Edgar Allan Poe – Das Geheimnis der Marie Roget (Folge 35)

Köpfe werden rollen, Mühlen brennen!

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Das Geheimnis der Marie Roget“ wird die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos fortgesetzt. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 34 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.

USA um 1851. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.

Eine erste Spur führt ihn nach Baltimore. Dort stößt er auf einen seltsamen Buchhändler, der etwas zu wissen scheint, aber hartnäckig schweigt. Poe findet in seiner Buchhandlung versteckt eine Landkarte, auf der auch der Wohnort seiner Schwester Rosalie eingetragen, in Terrytown, das auch als Sleepy Hollow bekannt ist…

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 34 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: „Die Scheintoten“)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Siebte Staffel (03/2008):

#26: Die Flaschenpost
#27: Landor’s Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

Achte Staffel:

#30: Die Feeninsel
#31: Teer und Federn
#32: William Wilson
#33: Morella

Neunte Staffel:

#34: Ligeia
#35: Das Geheimnis von Marie Roget
#36: Der Teufel im Glockenturm
#37: Die Gestalt des Bösen

Das Taschenbuch ist unter dem Titel „Lebendig begraben“ bei Bastei-Lübbe erschienen.

Der Autor

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatl. Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Leonie Goron: Iris Berben
Rosalie: Franziska Pigulla
Ichabod Crane: Joachim Pukass
Katrina, seine Frau: Maria Mägdefrau
Tessel: Nico Nothnagel
Gerrit: Markus Eberl
Alt Mathbes: Engelbert von Nordhausen
Gorn: Lutz Riedel
Kind: Joris Schulz-Heinbok
Und weitere.

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Mechthild Jackson, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL Studio verantwortlich.

Das Titelbild

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt ein großbürgerliches Haus im englischen Stil nach 1900. Typisch sind die Erkerfenster, aber der Stil ist sachlich statt verschnörkelt. In der Mitte der Fassade ist eine schwarze Statue platziert, wahrscheinlich der Erbauer des Hauses. Der Blick fällt durch Gestrüpp und eine Arkade, als ob das gezeigte Haus gerade erst entdeckt worden sei und ein Geheimnis berge.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

Das Booklet

Jede CD enthält ein sechsseitiges, schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Seite zeigt die letzten veröffentlichten CDs. Die vorletzte Seite macht Werbung für Katharina Franck, die den Schluss-Song beitrug. Die vorletzte Seite listet alle Credits auf. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

Vorgeschichte

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton alias Dr. Baker eingeliefert wurde und jetzt, nach zehn Wochen, entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 34 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten.

Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton bzw. Baker darin spielt. Inzwischen gibt Poe überall vor, ein Buch über den 1849 angeblich verstorbenen Dichter zu schreiben. Unter dieser Tarnung versucht er Zeugen zu finden, die seine wahre Identität als Poe bestätigen können.

Handlung

Auf der Landkartedes Buchhändlers Nichols in Baltimore hat Poe den Aufenthaltsort seiner Schwester Rosalie entdeckt: Terrytown. Der Weiler liegt irgendwo in den westlichen Wäldern, zwei Tagesreisen von New York City entfernt. Von einer Wirtin erfahren sie, dass der wahre Name dieses Weilers Sleepy Hollow lautet. Poe und Leonie nehmen die Postkutsche, müssen schließlich aussteigen und einem Dornenpfad folgen. Ein Schäfer weist ihnen den Weg.

Doch im Weiler will sie niemand aufnehmen. In einem Haus sehen sie einen kleinen Jungen, der ein Lichtspiel dreht, das Hexen und so weiter zeigt. Im nächsten Haus scheint ein Fest stattzufinden, doch auf ihr Pochen hin verstummen die Stimme und jemand weist sie fort. Erst bei einem verfallenen Haus öffnet ihnen eine alte Frau die Tür und lässt sie sogar ein. Sie warnt sie, dass es heute nacht nicht geheuer sei. Man könne seinen Kopf verlieren.

Bei Katrina und ihrem Mann Ichabod Crane, einem ehemaligen Polizisten aus New York, stellt sich Poe vor und fragt nach Rosalie Poe, die hier aber unbekannt zu sein scheint. Es gebe aber eine Waldhütte, die von einer Frau wiederhergerichtet wurde. Diese ist als Marie Roget bekannt. Am nächsten Morgen gehen Poe und Leonie zur Hütte und finden tatsächlich Rosalie vor, die eigentlich jemand anderen erwartet hat. Sie erkennt ihren Bruder aber wieder, und bis zum Abend erzählt Poe seine verschlungene Lebensgeschichte. Er freut sich, dass sie bereit ist, mit nach New York zu kommen, um seine Identität zu bezeugen. Nur Leonie hegt Zweifel, ob dieser Plan gelingt.

Nachts um zwei steht Poe auf, um einem Drang der Natur zu folgen. Rosalie sitzt immer noch am Feuer, tränenüberströmt. Nachdem er sich im Wald erleichtert hat, kehrt er zurück in die Hütte, doch irgendwie ist Rosalie verändert: Ihr Kopf fehlt! Als Leonie seine entsetzten Rufe hört, eilt sie herbei und will sofort weg: Man könnte sie schon wieder für Mörder halten!

Doch es ist zu spät: Drei Männer mit Fackeln dringen in die Hütte ein und nehmen sie gefangen. Der Grund: Hexerei und Mord an Marie Roget. Dann legen sie Feuer, bevor sie die Gefangenen ins Dorf schleppen. Dort soll ein Gottesurteil über Poe und Leonie entscheiden: an der alten Windmühle…

Mein Eindruck

Moment mal! Der Name Ichabod Crane dürfte dem einen oder anderen Filmfreund bekannt vorkommen – so heißt doch der von Johnny Depp so wunderbar linkisch gespielte Polizist, der in Sleepy Hollow dem kopflosen Reiter das Handwerk legen soll. Denn der wiederum hat es auf die Köpfe seiner armen Mitmenschen abgesehen. Und wie in gewissen Frankenstein-Filmen findet auch in Tim Burtons Verfilmung der Showdown an einer brennenden Windmühle statt.

Diesen Film nehmen die Autoren der vorliegenden POE-Episode zur Vorlage für den Plot ihres Thrillers. Washington Irving, der Erfinder von Sleepy Hollow, würde sich im Grabe umdrehen, könnte er mitbekommen, was inzwischen alles aus seinem Stoff „Rip Van Winkle“ gemacht worden ist. So kommt es auch diesmal wieder zu einer Enthauptung – gerade als wir uns an die angenehm tiefe Stimme von Franziska Pigulla gewöhnt hatten, muss sie auch schon wieder einen unerwarteten Abgang machen. Dass dies irgendetwas mit der verschwundenen Pariserin Marie Roget zu tun haben könnte, glauben nur Naivlinge.

Doch dafür geht es nun Poe und seiner Begleiterin an den Kragen. Während POE verschreckt ist, behält Leonie einen kühlen Kopf und besteht auf ihrem Recht, ein Gottesurteil zu erlangen. ;a, wenn es schon keinen ordentlichen Hexenprozess gibt, dann wenisgtens ein Gottesurteil, sagen sich die abergläubischen Dörfler, die offenbar noch mitten im 17. Jahrhundert leben. Der Hexenglaube tritt übrigens nicht zum ersten Mal in dieser Serie auf, sondern hat auch schon in der siebten Staffel verhängnisvolle Folgen für Poe gehabt.

Das Gottesurteil – zugleich der Showdown – soll an der alten Windmühle stattfinden. Denn der Wind, das himmlische Kind, soll deren Flügel bewegen, an denen Poes Hals per Schlinge hängt! Da entdeckt Leonie in der fackelbeleuchteten Menge ihre private Nemesis: ihren Exgatten Gorn (von dem sie ihr Pseudonym „Goron“ abgeleitet hat). Er steckt also hinter dem ganzen Hexereikomplott. Wird es ihr und Poe gelingen, Gorn der gerechten Strafe zuzuführen? Wie sich zeigt, muss sich Leonie mit Gorn sogar duellieren – wow! Hat sie den Mumm und die Treffsicherheit, um ihn zu erschießen?

Die Sprecher/Die Inszenierung

Mr. Poe

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen. Diese Träume, so erkennt er schließlich, sind Erinnerungen an seine eigenen Erzählungen.

Leonie

Iris Berben spielt als Leonie Goron alias Sander eine eher unterstützende Rolle, denn dieser Poe tut ja doch nur, was er will. Immerhin verhilft sie ihm als Stimme der Vernunft mehrmals zur Flucht. Doch Leonie hat ihr eigenes Schicksal zu bewältigen, wie sich in dieser Folge nur zu deutlich zeigt. Gut gefiel mir auch Franziska Pigulla als Rosalie Poe. Allerdings hat man die Bässe aus ihrer tiefen Stimme fast vollständig entfernt, so dass sie nicht mehr so unheimlich klingt – schade.

Sonstige

Gorn wird von Lutz Riedel mit einer tiefen Stimme als grausamer und skrupelloser Verfolger dargestellt. Das verwundert nicht, denn Gorn hat Leonie in New York City schon einmal gekidnappt und gefangengehalten (in „Der Mann in der Menge“) und ist ihr dann auf Land gefolgt („Die Feeninsel“). Gorns rechtschaffenes gegenüber ist der Ex-Polizist Ichabod Crane, gesprochen von Joachim Pukass. Dieser „Ikey“ hat rein gar nichts mit Johnny Depps Darstellung zu tun, sondern ist einfach nur ein in Ehren ergrauter, zurückgezogen mit seiner Katrina lebender Rentner. Und nun diese Aufregung um diesen armen Mister Poe…

Musik und Geräusche

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. So überwiegen diesmal die Außenszenen, so etwa auf der Straße und auf dem Platz vor der ominösen Windmühle. Zahlreiche Stimmen rufen durcheinander – das war sicher ein ziemlicher Aufwand, die alle zusammenzufügen, bis sie den Eindruck einer Menschenmenge vermittelten.

Die Innenszenen heben sich demgegenüber umso heimeliger und gemütlicher ab. Es ist dieser scharfe Kontrast zwischen Innen und Außen, der dieser Folge ihren besonderen Reiz verleiht. Der Kontrast erscheint nämlich unnatürlich und aufgrund der Legende vom kopflosen Reiter als umso unheimlicher.

Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

Musik

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Allenthalben ist Poes musikalisches Leitmotiv zu hören sowie der Chor „Dies illa, dies irae“, der das Verhängnis – „jenen Tag des Zorns“ – ankündigt.

Hinzukommen sehr tiefe, unheilvoll und bedrohliche wirkende Bässe. Sie werden von diversen elektronisch erzeugten Sounds ergänzt, die ich einfach mal der Musik zuschlage. Diese Sounds klingen teils metallisch kalt und bedrohlich, teils bestehen sie aus Rumpeln und Grollen, und das ist ja auch nicht gerade beruhigend.

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein.

Der Song

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „Ligeia“, den Katharina Franck bereits auf der ausgezeichneten CD „Visionen“ beitrug. Die in Portugal und Brasilien aufgewachsene Sängerin und Songwriterin Katharina Franck, wurde mit der Band „Rainbirds“ (1986) bekannt, weiters lieh sie schon zahlreichen Rollen in Hörspielen ihre Stimme und etabliert „gesprochene Popsongs“. Erfand 1996 die „Gesprochenen Popsongs“. Veröffentlichte im Frühjahr 2006 ein neues Album mit dem Titel »First Take Second Skin«. Offenbar erschien kürzlich ihr neues Album „On the Verge of an Autobiography“, denn es wird im Booklet beworben.

„Ich kann mich bei meiner Seele nicht mehr erinnern wie, wann, noch wo ich die Lady Ligeia kennenlernte.“ So beginnt Edgar Poe seine Erzählung »Ligeia«, und dann folgt eine der schönsten und umfassendsten Beschreibungen weiblicher Anbetungswürdigkeiten, die ich seit langem gelesen habe. Ich habe diese arabeske Liebesgeschichte mit nach Marrakech genommen, eine öffnende Stadt, und habe in dem weiten Nichts der Ruinen des El Bahdi Palastes meinen Text geschrieben. Die Musik dazu ist in Berlin entstanden. Ich danke allen Mitwirkenden sehr herzlich, und dem Verlag für das Vertrauen. – Katharina Franck

Franck hat eine dieser glasklaren, aber tiefen Frauenstimmen, denen ich stundenlang zuhören könnte. Wenn sie sänge. Leider rezitiert sie ihren Text, den sie in Marrakesch geschrieben hat, lediglich in Prosa. Immerhin ist diese Lyrik auf ihrem eigenen Mist gewachsen, und es lohnt sich, ihr zuzuhören. Der Refrain, begleitet vom Orchester und gesungen von Franck, reimt sich dann wieder: „Ligeia, komm zurück!“ Es ist ein Ausdruck purer Seelenqual und Sehnsucht. Diese Fassung wurde durch eine andere Begleitung eingängiger, ja, poppiger gemacht.

Unterm Strich

Eigentlich sollten die Autoren dieser Episode Tantiemen an Washington Irving und Tim Burton entrichten, denn was sie von diesen Herrschaften entliehen haben, geht auf keine Kuhhaut. Nicht nur Sleepey Hollow samt kompletter Legende und Kulisse, sondern auch der Schauplatz des Showdowns, die schwarze Windmühle mit ihrer gruseligen Funktion als Gottesurteil, ist abgekupfert. Wie auch immer man dazu stehen mag, so gereichen diese Zutaten der Episode zu einer gehörigen Portion Dramatik und Thrill: Poes Kopf steckt in der Schlinge und nur eine göttliche Intervention kann sein Schicksal besiegeln. Zum Glück hilft ihm sein und Leonies Scharfsinn aus der Patsche…

Dennoch kam mir das Eindringen der Hexenhäscher und ihr Vorhaben des Lynchmords von vornherein als an den Haaren herbeigezogen vor. Die Anschuldigung der Hexerei ist sowieso hanebüchen. Nur die unterstellte Rückständigkeit der Leute von Sleepy Hollow kann als plausible Grundlage dafür angenommen werden. So schwach also die Episode inhaltlich ist, so dramatisch und effektvoll ist sie in der Ausführung. Wie soll man dies bewerten?

Das Hörspiel

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wieviel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode stimmungsvoll und zuletzt surreal und actionreich zu gestalten. Der Höhepunkt ist sicher die Szene vor der schwarzen Windmühle.

CD: 56 Minuten
ISBN-13: 9783785740019

www.luebbe-audio.de

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