Edgar Allan Poe – Die Gestalt des Bösen (Folge 37)

Explosive Höhepunkte

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Das Geheimnis der Marie Roget“ und „Der Teufel im Glockenstuhl“ wurde die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos fortgesetzt. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 36 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.

USA um 1850. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.

In Boston hat Poe drei falsche Zeugen für seine Identität als Dichter E.A. Poe gekauft, allerdings unter mehr als dubiosen Umständen. Er erreicht New York City unbeschadet, muss jedoch dort vom Gericht erfahren, dass die Gegenseite, sein Verleger und ein Journalist, ebenfalls gekaufte Zeugen aufbieten, die das Gegenteil beschwören werden. Poe verfällt auf einen teuflischen Plan, um diese Zeugen auszuschalten und so die Oberhand zu behalten…

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 36 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: „Die Scheintoten“)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Siebte Staffel:

#26: Die Flaschenpost
#27: Landor’s Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

Achte Staffel:

#30: Die Feeninsel
#31: Teer und Federn
#32: William Wilson
#33: Morella

Neunte Staffel:

#34: Ligeia
#35: Das Geheimnis von Marie Roget
#36: Der Teufel im Glockenturm
#37: Die Gestalt des Bösen

Das Taschenbuch ist unter dem Titel „Lebendig begraben“ bei Bastei-Lübbe erschienen.

Der Autor

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatl. Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Leonie Goron: Iris Berben
Dr. Templeton: Till Hagen
Costello: Heinrich Großmann
Sullivan: Klaus Lutz Lansemann
Neilson Poe: Olaf Baden
Sir Frank Lee: Ernst Meincke
Rick Ellis: Tilo Schmitz
Graham, Verleger: Matthias Klages
Gerichtsdiener: Andreas W. Schmidt
Junge: Joris Schulz-Heimbok

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Mechthild Jackson, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL Studio verantwortlich.

Das Titelbild

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt in Nahaufnahme die Statue von zwei Männern, von denen der obere, gekleidet in eine Kutte, den unteren, der Hut und Jacke trägt, am Schlafittchen packt. Der entschlossen verkniffene, die drohenden Augenbrauen und das schwarze Auge verleihen dem Gesicht des Häschers etwas Dämonisches. Im Hintergrund ist die Vertäfelung eines Salons zu sehen. Es handelt sich also nicht um eine mittelalterliche Kirchenstatue. Vielleicht sind Vorder- und Hintergrund aber auch montiert. Oder die Statue steht in einem Museum.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

Das Booklet

Jede CD enthält ein sechsseitiges, schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Seite zeigt die letzten veröffentlichten CDs. Die vorletzte Seite macht Werbung für Katharina Franck, die den Schluss-Song beitrug. Die vorletzte Seite listet alle Credits auf, inklusive Christopher Lee. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

Vorgeschichte

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton alias Dr. Baker eingeliefert wurde und jetzt, nach zehn Wochen, entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 36 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten.

Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton bzw. Baker darin spielt. Inzwischen gibt Poe überall vor, ein Buch über den 1849 angeblich verstorbenen Dichter zu schreiben. Unter dieser Tarnung versucht er Zeugen zu finden, die seine wahre Identität als Poe bestätigen können.

Handlung

Nachdem er in Bostons mit Dr. Templetons Geld drei Zeugen für seine Identität gekauft, fährt Poe mit der Postkutsche nach New York City. Die Herren Sullivan, Costello und Neilson Poe, angeblich sein Vetter, begleiten ihn. Leonie hat sich geweigert, an Poes Wahnsinnsunternehmen teilzunehmen. Wie schon früher ist auch diesmal Miss Lowells Haus am Hafen sein Quartier, und hier serviert immer noch Rick Ellis seine berühmt-berüchtigten Fleischpasteten (aus Menschenfleisch).

Als erstes geht Poe zum Gericht, um eine Verhandlung zu beantragen. Ein Gerichtsdiener führt ihn zu Sir Frank Lee, den er schon vom Sondergericht in Erinnerung hat (siehe Folge 29: Der Kopf des Teufels). Sir Lee bringt einiges gegen Poe vor, aber der entgegenet, er habe drei Zeugen, die seine Identität beschwören würden. Lee setzt eine Verhandlung in drei Tagen an.

Diesen guten Auftakt für sein Vorhaben feiert Poe tüchtig und erwacht am nächsten Morgen in der Gosse – ohne Erinnerung, Börse, Schuhe und Hose. Nur mit seinem Rock angetan, wankt er zurück zu Ricks Gasthaus. Nachdem er sich ausgeschlafen hat, wartet in der Gaststube bereits ein Mann auf ihn. Der Gerichtsdiener sagt ihm, er solle weitere Zeugen beibringen, denn die Gegenseite um den Verleger Graham hätte eine ganze Reihe Gegenzeugen aufgeboten. Da findet der Diener einen Zahn in seiner ansonsten so leckeren Pastete und verlässt fluchend und schimpfend das Lokal.

Was nun, grübelt Poe und wendet sich an seine drei gekauften Zeugen. Er hat nicht genug Geld übrig, um in New York City neue Zeugen, die hier teurer sind, zu kaufen. Bleibt nur die Option, die Zeugen des Gegners auszuschalten. Er schickt Neilson los, um auszukundschaften, wo Graham seine Zeugen untergebracht hat. Sie befinden sich auf einem Schiff im Hafen, berichtet Nelson. Und Poe hat auch schon einen Plan für sie.

Es ist spät in der Nacht, als Poe mit seinen drei Zeugen ein Ruderboot zu dem bewussten Schiff lenkt. Es ist ein kleiner Zweimaster, aber er dürfte bewacht sein. Also müssen sie leise sein. Tatsächlich brennt noch eine Lampe an Bord. Sullivan schwimmt an das Heck des Schiffes und klettert an Bord, um die Wache zu überwältigen. Poe rudert zum Bug, um dort ein Loch in die Schiffswand zu bohren. Doch er will das Schiff ja nicht versenken, nein, dafür hat er ja das Fass Petroleum mitgebracht. Er füllt das Öl in die Munitionskammer des Schiffes, setzt die Lunte, zündet sie an und rudert mit Costello und Neilson zum Heck zurück. An Bord ist immer noch Sullivan! Das könnte eng werden, doch sie eilen ihm zu Hilfe und holen ihn an Bord, bevor sie unbemerkt davonrudern.

Kurz darauf wird die Bucht von New York von einer gewaltigen Explosion erschüttert. Sicherlich hat der Gegner nun keine Zeugen mehr, freut sich Poe, als er zurück zu Rick rudert. Doch im Gerichtssaal kommt es am nächsten Tag anders als erwartet…

Mein Eindruck

Als ob der Teufelspakt mit Dr. Templeton nicht schon schlimm genug wäre, sinkt Poe jetzt noch tiefer, indem er Menschen tötet und ein Schiff versenkt. Nicht nur der Teufel Alkohol hat ihn in seinen Klauen, sondern auch noch die Menschenverachtung und das Verbrechen. Von schlechtem Gewissen, wie noch in Folge 36, ist keine Spur mehr übrig. Auch Leonie hat ihn im Stich gelassen, wie es aussieht, und das sagt doch einiges über Poes moralischen Zustand aus.

Wie so oft scheitert auch dieser Plan in dem Desaster, das im Gerichtssaal stattfindet. Verrat wird eben nur mit weiterem Verrat belohnt, das war schon immer so, und Leonie, als Besucherin im Saal, hatte es bestimmt vorausgeahnt. Zusammen mit ihr kann Poe gerade noch die Flucht vor der Justiz ergreifen. Doch auch für diesen Fall scheint entweder Dr. Templeton oder der Verleger Graham vorgesorgt zu haben. Wie als Echo auf seinen Sprengstoffanschlag im Hafen ereignet sich auch jetzt auf Poes Flucht eine Explosion…

Die Sprecher/Die Inszenierung

Mr. Poe

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen. Diese Träume, so erkennt er schließlich, sind Erinnerungen an seine eigenen Erzählungen.

Leonie

Iris Berben „spielt“ in dieser Staffel ein paar kurze Auftritte als Leonie Goron. Wieder erscheint Leonie als eine weltkluge Lady, die sich sehr um ihren Beinahe-Ehemann Poe bemüht. Ob sie ihn je in die Arme wird schließen können?

Musik und Geräusche

Der Sound liegt im Format Dolby Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

Musik

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Allenthalben ist Poes musikalisches Leitmotiv zu hören sowie der Chor „Dies illa, dies irae“, der das Verhängnis – „jenen Tag des Zorns“ – ankündigt. Hinzukommen sehr tiefe, unheilvoll und bedrohliche wirkende Bässe. Sie werden von diversen elektronisch erzeugten Sounds ergänzt, die ich einfach mal der Musik zuschlage. Diese Sounds klingen teils metallisch kalt und bedrohlich, teils bestehen sie aus Rumpeln und Grollen, und das ist ja auch nicht gerade beruhigend.

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein. Rockige Klänge finden Jüngere dann aber in „Offenbarung 23“ und in „Jack Slaughter, Tochter des Lichts“, Lars Peter Luegs neuer Hörspielserie.

Der Song

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „Ligeia“, den Katharina Franck bereits auf der ausgezeichneten CD „Visionen“ beitrug. Die in Portugal und Brasilien aufgewachsene Sängerin und Songwriterin Katharina Franck, wurde mit der Band „Rainbirds“ (1986) bekannt, weiters lieh sie schon zahlreichen Rollen in Hörspielen ihre Stimme und etabliert „gesprochene Popsongs“. Erfand 1996 die „Gesprochenen Popsongs“. Veröffentlichte im Frühjahr 2006 ein neues Album mit dem Titel »First Take Second Skin«. Offenbar erschien kürzlich ihr neues Album „On the Verge of an Autobiography“, denn es wird im Booklet beworben.

„Ich kann mich bei meiner Seele nicht mehr erinnern wie, wann, noch wo ich die Lady Ligeia kennenlernte.“ So beginnt Edgar Poe seine Erzählung »Ligeia«, und dann folgt eine der schönsten und umfassendsten Beschreibungen weiblicher Anbetungswürdigkeiten, die ich seit langem gelesen habe. Ich habe diese arabeske Liebesgeschichte mit nach Marrakech genommen, eine öffnende Stadt, und habe in dem weiten Nichts der Ruinen des El Bahdi Palastes meinen Text geschrieben. Die Musik dazu ist in Berlin entstanden. Ich danke allen Mitwirkenden sehr herzlich, und dem Verlag für das Vertrauen. – Katharina Franck

Franck hat eine dieser glasklaren, aber tiefen Frauenstimmen, denen ich stundenlang zuhören könnte. Wenn sie sänge. Leider rezitiert sie ihren Text, den sie in Marrakesch geschrieben hat, lediglich in Prosa. Immerhin ist diese Lyrik auf ihrem eigenen Mist gewachsen, und es lohnt sich, ihr zuzuhören. Der Refrain, begleitet vom Orchester und gesungen von Franck, reimt sich dann wieder: „Ligeia, komm zurück!“ Es ist ein Ausdruck purer Seelenqual und Sehnsucht. Diese Fassung wurde durch eine andere Begleitung eingängiger, ja, poppiger gemacht.

***Bonus-Track***

Christopher Lee: Ein Traum in einem Traum

Christopher Lee wurde am 27. Mai 1922 in London geboren. Seine Schauspielkarriere begann 1947. Den meisten dürfte der britische Schauspieler als Dracula bekannt sein, den Lee 1958 das erste Mal verkörperte und damit weltberühmt wurde. Noch vor seiner Zeit als Schauspieler war Lee in diversen Opernhäusern zu hören – er genoss eine Ausbildung als Opernsänger. Einige seiner aktuellsten Rollen sind die des Saruman in „Herr der Ringe“ und Count Dooku in „Star Wars“. Insgesamt wirkte Lee in über 250 Filmen mit.

Lee trägt das Gedicht in deutscher Sprache vor und zwar fehlerlos! Als ehemaliger Geheimdienstoffizier beherrscht der Mime mehrere Sprachen fließend. – Wo beginnt der eine Traum, wo hört der andere auf? Ist das Leben nur ein Traum in einem Traum? Poe steht in der Brandung des Küste und kann weder den Wellenschaum festhalten noch die Körner des Strandes. Alles ist vergeblich. Er ruft Gott an, doch der schweigt natürlich hartnäckig. Er hofft, einmal ein einziges Sandkorn festhalten zu können. „Is all that we see or seem but a dream within a dream?“Lees Vortrag berührt denjenigen, der sich auf diese melancholische Stimmung einlässt.

Unterm Strich

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion will sich Poe der Zeugen, die die Gegenseite aufgeboten hat, entledigen. Die Aktion ist lebendig und spannend geschildert und akustisch inszeniert, so dass man fast am Lautsprecher klebt. Der geduldige Zuhörer wird mit einer fulminanten Explosion belohnt. Das Dénouement zu diesem ersten Höhepunkt folgt auf dem Fuße, als die Gerichtsverhandlung ganz anders verläuft als von Poe erwartet. Die anschließende Flucht hält noch einmal eine explosive Überraschung bereit…

Man kann sich über Action nicht beklagen, wie überhaupt die gesamte neunte Staffel auf erfreuliche Weise um Tempo, Spannung und Dramatik bemüht ist, ohne den Poe-Aspekt aus den Augen zu verlieren. Auf ironische Weise dient ein dreimal auftauchender Schäfer als griechischer Chor, um die Handlungsweise Poes zu kommentieren und ihn (und damit auch uns) zu warnen. Dieser Kniff wendet Kritik an der mitunter hanebüchen erscheinenden und an den Haaren herbeigezogenen Handlung ab, als würden die Macher sagen: „Haben wir’s nicht gleich gesagt? Sagt bloß nicht, wir hätten euch nicht gewarnt!“ Und genau das wollten wir, wenn wir ehrlich zu uns sind.

Ausblick

Eine Menge lose Fäden sind mit diesem abrupten Ende der neunten Staffel verbunden, und das lässt darauf schließen, dass es eine Fortsetzung geben wird. So schnell gehen den Machern der Serie die Titel nicht aus. Es fehlen noch eine Reihe von Stories, so etwa „The man that was used up / Der künstliche Mann“, „Der verlorene Atem“, „Das Abenteuer eines gewissen Hans Pfaal“, „The Balloon Hoax“ und „In den Bergen“. Es reicht also locker für eine weitere Staffel. Leider hat sich diese Erwartung nicht erfüllt – mit der 9. Staffel wurde die Serie eingestellt.

Das Hörspiel

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wieviel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode stimmungsvoll und zuletzt surreal und actionreich zu gestalten. Ein Highlight ist für mich die Szene auf dem Wasser des Hafens von New York, als Poe den Sprengstoffanschlag verübt. Das ist minutiös und filmisch wirkungsvoll geschildert und akustisch in Szene gesetzt.

CD: 52 Minuten
ISBN-13: 9783785740033

www.luebbe-audio.de

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