Dave Duncan – Das Tor ins Gestern (Das Große Spiel 1)

Dave Duncan ist den meisten deutschen Fantasy-Lesern durch seine beiden Pandemia-Zyklen bekannt. Waren diese schon ziemlich gelungen, so soll die Trilogie „Das große Spiel“ laut Kritik noch besser sein. Ich kann das bestätigen, denn schon der erste Band liest sich fast von alleine. Weitere Zyklen des Autors sind „Das Siebte Schwert“ und „Des Königs Klingen“.

Handlung

Es gibt zwei Handlungsstränge, die zum einen in einer historischen Epoche unserer eigenen Welt, zum anderen in einer fantastischen Parallelwelt ablaufen.

Der 18-jährige Edward Exeter hat soeben seine typisch britische Internatsausbildung abgeschlossen, als im August 1914 der Erste Weltkrieg ausbricht und Edward nichts lieber möchte, als sich freiwillig für sein Vaterland gegen die „Boches“ in die Schützengräben zu begeben – der Krieg, so erwartete jedermann, würde sowieso bis Weihnachten vorbei sein. Leider kommt es anders.

Im Herrenhaus seines Freundes Timothy, des Sohnes von General Bodgley, wollen die beiden Ex-Schulkameraden wieder einen ihrer Streiche unternehmen. In der Speisekammer machen sie sich über Pfannkuchen und Marmelade (lecker!) her, als eine fremde junge Frau auftaucht und sie anschreit. Danach kann sich Edward nur noch an viel Blut erinnern.

Als er im Krankenhaus wieder das Bewusstsein erlangt, hat er ein gebrochenes Bein, zahllose Prellungen und am Kopf eine Platzwunde. Edward sei wohl eine Treppe hinuntergefallen. Timothy jedoch, so berichtet ihm der ermittelnde Polizeiinspektor Leatherhead, wurde mit einem Tranchiermesser erstochen. Wer könnte wohl der Täter sein, Mr. Exeter, hm?

Die geheimnisvolle Fremde aus der Speisekammer, die durch geschlossene Türen gehen kann, trachtet ihm weiterhin nach dem Leben. Bekannte seiner vor Jahren in Kenia hingemetzelten Eltern tauchen auf, entführen ihn aus dem Hospital und heilen seine Verletzungen mit okkulter Druidenmacht.

Als er in eine Parallelwelt versetzt wird und ein Anschlag auf seine Begleiter ihn hier hilflos gestrandet zurücklässt, glaubt er sich verloren. Doch unter den „Göttern“, Menschen aus unserer Welt, gibt es auch eine Fraktion, die Edward unterstützt.

In der Parallelwelt

Der zweite Handlungsstrang dreht sich um die zwölfjährige Eleal Sängerin, die Angehörige einer fahrenden Schauspielertruppe. Sie hat ein verkürztes Bein und zeichnet sich durch enorme Neugier aus. Ihre Informationen verkauft sie gewinnbringend.

Ihr größter Wunsch besteht verständlicherweise darin, bei den Festspielen zu Ehren des Gottes der Kunst den ersten Preis zu erringen und vom Gott geheilt zu werden.
Doch schon auf der vorletzten Station, in Narsh, beginnen die Schwierigkeiten. Die Opfer der Truppe, um sichere Pass-Passage zu erlangen, werden nicht angenommen. Wer ist schuld? Eleal! In den Prophezeiungen des sogenannten Filoby-Testaments (das dem gesamten Text vorangestellt ist) steht, dass sie den „Götterstürzer“ nährt und kleidet. Priester, Assassinen („Schnitter“ des schwarzen Gottes) und selbst die „Götter“ trachten Eleal nach der Freiheit, ja nach dem Leben.

Es gelingt ihr zwar mit knapper Not zu fliehen und sie trifft Edward, doch dieser will sich seinem Schicksal nicht stellen und verschwindet. Was nun?

Mein Eindruck

Dave Duncan erweist sich wieder einmal als routinierter und versierter Autor. Spannend entwickelt er die beiden Handlungsstränge, verknüpft diese, nur um sie zum Schluss dieses Bandes wieder auseinanderlaufen zu lassen.

Die oben skizzierte Welt der Eleal Sängerin mit hiesigen Menschen, die dort Götter sind, ist nicht uninteressant und ist humorvoll gezeichnet: So etwa sind Drachen keine blutrünstigen Jungfrauenkiller, sondern zahme Reittiere in allerlei bunten Farben, beinahe zu groß geratene Kätzchen.

Auch die Menschen sind interessant. Mal von der gut gezeichneten Schauspielertruppe – von denen einer ein unerkannter „Schnitter“ ist! – abgesehen, so finden sich weitere faszinierende Figuren. So etwa die uralte Kriegerpriesterin „Schwester Ahn“, die dem Orden der Töchter Irepits angehört und mit blankem Schwert, auf einen Stab gestützt, umhertapert. Nicht ganz ungefährlich, Muttchen!

Erstaunlich fand ich, dass in Eleals Welt Sex eine bedeutende Rolle spielt, so etwa in den Tempeln der ‚Hohen Herrin‘. Auch Eleal weiß schon, was damit gemeint ist. Und dies soll ein Jugendbuch sein?!

Schwachpunkte

Allerdings lässt diese Welt etliche Fragen offen, so etwa nach den Berührungspunkten und den Übergängen zu unserer Welt. Der Schwachpunkt dieses Auftaktbandes ist daher wohl, dass hier lediglich der – immerhin recht umfangreiche – Grundstein des Handlungsgerüstes der Trilogie gelegt wird. Duncan bietet nur Hinweise auf die künftige Ausarbeitung, zu viele Rätsel verwirren noch, zu viele Fährten werden gelegt, ohne dass die Handlung wirklich in Gang kommt.

Wir können gespannt sein, wie sich die Handlung des „Großen Spiels“ weiterentwickelt. Als Auftaktband ist „Die Tore ins Gestern“ lediglich akzeptabel. Das heißt aber nicht, dass es kein Vergnügen wäre, das Buch zu lesen – im Gegenteil. Besonders in den Eleal-Kapitel ertappte ich mich immer wieder beim Grinsen.

Taschenbuch: 667 Seiten
Originaltitel: Past Imperative, 1996
Aus dem US-Englischen übertragen von Michael Krug
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