Johanna Driest – Das Blaue vom Himmel

Vielleicht liegt es ja wirklich in der Familie, das Schriftstellerdasein. Johanna Driest ist die Tochter von Burkhard Driest, der unter anderem auch Romane und Drehbücher geschrieben hat. Ihre ersten Schreibversuche veröffentlichte die damals Fünfzehnjährige mit „Crazy for Love“ im Jahr 2005. Drei Jahre später ist die damalige Protagonistin Mona immer noch aktuell. Mittlerweile sechzehn Jahre alt, lernt Mona in „Das Blaue vom Himmel“ weitere Hoch- und Tiefpunkte des Teenagerdaseins kennen.

Mona de Boer ist sechzehn Jahre alt und möchte das Leben in vollen Zügen genießen. Dumm nur, dass ihre Mutter, mit der sie zusammen mit ihrem Stiefvater und ihrem großen Bruder in Berlin wohnt, eher konservativ ist und ihr auf Nizza lebender Vater Dinge wie Feiern, Sex und Drogen philosophisch angeht. Keine gute Voraussetzungen, um ein ausgefülltes Leben mit Clubbesuchen, Beziehungen und Drogen- und Alkoholkonsum zu führen. Doch Mona schafft sich diese Voraussetzungen einfach. Mithilfe ihrer Freunde und einiger handfester Lügen beginnt sie eine Art Doppelleben. Ihre Mutter wähnt sie lernend bei einer Freundin, doch in Wirklichkeit macht Mona die Berliner Clubs unsicher oder bandelt mit verschiedenen Jungs an. Es ist klar, dass dies nicht lange gutgeht. Monas Mutter droht mit Hausarrest und Telefonverbot, doch Mona setzt sich weiterhin über diese Gebote hinweg …

Wenn Jugendliche über Jugendliche schreiben, sollte man eigentlich einen recht authentischen Erfahrungsbericht erhalten. Schließlich müsste Johanna Driest Leben und Gedankenwelt ihrer Protagonistin kennen, weil es alterstechnisch von ihrem eigenen nicht weit entfernt ist. Allerdings steht dabei die Frage im Raum, ob man in diesem Alter schon genug Lebens- und Schreiberfahrung besitzt, um einen guten Roman zu schreiben.

„Das Blaue vom Himmel“ unter diesen Gesichtspunkten zu bewerten, ist schwierig. Das Buch ist zwar nicht der große Wurf, aber auch nicht so schlecht, dass man es verreißen und dabei das Alter der Autorin herauskehren müsste. Der Schreibstil erweist sich nämlich als durchaus ausgefeilt. Driest greift auf ein großes, sehr erwachsenes Vokabular zurück und verarbeitet eine Vielzahl von Sprichwörtern und Redewendungen. Leider wirkt das Geschriebene dabei stellenweise altbacken und gekünstelt. Worte wie „darben“ passen nicht wirklich in ein Jugendbuch und wirken für eine sechzehnjährige Protagonistin zu abgehoben. Besonders bei den Liebesszenen übertreibt Driest es gerne ein wenig, so dass die Geschichte geradezu kitschig wird.

Die Person der Mona ist nicht unbedingt schlecht ausgearbeitet, hat aber ihre Schwächen. Zum einen wirkt sie wie ein Vorzeigeteenie. Ihre Probleme, ihr Leben, das Verhältnis zu den Eltern – dies alles sagt man Jugendlichen im Allgemeinen nach, und es ist nur wenig Originalität zu erkennen. Driest bemüht sich zwar – das merkt man -, doch so richtig möchten ihr keine tiefen, stimmigen und vor allem sich voneinander unterscheidenden Charaktere gelingen. Die Nebenfiguren sind sich ähnlich, und wenn nicht, dann hinterlassen sie einen klischeehaften Eindruck. Das fällt vor allem bei den Jungen auf, mit denen Mona im Buch zu tun hat. Max neigt zu Eifersucht und Überkontrolle, während jeder sie vor Bene warnt, dass er ein Fiesling sei und Mädchen nur ausnutze und sie dann fallenlasse, seit seine Freundin ihn auf ähnliche Weise abserviert hat. Diese Typen sind quasi „Klassiker“, wenn es um misslungene Beziehungen geht, und sie werden leider auch nicht so ausgeformt, dass sie authentisch wirken.

Monas Verhältnis mit Bene führt zu einem weiteren Kritikpunkt. Als dieser sie abserviert hat, angelt sie sich nämlich dessen besten Freund und bandelt mit ihm an. Mit diesem Rachefeldzug will sie Bene verletzen, aber letztendlich schadet sie nur ihrer eigenen Glaubwürdigkeit. Ihre Aktion passt nicht zu der Mona, die im Großteil des Buchs propagiert wird. Allerdings ist dies nicht die einzige Handlungsstelle, die konstruiert wirkt. Mehr als einmal hat der Leser das Gefühl, dass bestimmte Ereignisse nur der Dramatik wegen eingebaut werden und keinen Bezug zur wirklichen Geschichte haben. Andere Dinge kommen dafür zu kurz: Monas Balletttraining, das sie ziemlich einspannt, wird beispielsweise immer nur am Rande erwähnt, obwohl es ihr wichtig zu sein scheint.

Schlussendlich ist zu sagen, dass „Das Blaue vom Himmel“ nicht gerade das Gelbe vom Ei ist. Die Handlung wirkt konstruiert und die Charaktere sind schwammig und wenig ausdifferenziert. Der Schreibstil wirkt für eine Achtzehnjährige zwar sehr reif und ihr Vokabular ist beachtlich, sie weiß allerdings nicht, diesen Pluspunkt sauber und ansprechend umzusetzen. Die authentische Beschreibung eines Teenagerlebens mit der verständlichen Darstellung von dessen Höhen und Tiefen sollte man deshalb in Driests Roman nicht erwarten.

Taschenbuch: 288 Seiten
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