Ellen Sandberg – Das Erbe

Völlig unverhofft macht Mona Lang ein Millionenerbe: Ihre Tante Klara hat ihr nicht nur ein wertvolles Gemälde hinterlassen, sondern ein großes Haus in München-Schwabing inklusive einer großzügigen Wohnung zur Eigennutzung. Doch ihre eigene Familie neidet ihr das Erbe, und ihre Mutter verspricht ihr, dass sie daran keine Freude haben würde.

Mona ist verwirrt: Was meint ihre Mutter damit? Und was bedeutet der merkwürdige Satz im Testament ihrer Großtante, sie würde mit dem Haus das Richtige machen? Beim Aufräumen in der Wohnung entdeckt sie nach und nach immer mehr Hinweise auf die Geschichte des Hauses. Unter anderem verfolgt sie einen Briefwechsel zwischen Klara und ihrer früheren Freundin Mirjam, die während des Zweiten Weltkrieges ohne ihre Eltern nach Großbritannien gekommen ist. Das Haus, das eigentlich Mirjams Eltern gehörte, hatte damals Klaras Vater gekauft. Doch unter welchen Bedingungen? Steht Mona das Haus womöglich nicht zu?

Spannende Spurensuche

Mona ist ein „Gutmensch“ – an Obdachlosen kann sie nicht vorbeigehen, ohne ihnen ein paar Euro zuzustecken und zum 70. Geburtstag ihres Vaters kommt sie zu spät, weil sie auf dem Bahnhof ein gut gefülltes Portemonnaie gefunden hat und dieses zunächst einem Sicherheitsmann übergeben möchte. Weil sie daraufhin den Anschlusszug verpasst, macht sich ihre Familie über ihr Gutmenschentum lustig. Aber auch Klaras Freund Bernd fällt in die Lästereien ein. Als Bernd von Monas Erbe und dem Haus erfährt, gesteht er ihr eine Affäre und trennt sich von ihr. Daraufhin zieht Mona von Berlin zurück in ihre Heimat München und macht es sich in Klaras Wohnung gemütlich.

So sehr sie den neu gewonnenen Reichtum genießt, so unwohl fühlt sie sich dabei. Sie ahnt, dass hinter dem Haus eine Geschichte steckt, die es aufzudecken gilt, die ihr aber möglicherweise gar nicht gefallen wird. So wird das Buch zu einer fast schon kriminalistischen Spurensuche. Da Großtante Klara ein ziemliches Chaos in ihrer Wohnung hat und keinerlei Unterlagen am rechten Ort liegen, findet Mona nur nach und nach die Briefe von Mirjam und kann so auch nur recht langsam die Geschichte rekonstruieren.

Durch den Briefwechsel und auch durch Rückblenden in die 30er- und 40er-Jahre erfährt der Leser sukzessive, was Mirjam und ihrer Familie geschehen ist. Als Juden planten sie nach Machtergreifung der Nazis und Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, nach Amerika auszuwandern. Alles war vorbereitet: Die Schiffspassagen gebucht, die Parfümerie verkauft, und auch das schöne Schwanenhaus in Schwabing an den Nachbar verkauft. Doch dann werden Mirjams Eltern von den Nazis verhaftet und Mirjam muss alleine nach England fliehen.

Mirjam und Klara halten über die Jahre den Kontakt. Doch sehen sie sich jemals wieder? Und was ist aus Mirjams Eltern geworden? Wie kam es damals zum Verkauf des Hauses? Dies sind die Fragen, um die sich das ganze Buch dreht.

Ellen Sandberg erzählt mit vielen Perspektivwechseln und Zeitsprüngen die Geschichte des Schwanenhauses und dessen Bewohnern. Und obwohl das Buch kein Krimi ist, kann man es schon bald nicht mehr aus der Hand legen, weil man unbedingt herausfinden muss, was damals geschehen ist und wer die rechtmäßigen Eigentümer des Hauses sind. So fiebert man gespannt mit und fliegt nur so über die Seiten.

Das Gutmenschentum

Mona Lang ist als Gutmensch bekannt, doch als sie droht, das Haus zu verlieren, erkennt sie, wie bequem der neu gewonnene Reichtum ist und dass sie sich eigentlich gar nicht von dem Haus trennen möchte. Kann ihre gute Seite trotzdem gewinnen? Sie befindet sich in einer Zwickmühle – und der Leser ist stets an ihrer Seite, wenn sie die wichtigen Entscheidungen treffen muss.

Der einzige Kritikpunkt sind aus meiner Sicht die allzu sehr schwarz-weiß gezeichneten Charaktere: Da wäre auf der einen Seite Mona Lang, die es in ihrem Leben nicht leicht gehabt hat, die im ständigen Zwist mit ihrer Familie liegt, die dann noch von ihrem langjährigen Freund betrogen und schlussendlich verlassen wird, und die aber trotzdem an das Gute im Menschen glaubt. Auf der anderen Seite steht die gierige Familie, die nur deswegen wieder auf Mona zugeht, weil sie sich dadurch finanzielle Vorteile erhofft.

Diese Gegensätze waren mir zu stark und zu wenig differenziert, um wirklich glaubwürdig zu sein. Mitunter erscheint Mona Lang auch allzu naiv, da irgendwann schon klar ist, dass ihre Familie sie nur ausnutzen möchte. Schlussendlich erfährt man dann auch noch ein pikantes Detail aus ihrer Vergangenheit, das eigentlich auch nicht mehr notwendig gewesen wäre. Mir was das zu viel Drama, zumal der Fokus des Buches ja gar nicht auf Mona, ihren Geschwistern und Eltern liegt, sondern auf Klaras und Mirjams Leben und auf der Geschichte des Hauses.

Haus mit Vergangenheit

Unter dem Strich ist „Das Erbe“ dennoch ein unglaublich spannendes Buches, das man schon nach wenigen Kapiteln kaum noch aus der Hand legen mag und das einen vollkommen in den Bann zieht. Die Geschichte des Hauses überrascht natürlich am Ende niemanden mehr, auch wenn Ellen Sandberg dennoch ein paar Überraschungen parat hat, mit denen man nicht gerechnet hat.

Der Spannungsbogen sowie der Wechsel zwischen Zeiten und Perspektiven sind sehr gut gelungen und auch die Geschichte des Schwanenhauses konnte mich überzeugen. Mir hätten etwas differenziertere Charaktere besser gefallen, aber das trübt den Gesamteindruck nur minimal.

Taschenbuch: 512 Seiten
ISBN-13: 978-3328106357
Penguin Verlag

Der Autor vergibt: (4/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)