Donald Barthelme – Paradiesische Zustände. Roman

Wirklich wahr? Das Paradies der Geschlechter

Von dem Amerikaner Donald Barthelme (1931-1989) sind bei Klett-Cotta schon einige Storybände wie „Amatöre“, „Der Kopfsprung“ und „Über Nacht zu vielen fernen Städten“ erschienen – da wurde es wohl langsam Zeit für einen Roman. Hier ist er endlich. Das Thema: „Kann ein Mann eine Art Paradies für sich selbst erschaffen, und wenn ja, wo und mit wem?“ Schauplatz ist immerhin New York City.

Der Autor

Donald Barthelme, geboren 1931 in Philadelphia und gestorben 1989 in Houston, Texas, wurde nach seinem Studium an der Uni Houston zunächst Reporter, weil es nach Ernest hemingways Vorbild klar zu sein schien, dass ein Schriftsteller so anfangen müsse. Dann arbeitete Barthelme als Museumsdirektor und Redakteur der Zeitschrift „Location“.

Barthelmes Vater war Architekt, der in der Tradition von modernen Klassikern wie Mies van der Rohe stand. Er erbaute auch das Haus in der texanischen Prärie, in dem Donald Barthelme mit seinen Brüdern Steve und Frederick aufwuchs, die ebenfalls bekannte Schriftsteller wurden. Donald kam so früh mit modernen Strömungen in Kunst und Philosophie in Kontakt. Nachdem er zunächst als Journalist gearbeitet und 1961-62 das Museum für Moderne Kunst in Houston geleitet hatte, ging er – ohne sein Journalismus-Studium abzuschließen – nach New York, um dort seine Karriere als Schriftsteller voranzutreiben.

Er lebte ab 1960 in New York City. Seine erste Kurzgeschichte veröffentlichte Barthelme 1963 im „New Yorker“. Diese Zeitschrift blieb seine bevorzugte Plattform; seine Storys erschienen meist zunächst dort und erst später gesammelt in Buchform. Eine Auswahl von ihnen ist schließlich in zwei schlicht „60 Stories“ und „40 Stories“ betitelten Bänden herausgekommen.

In den 60er Jahren war Barthelmes bevorzugtes literarisches Mittel die Collage in Bild und Text, etwa in „Unspeakable Practices, Unnatural Acts“ (1968). Später bediente er sich eher konventioneller Erzählmuster, siedelte seine Geschichten aber in zunehmend surrealen Landschaften an. In seiner wohl bekanntesten Kurzgeschichte, „The Balloon“, wird ganz Manhattan plötzlich von einem gigantischen Ballon überschattet, der nach einigen Tagen ebenso unvermittelt verschwindet.

Insgesamt hat Barthelme vier Romane, über hundert Kurzgeschichten und ein Kinderbuch verfasst: „The Slightly Irregular Fire Engine or the Hithering Thithering Djinn“ schrieb er für seine Tochter Anne und gewann damit 1972 den National Book Award. Die deutsche Übersetzung von Harry Rowohlt erschien 1991 als „Mathilda und die Feuerwehr, die nicht ganz so war, wie sie sein sollte“. Auch für seine Romane und Erzählungen wurde er mehrfach ausgezeichnet. Neben seinen literarischen Werken schrieb er zahlreiche literaturtheoretische Essays, die seinen Rang als bedeutender Intellektueller mit begründeten. Sein Einfluss auf andere Schriftsteller, den er nicht zuletzt als „creative writing“-Lehrer ausübte, gilt als sehr groß.

Barthelme war viermal verheiratet und hat je eine Tochter aus dritter und vierter Ehe. Er starb 1989 an Krebs. (Quelle: Wikipedia)

Romane:

Snow White (1967)
Deutsch: Schneewittchen. Übersetzt von Maria Bosse-Sporleder. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1968.
The Dead Father (1975)
Deutsch: Der tote Vater. Übersetzt von Marianne Frisch und Martin Kluger. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1977, ISBN 3-518-02079-X. Neuausgabe: Engeler, Basel & Weil am Rhein 2007, ISBN 978-3-938767-30-6.
Paradise (1986)
Deutsch: Paradiesische Zustände. Übersetzt von Isabella Wohlrapp. Klett-Cotta, Stuttgart 1989, ISBN 3-608-95541-0.
The King (1990)
Deutsch: Der König. Übersetzt von Maximilian Schäfer. Engeler, Basel & Weil am Rhein 2006, ISBN 3-938767-07-3.

Sammlungen:

Come Back, Dr. Caligari (1964)
Deutsch: Komm wieder, Dr. Caligari : Geschichten. Übersetzt von Hans Wollschläger. Edition Suhrkamp 371. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1970, ISBN 3-518-01628-8.
Unspeakable Practices, Unnatural Acts (1968)
Deutsch: Unsägliche Praktiken, unnatürliche Akte : Erzählungen. Übersetzt von Hanna und Adolf Muschg. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1969.
City Life (1970)
Deutsch: City life. Übersetzt von Marianne Oellers. Bibliothek Suhrkamp Bd. 311. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1972.
SADNESS (1972)
Deutsch: Am Boden zerstört. Übersetzt von einer Übersetzer-Gruppe am Englischen Institut der Universität München (Endredaktion Christian Enzensberger) und von Marianne Frisch. Klett-Cotta, Stuttgart 1986, ISBN 3-608-95065-6.
Guilty Pleasures (1974)
Amateurs (1976)
Deutsch: Amatöre. Übersetzt von einer Übersetzer-Gruppe am Englischen Institut der Universität München (Endredaktion Christian Enzensberger) und von Marianne Frisch. Klett-Cotta, Stuttgart 1988, ISBN 3-608-95066-4.
Great Days (1979)
Deutsch: Tolle Tage. Übersetzt von einer Übersetzer-Gruppe am Englischen Institut der Universität München (Endredaktion Christian Enzensberger) und von Marianne Frisch. Klett-Cotta, Stuttgart 1985, ISBN 3-608-95067-2.
Overnight to Many Distant Cities (1983)
Deutsch: Über Nacht zu vielen fernen Städten. Übersetzt von Isabella Wohlrapp. Klett-Cotta, Stuttgart 1991, ISBN 3-608-95542-9.
Sam’s Bar (with illustrations by Seymour Chwast) (1987)
Sixty Stories (1981)
Forty Stories (1987)
Kim Herzinger (Hg.): The Teachings of Don B.: Satires, Parodies, Fables, Illustrated Stories, and Plays of Donald Barthelme (1992)
Kim Herzinger (Hg.): Not-Knowing: The Essays and Interviews of Donald Barthelme (1997)
Flying to America: 45 More Stories (2007)

Bei Klett-Cotta erschienen bislang folgenden Bücher von Barthelme:

1) Der Kopfsprung (1985, 140 Seiten)
2) Tolle Tage (1985, 193 Seiten)
3) Am Boden zerstört (1986, 188 Seiten)
4) Amatöre (1988, 192 Seiten)
5) Paradiesische Zustände (1989, 160 Seiten)
6) Über Nacht zu vielen fernen Städten (1991, 147 Seiten)

Handlung

Das Buch erzählt von Simon, dem 53-jährigen Architekten, der sich, von seiner Frau getrennt lebend, in New York ein Jahr lang dem süßen Nichtstun widmen will. Er nimmt drei junge Frauen in seine große leere Wohnung auf und lebt mit ihnen das Ideal des Polygamisten: das Paradies existiert.

In diesem Paradies gibt es keinen Verführer, nicht einmal die Sünde: Seinem Arzt sagt Simon, in eingefügten Protokollen, das Verbot des Ehebruchs sei falsch, Gott könne das nicht gewollt haben. Die drei Grazien könnten Simons Töchter sein, aber er nicht ihre Vaterfigur. Frau weiß, was frau an ihm hat, und das ist nicht wenig, aber es ist alles zu vollkommen – Simon zeigt sogar Verständnis für feministische Ideen!

Aber auf die Dauer ist es, als ob drei Personen dieselbe Illustrierte läsen: Schließlich gibt es keine Neuigkeiten mehr. Liegt es also am mediengeprägten Konsumentenbewusstsein der Frauen oder mehr an Simons langweiliger Liberalität, dass die Damen schließlich weiterziehen?

Unterm Strich

Kurzweilig zu lesen und voll herrlich absurder Unterhaltungen, ist der Roman ein melancholischer Männertraum von einem Paradies, in dem niemand zuhause ist. Und streckenweise erinnert die Konstellation fatal an John Updikes verfilmten Bestseller „Die Hexen von Eastwick“: Simon als Darryl Van Horne? Das kann ja nicht gut gehen!

Hardcover: 160 Seiten
Originaltitel: Paradise, 1986.
Aus dem Englischen von Isabella Wohlrapp.
ISBN-13: 9783608955415

www.Klett-Cotta.de

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