Teufelspakt: Der unheilvolle Glockenschlag
Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Der Teufel im Glockenturm“ wird die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos fortgesetzt. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 35 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.
USA um 1850. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.
Poes und Leonies weiterer Weg führt sie nach Boston, wo Poe ja geboren wurde. Hier trifft er Dr. Templeton wieder, seine Nemesis. Im Austausch für die von Poe gestohlenen Notizen Templetons bietet dieser ihm an, Poes Identität von drei gekauften Zeugen bestätigen zu lassen…
Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 35 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:
#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: „Die Scheintoten“)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein
Siebte Staffel:
#26: Die Flaschenpost
#27: Landor’s Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels
Achte Staffel:
#30: Die Feeninsel
#31: Teer und Federn
#32: William Wilson
#33: Morella
Neunte Staffel:
#34: Ligeia
#35: Das Geheimnis von Marie Roget
#36: Der Teufel im Glockenturm
#37: Die Gestalt des Bösen
Das Taschenbuch ist unter dem Titel „Lebendig begraben“ bei Bastei-Lübbe erschienen.
Der Autor
Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.
1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.
Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.
Die Sprecher/Die Inszenierung
Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatl. Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.
Leonie Goron: Iris Berben
Dr. Templeton: Till Hagen
Wirtin: Karin David
Costello: Heinrich Großmann
Sullivan: Klaus Lutz Lansemann
Neilson Poe: Olaf Baden
Sowie Mario Helbert und Susanne Groth.
Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Mechthild Jackson, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL Studio verantwortlich.
Das Titelbild
Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt den wuchtig emporragenden Glockenturm einer alten neugotischen Kirche, die an einem See liegt. Der Turm beherrscht das Gebäude vollkommen, mit seinen seinen drei Geschossen und der fehlenden Spitze wirkt er mehr wie ein Burgfried. Sehr hell hervorgehoben ist die Turmuhr, deren Zeiger sehr gut zu erkennen sind. Kein Wunder, denn in dieser Folge schlägt’s dreizehn!
Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.
Das Booklet
Jede CD enthält ein sechsseitiges, schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Seite zeigt die letzten veröffentlichten CDs. Die vorletzte Seite macht Werbung für Katharina Franck, die den Schluss-Song beitrug. Die vorletzte Seite listet alle Credits auf. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.
Vorgeschichte
Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton alias Dr. Baker eingeliefert wurde und jetzt, nach zehn Wochen, entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?
Schon 35 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten.
Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton bzw. Baker darin spielt. Inzwischen gibt Poe überall vor, ein Buch über den 1849 angeblich verstorbenen Dichter zu schreiben. Unter dieser Tarnung versucht er Zeugen zu finden, die seine wahre Identität als Poe bestätigen können.
Handlung
Poe und Leonie sind mit knapper Not dem Tod in Sleepy Hollow entronnen, und Leonie hat ihren Exmann Gorn getötet. Nun begeben sie sich nach Boston, wo Poe vor 42 Jahren geboren wurde. Vor seinem Geburtshaus erklärt ihnen ein Sizilianer aus Chicago, dass Boston von den Iren beherrscht werde. Was das bedeutet, soll erst viel später klar werden. Poe geht in die Stadtbibliothek, um nach Spuren seiner Familie zu suchen, insbesondere nach dem verschollenen Vater und nach Edgars Bruder Henry. Leider weiß man hier wie am Theater und bei der Zeitung nichts weiter von Henry und Papa Poe.
Nachts zieht Poe ratlos durch die Kneipen und frönt dem Teufel Alkohol. In einer der Spelunken stößt er auf Dr. Templeton, seinen größten Feind und Widersacher, der ihm gefolgt ist. Templeton ist sehr an seinen Aufzeichnungen interessiert, die ihm Poe in New York abgeluchst hat. Um diese zurückzubekommen, bietet Templeton ihm Hilfe bei der Wiedererlangung seiner Identität an: Mit einer gewissen Summe, die er ihm für die Aufzeichnungen gäbe, könnte Poe in Boston falsche Zeugen kaufen, die in New York City für ihn aussagen, dass er der angeblich verstorbene Dichter sei.
Zunächst hält Poe dieses Angebot für Wahnsinn, doch als er am nächsten Morgen den Schnitt auf seinem Handrücken sieht, weiß er, dass er sich die Begegnung nicht im Suff eingebildet hat. Als er Leonie von Templetons Angebot erzählt, rät sie ihm dringend davon ab. Nichts Gutes werde daraus entstehen. Tatsächlich lehnt sie sogar jede Mitwirkung an diesem Betrug ab. Am Abend gibt Poe dennoch sein Einverständnis kund und macht mit Templeton die Modalitäten für den Handel aus. Erstmals träumt er von dem Bostoner Kirchturm, auf dem die Turmuhr wie jeden Tag die Mittagsstunde schlägt. Die netten und höflichen Bürger sehen es mit Wohlgefallen. Doch das soll nicht so bleiben…
Am nächsten Tag reitet er zu jenem Gasthof mit dem zahmen Raben, wo ihn ein freundlicher Wirt kurz nach seiner Entlassung aus Dr. Templetons Anstalt aufnahm. Dieser Wirt ist nun tot, wie er feststellen muss, und seine Nichte führt die Herberge weiter. Aber warum hat ihn der Schäfer auf der Wiese vor dem Haus gewarnt?
Mit seinem Namen und dem richtigen Kennwort löst er das Päckchen aus, das er dem Wirt von New York aus geschickt hat: Dr. Templetons Aufzeichnungen von seinen Menschenversuchen und Hirnoperationen. Doch als er die Seiten auf seinem Zimmer durchsieht, merkt er, dass es die falschen Notizen sind. Als er verwirrt und beunruhigt die neue Wirtin sucht, muss er hinunter in den Keller. Dort sitzt sie und kopiert die echten Aufzeichnungen. Aber sie hat auch die Behauptungen des fiesen Doktors überprüft – mit eigenen Versuchen, deren Ergebnisse Poe nun einen Heidenschrecken einjagen…
Mein Eindruck
Mit dieser Episode beginnt das Motiv der falschen Zeugen, die einen Pakt mit dem Bösen bedeuten. Wer weiß schon, was Dr. Templeton wirklich im Schilde im führt. Kein Wunder also, dass sich Leonie, die Stimme der Vernunft und der Aufrichtigkeit, strikt weigert, sich an diesem Pakt zu beteiligen. Ohne ihren Beistand sieht es jedoch für Poe ganz schlecht aus, ahnt der Hörer.
Zunächst jedoch scheint sich der Dichter recht gut zu schlagen. Denn als er seinerseits von der Wirtsnichte betrogen werden soll, entdeckt er die Täschung alsbald und vereitelt einen weiteren Misserfolg. Das verderbliche Vermächtnis Dr. Templetons scheint auch verbrecherische Gier in anderen zu wecken.
Die Übergabe der Aufzeichnungen klappt reibungslos, nachdem Poe die drei gekauften Zeugen kennengelernt und akzeptiert hat. Doch bei der Übergabe macht ihm ausgerechnet Leonie einen dicken Struch in die Rechnung und fortan ist Poe es selbst, der Dr. Templeton betrügt. Ob das gutgehen kann, darf stark bezweifelt werden.
Die Sprecher/Die Inszenierung
Mr. Poe
Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen. Diese Träume, so erkennt er schließlich, sind Erinnerungen an seine eigenen Erzählungen.
Leonie
Iris Berben spielt als Leonie Goron alias Sander eine eher unterstützende Rolle, denn dieser Poe tut ja doch nur, was er will. Immerhin verhilft sie ihm als Stimme der Vernunft mehrmals zur Flucht. Doch Leonie hat ihr eigenes Schicksal zu bewältigen, wie sich in der vorhergehenden Folge nur zu deutlich zeigte.
Sonstige
Die Herren Costello, Sullivan und Neilson Poe werden von Sprechern dargestellt, deren Namen mir leider nichts sagen. Sie sind auch in ihrem Ausdruck nichts Besonders, sondern erfüllen lediglich kompetent ihre Aufgabe.
Musik und Geräusche
Der Sound liegt im Format Dolby vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.
Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Die meisten Szenen spielen auf der Straße oder in Innenräumen. Unter letzteren ragt natürlich besonders die Spelunke heraus, in der Poe seinen Quälgeist Dr. Templeton wiedertrifft. Im Hintergrund spielt ein Piano, diverse Säufer machen Lärm oder singen sogar. Dieses akustische Tohuwabohu dient als Kulisse für den Dialog, der nichtsdestotrotz einwandfrei zu verstehen ist.
Die Traumsequenz
Fein säuberlich herausgearbeitet sind die drei Traumszenen, in denen sich Poe in einem sich verändernden Boston wähnt. Je mehr er sich auf den Schwindel mit den falschen Zeugen einlässt, desto hässlicher und beunruhigender werden diese Szenen, also wolle ihm sein schuldbewusstes Unterbewusstsein etwas mitteilen. Der Höhepunkt der Sequenz wird in der dritten Szene erreicht, als die Turmuhr nicht wie sonst zwölfe, sondern dreizehn schlägt. Der „Teufel im Glockenturm“ ist nichts anderes als Poes eigenes Schuldbewustsein.
Der Gipfel dieser Sequenz findet jedoch nicht nur im Traum statt, sondern auch in der fiktionalen Realität: auf dem Friedhof, unter dem Glockenturm der Kirche (die Gottes Gebote und somit die Moral symbolisiert) – hier wird der Kuhhandel mit den Notizen und den falschen Zeugen besiegelt. Kein Wunder, dass irgendetwas schiefgehen MUSS…
Die Musik
Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Allenthalben ist Poes musikalisches Leitmotiv zu hören sowie der Chor „Dies illa, dies irae“, der das Verhängnis – „jenen Tag des Zorns“ – ankündigt.
Hinzukommen sehr tiefe, unheilvoll und bedrohliche wirkende Bässe. Sie werden von diversen elektronisch erzeugten Sounds ergänzt, die ich einfach mal der Musik zuschlage. Diese Sounds klingen teils metallisch kalt und bedrohlich, teils bestehen sie aus Rumpeln und Grollen, und das ist ja auch nicht gerade beruhigend.
Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein. Rockige Klänge finden Jüngere dann aber in „Offenbarung 23“ und in „Jack Slaughter, Tochter des Lichts“, Lars Peter Luegs neuer Hörspielserie.
Der Song
Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „Ligeia“, den Katharina Franck bereits auf der ausgezeichneten CD „Visionen“ beitrug. Die in Portugal und Brasilien aufgewachsene Sängerin und Songwriterin Katharina Franck, wurde mit der Band „Rainbirds“ (1986) bekannt, weiters lieh sie schon zahlreichen Rollen in Hörspielen ihre Stimme und etabliert „gesprochene Popsongs“. Erfand 1996 die „Gesprochenen Popsongs“. Veröffentlichte im Frühjahr 2006 ein neues Album mit dem Titel »First Take Second Skin«. Offenbar erschien kürzlich ihr neues Album „On the Verge of an Autobiography“, denn es wird im Booklet beworben.
„Ich kann mich bei meiner Seele nicht mehr erinnern wie, wann, noch wo ich die Lady Ligeia kennenlernte.“ So beginnt Edgar Poe seine Erzählung »Ligeia«, und dann folgt eine der schönsten und umfassendsten Beschreibungen weiblicher Anbetungswürdigkeiten, die ich seit langem gelesen habe. Ich habe diese arabeske Liebesgeschichte mit nach Marrakech genommen, eine öffnende Stadt, und habe in dem weiten Nichts der Ruinen des El Bahdi Palastes meinen Text geschrieben. Die Musik dazu ist in Berlin entstanden. Ich danke allen Mitwirkenden sehr herzlich, und dem Verlag für das Vertrauen. – Katharina Franck
Franck hat eine dieser glasklaren, aber tiefen Frauenstimmen, denen ich stundenlang zuhören könnte. Wenn sie sänge. Leider rezitiert sie ihren Text, den sie in Marrakesch geschrieben hat, lediglich in Prosa. Immerhin ist diese Lyrik auf ihrem eigenen Mist gewachsen, und es lohnt sich, ihr zuzuhören. Der Refrain, begleitet vom Orchester und gesungen von Franck, reimt sich dann wieder: „Ligeia, komm zurück!“ Es ist ein Ausdruck purer Seelenqual und Sehnsucht. Diese Fassung wurde durch eine andere Begleitung eingängiger, ja, poppiger gemacht.
Unterm Strich
Neuer Schauplatz, neues Glück: Diese Folge eröffnet ein neues Motiv, nämlich das des Schwindels mit falschen Zeugen. Damit lässt sich Poe auf einen Teufelspakt mit seinem Widersacher ein. Na, ob das gutgehen kann? Die nächste Folge wird die Antwort geben. Zunächst einmal versucht sein schlechtes Gewissen Poe etwas durch drei Träume mitzuteilen, in deren Mittelpunkt ein Glockenturm steht. Dessen Schlagen zur Mittagsstunde erweist sich als böses Omen und unheilvolle Vorankündigung größeren Unglücks in Poes eigentlichem Leben.
Ingesamt ist die Handlung in dieser Folge durch jede Menge hin und her gekennzeichnet, und der Hörer muss aufpassen, wo sich Poe gerade befindet. Diese Ereignisse nämlich werfen ihre Schatten auf den Abschluss der Staffel in der nächsten Folge voraus. Über Mangel an Aktion kann man sich nicht beklagen, wohl aber über einen Mangel an Sinn und Verstand in Poes Handeln: Sein Teufelspakt, geschlossen in alkoholisiertem Zustand (genau wie der echte Poe anno 1849, siehe die obenstehende Biografie), lässt nichts Gutes erwarten.
Das Hörspiel
Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wieviel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode stimmungsvoll und zuletzt surreal und actionreich zu gestalten. Ein Highlight ist für mich die Sequenz mit den drei Traumszenen, in denen der Glockenturm Poe soo schaurige Erlebnisse bereitet. Diese Sequenz ist akustisch verfremdet und säuberlich eingefädelt, so dass ihr Anhören zu einem spannenden Genuss wird.
CD: 59 Minuten
ISBN-13: 9783785740026
www.luebbe-audio.de
Der Autor vergibt: