Dinah Jeffries – Bis wir uns wiedersehen

Einer Mutter kann wohl nichts Schlimmeres geschehen, als ihre Kinder zu verlieren. Und genau das ist Lydia Cartwright passiert. Wochenlang hat sie eine schwer kranke Freundin gepflegt. Als sie endlich nach Hause zurückkehrt und sich auf das Wiedersehen mit ihren zwei Töchtern freut, findet sie ein verlassenes Haus vor. Ihr Mann Alec und ihre Töchter Emma und Fleur sind verschwunden, die Schränke ausgeräumt und das Personal entlassen. Das Konto ist geräumt und von ihrer Familie fehlt jede Spur. In ihrer Verzweiflung wendet Lydia sich an ihre Freundin, deren Mann Alecs Vorgesetzter ist. Tatsächlich erfährt Lydia dort, dass ihr Mann kurzfristig in den Norden von Malaysia nach Ipoh versetzt wurde. Mutig begibt Lydia sich auf die gefährliche Reise nach Ipoh. Doch noch bevor sie dort ankommt, erfährt sie, dass das Gästehaus, in dem ihre Familie wohnen soll, abgebrannt ist.

Lydia trauert um ihre vermeintlich toten Töchter und weiß nicht, dass Alec die beiden Mädchen genommen hat und mit ihnen nach England ausgewandert ist. Aber auch Emma kann nicht glauben, dass ihre Mutter verschwunden ist und versucht von England aus herauszufinden, was mit ihrer Mutter passiert ist. Doch leider meint es das Schicksal meist nicht gut mit den beiden …

Einsam und verlassen

Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag: Während Lydia eine schwer kranke Freundin pflegt, packt ihr Mann Alec alle Sachen und wandert mit den gemeinsamen Töchtern nach England aus. Emma und Fleur tröstet er mit den Worten, ihre Mutter würde nachkommen, aber heimlich lässt er einen Brief von Emma an ihre Mutter verschwinden, damit diese nicht weiß, dass er das Land verlassen hat. Lydia ahnt erstmal nichts Schlimmes, als sie zurückkehrt und ihre Familie nicht vorfindet. Die angebliche Versetzung erklärt für sie Alecs Verschwinden. Erst als sie von dem Brand erfährt und glauben muss, dass ihre Familie ums Leben gekommen ist, bricht für sie eine Welt zusammen. Doch das ist noch nicht der letzte Schicksalsschlag, den Lydia einstecken muss.

Dinah Jeffries lässt sich nicht viel Zeit, bevor sie mitten in die Geschichte einsteigt und Lydia auf die gefährliche Reise in den Norden Malaysias schickt. Sie zeichnet das Bild einer verzweifelten Mutter, die ihre Töchter wiedersehen möchte. Alec ist von Anfang an der Bösewicht, der auch im weiteren Verlauf der Geschichte keinerlei Sympathiepunkte sammeln kann. Ganz im Gegenteil: In England schickt er seine Tochter Emma aufs Internat, als sie ihm zu unbequem wird und immer versucht er mit allen Mitteln, Emma daran zu hindern, ihre Mutter wiederzufinden.

Auch in Malaysia arbeitet alles gegen Lydia, denn sie weiß nicht, dass Alecs Vorgesetzter ein falsches Spielt treibt und Alecs Flucht deckt. Der Brand spielt ihm schließlich in die Hände und vertuscht Alecs Verschwinden. Lydia bleibt verzweifelt zurück, und diese Verzweiflung zeichnet Dinah Jeffries in weiten Teilen sehr überzeugend. Allerdings gibt es einige Szenen mit Lydia, in denen sie mir etwas kalt vorkommt. Kaum muss sie einen weiteren Verlust wegstecken, wirft sie sich in Schale und bewundert ihr eigenes Aussehen. Und kaum wird sie von ihrem Geliebten getrennt, denkt sie schon an den nächsten Mann. Das passte für mich nicht wirklich ins Bild der trauernden Mutter und sorgte dafür, dass mir Lydia zwischendurch ziemlich unsympathisch wurde.

Die Geschichte ist in wechselnden Perspektiven erzählt. Etwa jedes zweite Kapitel erzählt Lydias Geschichte aus Sicht eines unbeteiligten Beobachters, und die anderen Kapitel sind aus Sicht Emmas erzählt. Emma gewinnt von Kapitel zu Kapitel mehr an Profil. Sie muss nicht nur den Verlust ihrer Mutter wegstecken, sondern sich auch gegen den herrischen Vater durchsetzen und damit kämpfen, dass ein Bekannter ihres Vaters sie sexuell belästigt. Sie erweist sich als unglaublich starke Person, die trotz aller Gegenwehr immer ihr Ziel im Auge behält. Emma ist in diesem Buch meine Lieblingsfigur, da sie nicht nur authentisch und sympathisch ist, sondern auch zur Schlüsselfigur wird in der Suche nach ihrer Mutter.

Dinah Jeffries hat sich eine tolle Kulisse für ihre Geschichte ausgesucht, denn sie spielt in den 50er Jahren in Malaysia. Dort herrscht Krieg und Rebellen bedrohen beispielsweise Lydia auf ihrer Reise in den Norden. Man erfährt einiges über das Land und die Machenschaften dort, über die Probleme dieser Zeit und über das Leben dort. Mir gefiel das sehr gut, da das Buch dadurch einen Hauch Exotik erhält. Manchmal hätte ich mir sogar noch mehr Lokalkolorit gewünscht.

Überzeugend mit kleinen Hängern

„Bis wir uns wiedersehen“ hat mich von der ersten Seite an gepackt, da die Autorin sich sofort in medias res begibt. Der Spannungsbogen setzt sofort ein und im weiteren Verlauf werden immer neue Fragen aufgeworfen: Wieso ist Alec ohne ein Wort nach England verschwunden? Was hat Lydia zu verbergen? Was hat es mit Lydias Familiengeschichte auf sich? Ist der Brand im Wohnhaus in Ipoh wirklich nur ein Zufall gewesen? Und und und. All diese offenen Fragen fesseln einen bis zum Schluss ans Buch. Dennoch gibt es zwischendurch eine längere Durststrecke, als Lydia in Malaysia davon ausgehen muss, dass ihre Familie dem Brand zum Opfer gefallen ist. Zunächst versucht sie noch, dem Brand auf den Grund zu gehen, doch irgendwann resigniert sie und begibt sich in ihr Schicksal. Sie lernt einen neuen Mann kennen, wandert zwischenzeitlich nach Singapur aus und kehrt dann aber doch wieder zurück nach Malaysia – aber im Grunde genommen passiert nicht viel. Der Erzählstrang rund um Lydia schwächelt zwischendurch gewaltig, da die Geschichte dort überhaupt nicht vorankommt. Was mich bei der Stange gehalten hat, war Emmas Perspektive, denn bei Emma passierten immer viele neue Dinge.

Am Schluss klären sich in der Tat alle Fragen auf, doch leider muss ich sagen, dass mich nicht alles überzeugt hat. Hinter Lydias Familiengeschichte hatte ich mehr vermutet und auch Alecs Gründe für seine Flucht fand ich nicht unbedingt überzeugend. Manchmal war es mir zu viel des Zufalls, beispielsweise bei dem Brand, der in der Tat Zufall war und Alec in die Hände gespielt hat.

Empfehlenswert mit Abstrichen

Unter dem Strich fand ich das Buch dennoch sehr gelungen. Dinah Jeffries hat einen sehr gefälligen Schreibstil. Die Sprache ist rund, sehr gut lesbar und sorgt dafür, dass man sich in jede Szene gut hineinversetzen kann. Man kann beim Lesen so richtig in der fremden Welt versinken. Vollkommen überzeugt hat mich das Buch wegen des schwächelnden Spannungsbogens, der vielen Zufälle und der teilweise komischen Charakterzeichnung zwar nicht, dennoch ist das Buch sehr lesenswert – allerdings wohl nur für Frauen.

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Paperback: 432 Seiten
Originaltitel: The Separation
ISBN-13: 978-3785760970

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