuch ist in den Film kaum etwas zu sehen – hier kann man es in aller Ruhe betrachten. Die Schmiede der Hansen-Familie schufen nicht nur Dutzende Exemplare des Einen Rings, sondern auch Elronds Ring Vilya (Galadriel trägt Nenya und Gandalf Narya).

Da dies ein Buch über Waffen ist, tauchen schon im ersten Kapitel kriegerische Gerätschaften auf: Stich in all seinen verschiedenen Varianten, mit und ohne Verkabelung. Peter Lyon, der Schwertschmied, plaudert aus dem Nähkästchen und hat wirklich Informatives zu sagen. Durch das Buch ziehen sich seine klugen Einlassungen, so etwa zu den Superschwertern Glamdring (von Gandalf, S. 51) und Orkrist (von Thorin, S. 58). Thorins eigenes Zwergenschwert heißt übrigens „Deathless“. An einer Stelle wird sein Name erklärt.

Kapitel 2: Der Orden der Zauberer

Auf die Gewänder und Requisiten der drei Zauberer Gandalf, Radagast und Saruman wurde sehr viel Mühe und Sorgfalt verwendet. Sir Ian McKellen hat etwas zu Gandalf 2.0 zusagen, noch interessanter ist aber die Geschichte um seinen Hut – darin waren Mikrofone versteckt. Sylvester McCoy stellt mal wieder seinen komödiantischen Humor unter Beweis, wenn er Radagasts schrägen Aufzug würdigt. Er verliert auch ein paar Worte dazu, dass diese Figur wahrscheinlich ziemlich streng gerochen hätte, wäre man ihr über den Weg gelaufen. Radagast und seinem Haus sind nicht weniger als acht Seiten gewidmet.

Kapitel 3: Thorin und Co.

Dreizehn Zwerge galt es so auszustatten, dass jeder sofort erkennbar war und sich in seiner Eigenart von den anderen Unterschied. Bei König Thorin ist das ja noch leicht, vielleicht auch bei seinen royalen Neffen Fili und Kili, aber bei Balin, Dwalin und den anderen wird es schon schwieriger. Eine Orkaxt im Schädel stecken zu haben, ist sicher hilfreich bei der Wiedererkennung der entsprechenden Figur. Auf Thorins Kostüm und Ausstattung entfallen nicht weniger als sechs Seiten.

Alle anderen Zwerge werden dergestalt vorgestellt, dass sich Einzelaspekte wie etwa Stiefel, Größendoubles, Musikinstrumente, Tabakspfeifen (S. 91), Einbruchswerkzeug (von Nori ehrlich in Seestadt „erworben“) damit abwechseln. So kommt keinerlei Monotonie auf. Eine Doppelseite verdient der Aspekt der Metallverarbeitung völlig zurecht (S. 80/81). Dass Bifur, Bofur und Bombur aus der Arbeiterklasse stammen, merkt man sofort an ihren einfachen Kostümen, schmucklosen Gürteln und sehr seltsamen Mützen und kappen. Ori, Dori und Nori erscheinen etwas ausgefallener, was sich allein schon an ihren Frisuren zeigt. Acht Seiten entfallen auf das vielgestaltige Waffenarsenal der Zwerge.

Einige lustige Anekdoten findet man unter der Überschrift „Gewicht, Hitze, Sicherheit und Bequemlichkeit“ – daran mangelte es nämlich meistens. Für die turbulente und recht feuchte Flucht in den Fässern wurden keine Mühen zur Spezialbehandlung der Kostüme gescheut. Nass wurden alle trotzdem.

Kapitel 4: Die Zwerge des Erebor

Man sollte es nicht glauben, aber dieses Kapitel umfasst 28 Seiten. Das liegt v.a. daran, dass die Erebor-Kultur mit zahlreichen Aspekten in den Filmen dargestellt wird. Außerdem gibt es jüngere Version von Thorin, Dwalin und Balin sowie die beiden Herrscher Thror und Thrain zu würdigen. Das heißt, dass „Erebor“ nicht nur bis zu Smaugs Angriff gemeint ist, sondern auch die Schlacht im Schattenbachtal vor den Toren Morias. Dass Waffen und Rüstungen entsprechend gewürdigt werden, liegt nahe. Den Hort darzustellen, war ebenfalls unerwartet aufwändig. Wer will schon einen Berg von Goldmünzen zusammentragen, ohne ein Vermögen auszugeben? Der Fundus ließ sich einiges einfallen.

Kapitel 5: Die Elben von Bruchtal

Bruchtal, die letzte Heimstatt der Elben um Elrond, ist eine ganz andere Baustelle. Nicht nur Kunst und Kultur sind hier zu finden, sondern auch äußerst ausgefeilte Elbenrüstungen, ziselierte Schwerter und Dolche (S. 140) und bemerkenswert schmuckvolles Sattelzeug. Galadriels Gewänder sind eine Schau – und auch im Film sehr eindrucksvoll.

Kapitel 6: Die dunklen Heerscharen

Als Kontrastprogramm zu diesen Schönheiten dienen die verschiedenartigen Orks bestens. Das Problem: Die Tüftler hatten ihre besten Ideen bereits im „Herr der Ringe“ verpulvert, doch Peter Jackson wollte für den HOBBIT etwas Neues. Richard Taylor, zuständig für Design und Spezialeffekte, sagt (auf S. 148), dass man bei den Entwürfen in „eine Richtung ging, die sich radikal von allem Bisherigen unterschied“. Vieles wurde digital hergestellt, so eetwa Kostüme und Requisiten; natürlich entstand auch Azog komplett im Rechner. Bolg war noch schwieriger herzustellen, denn die Eisenstücke in seinem Kopf mussten mit seinen Muskeln und Bewegungen interagieren.

Auf die Gundabad-Orks folgen die Höhlenorks von Orkstadt, Gollums Höhle sowie Dol Guldur, in dem Gandalf sich zu behaupten versucht. mehr Details findet man in Band 3.

Kapitel 7: Beorn und sein Haus

Etwas heller geht es in und um Beorns Haus zu. Es entspricht, im Prinzip, einem Landhaus, umgeben von Nutztieren, die auch innen Unterbringung benötigen – wegen der nächtens marodierenden Orks. Aber welches Landhaus weist schon einen Thron und ein königliches Schachspiel auf? Beorns Ästhetik ist eigenständig und erinnert an seine Herkunft vom Oberlauf des Anduin. Als Hautwechsler ist sein Kostüm dem Aussehen eines Bärenfells angenähert.

Kapitel 8: Die Elben des Düsterwalds

Das Set und die Requisiten des Düsterwalds sind von erlesener Hässlichkeit – mehr dazu in Band 3 der CHRONIKEN. König Thranduils Waldelben, die hier für Ordnung sorgen, sind nicht ganz so hässlich; tatsächlich sind Legolas und Tauriel ausnehmend ansehnlich. Ihre robusten Kostüme in grünbraunen Tarnfarben kommen als Lederimitat oder Schuppenpanzer daher. Wie schwierig dieses Konzept zu finden war, erzählen Maskrey & Co. auf den Seiten 176/177. Auch die Waffen der Waldelben sind robust, asymmetrisch und sehen gefährlich aus.

Sieben Seiten sind Legolas und Tauriel gewidmet, König Thranduil weiß mit einem ausgefallenen majestätischen Outfit auf weiteren fünf Seiten zu beeindrucken. Neben seinen Gewändern, Schwertern und Kronen ist aber auch sein bestens ausstaffierter Weinkeller nicht zu verachten (S. 194-97).

Kapitel 9: Seestadt und seine Bewohner

Seestadt ist eine Stadt der Menschen, die am Rande Erebors und Thals lebten und sich nun unter der Tyrannei des Bürgermeisters zu behaupten versuchen. Dies ist Ann Maskreys Lieblingsset (S. 198ff), und sie ließ sich von Einflüssen aus Tibet, Burma, Russland, Lappland, Nordafrika und Grönland inspirieren. Hierauf werden acht opulente Seiten verwendet, bevor die Rede endlich auf den Helden dieses Ortes kommt: Bard (gespielt von Luke Evans). Man kennt das Programm: sein Kostüm, sein Haus, seine Waffen, seine Kinder.

Was für ein Kontrast ist dagegen Stephen Fry als Bürgermeister – eine wahre Farbenpracht in Kostümen und Requisiten. Dunkel ist hingegen sein Schatten Alfrid, gespielt von dem genialen Schurken Ryan Gage. Unter den Requisiten darf natürlich nicht das prächtige Porträt des Herrschers fehlen (S. 227): der Bürgermeister als Sonnenkönig. Seine Wache unter dem Kommando von Braga verfügt über eine eigene Ausstaffierung, die an die Tudorzeit Englands erinnert.

Die 13 Zwerge sowie Bilbo werden in Seestadt neu eingekleidet und mit Waffen ausgerüstet – die nicht allseits Beifall finden.

Kapitel 10: Thal und seine Bewohner

Es gibt zwei Versionen von Thal, wie man weiß: eine bunte, lebendige vor dem Überfall Smaugs – und eine triste, graue Version aus der Zeit danach: Dies ist die titelgebende Einöde Smaugs. Hier ist man gerne Herr und herrin über alle Kostüme, wie die Fotos belegen. Es mag nicht jedem Filmfan auffallen, aber in Thal gibt es auch vor Smaugs Überfall eine Stadtwache. Girion ist ihr Hauptmann. Er trägt einen Waffenrock und ein Schwert, zudem bedient er die spezielle Luftabwehr-Armbrust, quasi eine Mittelerde-Flak.

Kapitel 11: Sammelartikel

George Lucas hat die Sache mit dem Merchandising vorgemacht und ist damit zum Milliardär geworden, alle anderen machen’s nach: Requisiten, Kostüme & Kunst zum Sammeln bringen auch Kleingeld. Kurios ist es schon, was im WETA-Shop alles feilgeboten wird. Kleine Kostprobe gefällig?

Tauriels Bogen und Pfeil;
Ein Schlüssel zum Düsterwald-Verlies;
Ein Münzbeutel aus Smaugs Schatz;
Tauriels Kette mit Anhänger;
Der Stab von König Thranduil;
Die lederne Armschiene von Legolas;
Eine Karte des Auenlandes (auf Englisch);
Radagast der Braune als Figur auf Sockel;
Die unvermeidlichen Hobbithöhlen-Miniaturen.

Nicht erwähnt werden hier die limitierten Auflagen der Superhelden-Schwerter Glamdring, Stich und Orkrist.

Unterm Strich

Wider Erwarten deckt dieser Band sowohl „Hobbit 1 – Eine unerwartete Reise“ als auch „Hobbit 2 – Smaugs Einöde“ ab. Er bietet eine Menge Hintergrundmaterial, Standfotos des Films, Illustrationen und anderes Bildmaterial. Sie belegen die Anfertigung von Tausenden von Kostümen, Rüstungen, Waffen, Requisiten und sonstigen Ausstattungsgegenständen. Allein 500 verschiedene Waffen waren anzufertigen – mehr als die Helden des „Herrn des Ringes“ zusammen genommen trugen.

Die Qualität der grafischen Darstellung ist äußerst hoch und kann nicht höher gelobt werden. Es gibt in meinem Exemplar keinerlei Farbfehler oder gar Verschiebungen von Umrissen. Der Text, den eine Expertin in Sachen Tolkien übersetzt hat, ist ohne jeden Druckfehler und stimmt in allen Details – was man nicht von jedem Begleitbuch zum HOBBIT behaupten kann, siehe meine Berichte zu den Begleitbüchern zum 1. und 2. Teil des HOBBITs.

Dies ist ein echtes Sammlerobjekt, das seinen hohen Preis von knapp 30 Euronen wert ist. Leider ist es beim Verlag bereits wieder vergriffen, wie alle seine Vorgänger (und wohl bald seine Nachfolger). Wer kann, sollte es sich bald irgendwie irgendwo besorgen. Als Sammlerstück kostet solch ein Band mittlerweile gut und gerne über 70 Euronen.

Unter allen Filmbücher zu Peter Jacksons Tolkien-Filmen, die ich gesehen habe, nehmen die CHRONIKEN aufgrund ihrer schönen und doch soliden Machart eine Sonderstellung ein, von ihrer Informationsfülle ganz zu schweigen. Wer jedoch kein Fan ist, sollte die Finger davon lassen und sich lohnendere Beute suchen – zumal die besten Bilder in den anderen CHRONIKEN zu finden sind. Und der Sonderband zu SMAUG wurde von einem anderen Verlag veröffentlicht.

Hardcover: 258 Seiten plus 2 Panorama-Fotos vom Hobbingen-Set.
Originaltitel: The Hobbit: The Desolation of Smaug; Chronicles IV: Cloaks & Daggers, 2013
Aus dem Englischen von Katrin Harlaß
ISBN-13: 9783608960549

www.hobbitpresse.de

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