Edgar Allan Poe – Ligeia (Folge 34)

Die Wiedergängerin: Poe auf den Spuren seiner Mutter

Die Hörspiel-Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör. Mit „Ligeia“ beginnt die 9. Staffel innerhalb des großen POE-Epos. Die Vorgeschichte findet man in den vorangegangenen 33 Folgen sowie in dem Roman „Lebendig begraben“, erschienen bei Bastei-Lübbe.

USA um 1851. Der Mann ohne Gedächtnis, einst Insasse eines Irrenhauses und Opfer einer medizinischen Behandlung, weiß nun, wer er ist: Edgar Allan Poe. In seinem Grab ruht ein namenloser Landstreicher. Bei einem Aufenthalt auf dem Lande („Morella“) hat er entdeckt, dass er Eltern und Geschwister hat. Er muss sie finden, um seine Identität doch noch zu beweisen.

Eine erste Spur führt ihn nach Baltimore. Dort stößt er auf einen seltsamen Buchhändler, der etwas zu wissen scheint, aber hartnäckig schweigt. Poe findet in seiner Buchhandlung versteckt eine große Sammlung von Theaterzetteln. Auf ihnen wiederholt sich immer derselbe Name: Elizabeth Poe…

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 33 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: „Die Scheintoten“)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Siebte Staffel (03/2008):
#26: Die Flaschenpost
#27: Landor’s Landhaus
#28: Der Mann in der Menge
#29: Der Kopf des Teufels

Achte Staffel:
#30: Die Feeninsel
#31: Teer und Federn
#32: William Wilson
#33: Morella

Neunte Staffel:
#34: Ligeia
#35: Das Geheimnis von Marie Roget
#36: Der Teufel im Glockenturm
#37: Die Gestalt des Bösen

Das Taschenbuch ist unter dem Titel „Lebendig begraben“ bei Bastei-Lübbe erschienen.

Der Autor

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science Fiction, Short Story. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatl. Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Leonie Goron: Iris Berben
Dr. Templeton: Till Hagen
Schauspieler: Tobias Kluckert
Alter Buchhändler: Rüdiger Kuhlbrot
Passant: Marius Clarén
Ligeia: Karen Schulz-Vobach
Nachtwächter: Carsten Wilhelm

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Mechthild Jackson, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dicky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom STIL Studio verantwortlich.

Das Titelbild

Das monochrome Titelbild, das Simon Marsden (www.simonmarsden.co.uk) geschossen und mit einer speziellen Technik entwickelt hat, zeigt die Statue einer verschleierten Frau, deren geschlossene Lider andeuten, dass sie sich in Trauer befindet. Der Hintergrund wird von spitzen, schwarzen Formen bestritten, die möglicherweise schmiedeeisern sind, vielleicht aber auch Schatten von blattlosen Gewächsen. Ihre schwarzen, harten Konturen bilden einen starken Kontrast zu den hellen, fließenden Linien der Statue im Vordergrund.

Das Motiv der Rückseite ist immer noch das gleiche wie in der ersten Serie: das von leuchtendem Nebel umwaberte ausgebrannte Gemäuer einer alten Abtei, deren leere Fenster den Betrachter ominös anstarren. Die Innenseite der CD-Box zeigt einen spitzbogigen Mauerdurchgang in einem wilden, überwucherten Garten. Der Durchgang könnte die Passage zu neuen, gruseligen Erfahrungen symbolisieren, im Sinne von Aldous Huxleys „doors of perception“.

Das Booklet

Jede CD enthält ein sechsseitiges, schwarz gehaltenes Booklet. Eine kleine Biografie stellt Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Seite zeigt die letzten veröffentlichten CDs. Die vorletzte Seite macht Werbung für Katharina Franck, die den Schluss-Song beitrug. Die vorletzte Seite listet alle Credits auf. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E.A. Poes Werk wieder , das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

Vorgeschichte

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton alias Dr. Baker eingeliefert wurde und jetzt, nach zehn Wochen, entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon 33 Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten.

Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton bzw. Baker darin spielt. Inzwischen gibt Poe überall vor, ein Buch über den 1849 angeblich verstorbenen Dichter zu schreiben. Unter dieser Tarnung versucht er Zeugen zu finden, die seine wahre Identität als Poe bestätigen können.

Handlung

Nachdem Poe und Leonie in Folge 33 einen Hinweis gefunden haben, dass seine Schwester Rosalie in Baltimore leben könnte, reist das Paar in diese Hafenstadt. Seine Suche nach Elizabeth beginnt Poe in einem von drei Buchläden, bei Mr. Nichols. Er ahnt nicht, dass ihm Dr. Templeton, den er in einem tiefen Schacht in New York City getötet zu haben glaubt (Folge 25), bereits wieder auf den Fersen ist. Und in seinen Mitteln ist Dr. T keineswegs wählerisch.

Eine ungewöhnliche Buchhandlung

Die Buchhandlung Nichols erweist sich als sehr seltsam. Riesige Regale voll mit Bänden, die statt Papier nur Holz enthalten. Attrappen! Der alte Mann, der ganz hinten über einem Buch sitzt, ist taub und so müssen sie ihr Anliegen aufschreiben. Der Alte mustert sie und weist sie ab: Er wisse nichts von Poe. Draußen rätseln sie über den Buchhändler – lebt er in einer Scheinwelt? Wie können sie dazu Zutritt erhalten?

Als Poe umkehrt, um nachzuhaken, finden sie das Glas der Ladentür zerbrochen und den alten Mann ermordet in seinem Blut liegen. Sie wissen nicht, dass Dr. Templeton zugeschlagen hat. Während Leonie sofort weg will, liest Poe seelenruhig die Papiere auf dem Tisch: Alle beschäftigen sich mit Elizabeth Poe, seiner Mutter. Sie ist Schauspielerin, liest er begeistert, doch dann fällt sein Blick auf ihre Todesanzeige…

Das Geheimzimmer

Als Menschen in den Laden kommen, befürchtet Leonie, die Leute würden sie für die Mörder des Alten halten, und drängt Poe zwischen die Regale. Sie stoßen auf die Tür zu einem Zimmer, dessen Wände ringsum mit Porträts von Poes Mutter geschmückt sind. Rechtzeitig vor dem Eintreffen der Verfolger findet Poe eine Tapetentür, durch die sie zur Hintertür und von dort auf eine Gasse gelangen. Sie eilen in Sicherheit.

Bei einem in der Stadt gastierenden Wandertheater bekommt Poe vom Direktor weitere Einzelheiten zu hören. Elizabeth Poe und der alte Buchhändler waren dadurch verbunden, dass er sie angehimmelt hat, doch nie einen entscheidenden Schritt tat, um ihr seine Gefühle zu offenbaren. Was hätte sie also tun sollen? Er schenkte ihr lediglich ein Buch von Washington Irving: „Die Legende von Sleepy Hollow“. Ach herrje, eine Gruselgeschichte! Sie erhörte ihn nicht und starb wenig später. Aus Trauer schoss der Verehrer zwei Pistolen an seinen Ohren ab, um taub zu werden und so ihre wunderbare Stimme für immer zu bewahren.

Die Spur führt zurück

Auf dem riesigen Friedhof der Stadt stößt Poe bei der Suche nach Elizabeths Grab auf sein eigenes. Darin liegt bloß ein Landstreicher, weiß er von Dr. Templeton. Zurück an der Friedhofsmauer, hören sie eine leise Stimme: „Sie lebt!“ Man entdeckt sie auf der Straße, und auf ihrer Flucht geraten sie wieder in die Gasse der Buchhandlung. Niemand würde sie hier drin vermuten, oder? Im Privatzimmer des Buchhändlers machen sie eine aufschlussreiche Entdeckung: eine Landkarte mit allen Poes in den Vereinigten Staaten…

Mein Eindruck

Der Auftakt zu dieser neunten Staffel etabliert eine Reihe von Hinweisen, denen die zwei Hauptfiguren in den weiteren Folgen nachgehen können. Nachdem das traurige Schicksal von Poes Mutter geklärt ist, ergibt sich die Spur zu seiner Schwester Rosalie, die in den Bergen lebt. Poe wird sie in der nächsten Episode unter dramatischen Umständen besuchen. Der beiläufig eingestreute Hinweis auf Washington Irvings Roman „Rip Van Winkle“ über ein Tal, das unter dem Namen Sleepy Hollow traurige Berühmtheit erlangen sollte, weist schon daraufhin, was Poe in Rosalies Unterschlupf zu erwarten hat.

Vorerst braut sich in Baltimore aber einiges zusammen. Dr. Templeton ist ihm ebenso auf den Fersen wie diverse Bürger, die ihn des Mordes an dem Buchhändler Nichols verdächtigen. Es scheint immer der arme Poe zu sein, auf den der Verdacht zuerst fällt. Und immer ist er es, dem es erst in letzter Sekunde gelingt, den Häschern zu entschlüpfen…

Der Friedhof

Die Szene auf dem Friedhof ist in mehrfacher Hinsicht bedeutsam. Erstens steht er an seinem eigenen Grab, was für jedes Menschenwesen ein gruseliger Moment sein dürfte. Selbst wenn Poe weiß, dass in dem Grab, wie Dr. T ihm in New York City erzählte, nur ein Landstreicher liegt. Und zweitens flüstert Poe und Leonie eine Stimme aus den Nischen zu: „Sie lebt!“ Natürlich Rosalie, wer sonst? Doch wer könnte ein Interesse daran haben, Poe und Leonie nach Sleepy Hollow zu locken, fragt sich der Hörer. Die Antwort erhalten wir erst in der nächsten Episode: „Das Geheimnis von Marie Roget“.

Warum heißt diese Folge überhaupt „Ligeia“, mag sich der Hörer fragen. Und in der Tat hat er eine ganze Weile auf jenen für Poe charakteristischen Traum zu warten, in dem sich der Träumer an eine seiner besten Geschichten erinnert: an die Geschichte jener Frau, die starb und aus dem Jenseits zurückkehrte, um ihn heimzusuchen.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Mr. Poe

Pleitgen spielt die Hauptfigur, ist also in jeder Szene präsent. Er moduliert seine Stimme ausgezeichnet, um das richtige Maß an Entsetzen, Erstaunen oder Neugier darzustellen. Aber Poe kann auch sehr pragmatisch agieren, und Pleitgen weiß die scharfe Beobachtungsgabe seiner Hauptfigur wie auch dessen Hinterlist ebenso glaubwürdig darzustellen. Sein Poe ist kein hilflos durch die Gassen torkelnder Somnambuler, sondern ein hellwacher Geist, der nur ab und zu unter ein paar Bewusstseinstrübungen leidet, die ihn in Gestalt von Träumen heimsuchen. Diese Träume, so erkennt er schließlich, sind Erinnerungen an seine eigenen Erzählungen.

Leonie

Iris Berben spielt als Leonie Goron alias Sander eine eher unterstützende Rolle, denn dieser Poe tut ja doch nur, was er will. Immerhin verhilft sie ihm als Stimme der Vernunft mehrmals zur Flucht. Doch Leonie hat ihr eigenes Schicksal zu bewältigen, wie sich in der nächsten Folge nur zu deutlich zeigen wird. Karen Schulz-Vobach spricht den Part der Ligeia kompetent, aber nicht weiter bemerkenswert.

Dr. T

Till Hagen spielt seinen Dr. Templeton mit der gebotenen Kaltblütigkeit und Skrupellosigkeit. Dr. T ist eine Art Dr. Frankenstein der Neuen Welt und experimentiert an Gehirnen herum. Die Ergebnisse dieser Versuche sind in seinen Aufzeichnungen festgehalten, doch die besitzt nicht er selbst, sondern ausgerechnet Poe, einer seiner früheren „Patienten“…

Musik und Geräusche

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Geräusche

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Aber sie werden nur ganz gezielt dort eingesetzt, wo sie einen Sinn ergeben. Den Auftakt machen die üblichen Kutschengeräusche, wenn Poe und Leonie von A nach B fahren. In der Buchhandlung und auf den Straßen Baltimores hören wir mehr städtische Geräusche, die aber durchaus auch ländlich anmuten, so etwa mit Hundegebell und Eselsgeschrei. 1851 war Baltimore noch keine Großstadt, sondern ein kleiner, prosperierender Hafen (gerade mal zehn Jahre vor Ausbruch des Bürgerkriegs). Die Geräuschkulisse auf dem Friedhof ist wesentlich gruseliger, besonders wenn das obligatorische Käuzchen schuhut. Lustiger ist der akustische Hintergrund bei der Wanderbühne, wobei es zweimal zu einer eindrucksvollen Explosion kommt – mit den bekannten fatalen Folgen.

Diese untere Schicht von Geräuschen wird von der Musik ergänzt, die eine emotionale Schicht einzieht. Darüber erst erklingen die Stimmen der Sprechen: Dialoge, aber auch Rufe und sogar Schreie. Durch diese Klang-Architektur stören sich die akustischen Ebenen nicht gegenseitig, sind leichter aufzunehmen und abzumischen. Das Ergebnis ist ein klares Klangbild, das den Zuhörer nicht von den Informationen, die es ihm liefert, ablenkt.

Musik

Die Musik erhält eine wichtige Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der jeweiligen Hauptfigur und ihres Ambientes darzustellen. Allenthalben ist Poes musikalisches Leitmotiv zu hören sowie der Chor „Dies illa, dies irae“, der das Verhängnis – „jenen Tag des Zorns“ – ankündigt. Hinzukommen sehr tiefe, unheilvoll und bedrohliche wirkende Bässe. Sie werden von diversen elektronisch erzeugten Sounds ergänzt, die ich einfach mal der Musik zuschlage.

Ein Streichquartett und Musiker des Filmorchesters Berlin wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht. An der Musik gibt es absolut nicht auszusetzen. Für die jüngere Generation mag sie aber zu klassisch orientiert sein.

Der Song

Jede Folge der Serie wird mit einem Song abgeschlossen, und in jeder Staffel gibt es einen neuen Song. Diese Staffel enthält den Song „Ligeia“, den Katharina Franck bereits auf der ausgezeichneten CD „Visionen“ beitrug. Die in Portugal und Brasilien aufgewachsene Sängerin und Songwriterin Katharina Franck, wurde mit der Band „Rainbirds“ (1986) bekannt, weiters lieh sie schon zahlreichen Rollen in Hörspielen ihre Stimme und etabliert „gesprochene Popsongs“. Erfand 1996 die „Gesprochenen Popsongs“. Veröffentlichte im Frühjahr 2006 ein neues Album mit dem Titel »First Take Second Skin«. Offenbar erschien kürzlich ihr neues Album „On the Verge of an Autobiography“, denn es wird im Booklet beworben.

„Ich kann mich bei meiner Seele nicht mehr erinnern wie, wann, noch wo ich die Lady Ligeia kennenlernte.“ So beginnt Edgar Poe seine Erzählung »Ligeia«, und dann folgt eine der schönsten und umfassendsten Beschreibungen weiblicher Anbetungswürdigkeiten, die ich seit langem gelesen habe. Ich habe diese arabeske Liebesgeschichte mit nach Marrakech genommen, eine öffnende Stadt, und habe in dem weiten Nichts der Ruinen des El Bahdi Palastes meinen Text geschrieben. Die Musik dazu ist in Berlin entstanden. Ich danke allen Mitwirkenden sehr herzlich, und dem Verlag für das Vertrauen. – Katharina Franck

Franck hat eine dieser glasklaren, aber tiefen Frauenstimmen, denen ich stundenlang zuhören könnte. Wenn sie sänge. Leider rezitiert sie ihren Text, den sie in Marrakesch geschrieben hat, lediglich in Prosa. Immerhin ist diese Lyrik auf ihrem eigenen Mist gewachsen, und es lohnt sich, ihr zuzuhören. Der Refrain, begleitet vom Orchester und gesungen von Franck, reimt sich dann wieder: „Ligeia, komm zurück!“ Es ist ein Ausdruck purer Seelenqual und Sehnsucht. Diese Fassung wurde durch eine andere Begleitung eingängiger, ja, poppiger gemacht.

Unterm Strich

Diese Folge ist erfreulicherweise von einer Menge Action und grotesken, unheimlichen Szenen gekennzeichnet. Zu den Actionszenen gehören alle Fluchtszenen in und um Nichols’ Buchladen herum, und eine der Fluchten führt das Paar schnurstracks zu einem Wandertheater, das sein Quartier in einer Scheune aufgeschlagen hat. Dies ist insofern eine groteske Szene, als im Hintergrund vernehmlich mit der Beleuchtungsinstallation hantiert wird. Nun sollte man wissen, dass Scheunen im allgemeinen aus Holz gebaut und somit leicht brennbar sind. Der erste Versuch, den „Scheinwerfer“ zu zünden, geht noch glimpflich ab, doch der zweite – glücklicherweise am Ende der Ausführungen des Direktors – setzt das Zelt samt Scheune in Brand. „Sic transit gloria mundi“, von wegen „ars longa“.

Die Erwähnung von Washington Irvings Roman über Sleepy Hollow wirft einen Schatten auf die folgende Episode voraus, und man darf wirklich gespannt sein, ob Poe und Leonie die Begegnung mit dem Killer überleben werden. Nur eines ist sicher: Köpfe werden rollen!

Das Hörspiel

Die akustische Umsetzung ist vom Feinsten, und man merkt in jeder Szene, wieviel Sorgfalt die Mitwirkenden und Macher aufgewendet haben, um die Episode stimmungsvoll und zuletzt surreal und actionreich zu gestalten. Ein Highlight ist für mich die Szene bei der Wanderbühne, als die Beleuchtung explodiert und das Theaterzelt in Brand setzt.

CD: ca. 59 Minuten
ISBN-13: 9783785740002

www.luebbe-audio.de

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