Liebesabenteuer in der Oase Siwa
Vanna, die exotisch-schöne, mehr als andere der Liebe fähige junge Frau, unternimmt furchtlos, nur sich selbst und ihrer Freiheit verpflichtet, das „Wagnis des großen Glücks“. Durchaus nicht zufällig trifft die Archäologin in Kairo einen verwöhnten, gelegentlich launischen, sinnlichen Mann aus Mailand.
Sie verfallen einander bei der ersten Begegnung. Gemeinsam erkunden sie das weite Reich des Eros, tauchen ein in die Verlockungen der ägyptischen Nacht, genießen die Reize, die lange Verfeinerung einer alten Kultur den Sinnen gewährt. Doch beide lockt die ferne Insel der Fruchtbarkeit in der Wüste, wo geheimnisvolle Mächte am Werk sind. (Verlagsinfo)
Die Autorin
Emmanuelle Arsan (* 1932 in Bangkok; eigentlich Marayat Rollet-Andriane, geborene Bibidh; † Juni 2005) war eine französische Schriftstellerin thailändischer Herkunft, die als Autorin der Emmanuelle-Romane sowie der nach diesen Romanen gedrehten Filme weltweit bekannt wurde. Nach ihrem Tod wurde ihre Autorenschaft in Frage gestellt; in Wahrheit soll ihr Mann, der Diplomat Louis-Jacques Rollet-Andriane, der Autor gewesen sein. Mehr Info: . (Wikipedia.de)
Werke (Originalausgaben)
Emmanuelle – Eric Losfeld (klandestine Ausgabe), 1959, 308 S.
Emmanuelle L’Anti-vierge – Eric Losfeld (klandestine Ausgabe), 1960, 356 S.
Emmanuelle Livre 1 – La leçon d’homme – Paris, Eric Losfeld, Le Terrain Vague, 1967, 232 S.
Emmanuelle Livre 2 – L’anti-vierge – Paris, Eric Losfeld, Le Terrain Vague, 1968, 296 S.
Epître à Paul VI (Lettre ouverte au pape, sur la pilule) – Paris, Eric Losfeld, 1968
Emmanuelle Livre 3 – Nouvelles de l’érosphère – Paris, Eric Losfeld, Le Terrain Vague, 1969, 215 S.
Dessins érotiques de Bertrand vol. 1- Pistils ou étamines, une liesse promise – Paris, Eric Losfeld, 1969
Dessins érotiques de Bertrand vol. 2 – Paris, Eric Losfeld, 1971
Mon „Emmanuelle“, leur pape, et mon Eros – Paris, Christian Bourgeois, 1974, 219 S.
Emmanuelle Livre 4 – L’hypothèse d’Eros – Paris, Filipacchi, 1974, 287 S.
Emmanuelle Livre 5 – Les enfants d’Emmanuelle – Paris, Opta, 1975, 317 S.
Laure – Paris, Pierre Belfond, 1976, 312 S.
Néa – Paris, Opta, 1976, 264 S.
Toute Emmanuelle – Paris, Pierre Belfond, 1978, 224 S.
Vanna – Paris, Pierre Belfond, 1979, 315 S.
Emmanuelle à Rome – Toulouse, Livre d’Oc, 1979, 280 S.
Une nuit (Sainte louve) – Paris, Pierre Belfond, 1983, 352 S.
Les soleils d’Emmanuelle – Paris, Pierre Belfond, 1988, 264 S.
Emmanuelle – Paris, Robert Lafond, 1988. Version définitive
Les Débuts dans la vie – Paris, Le Grand Livre du mois, 1989, 191 S.
Valadié – Paris, Editions Lignes, 1989, 190 S.
Chargée de mission – Paris, Pierre Belfond, 1991, 201 S.
Bonheur – Les Cahiers de l’Egaré, 1993, 91 S.
Aurélie – Paris, Pierre Belfond, 213 1994, S.
La siamoise nue – Paris, Le Cercle, 2003, 552 S.
Die Reihe in deutscher Übersetzung:
• „Emmanuelle oder die Schule der Lust“ Arsan, Emmanuelle: Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1971, Neuaufl. 1995, ISBN 3-499-11825-4
• „Emmanuelle oder der Garten der Liebe“ (Emmanuelle L’Anti-vierge ); Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1976 und 2001, ISBN 3-499-26346-7
• „Emmanuelle oder die Kinder der Lust“ Arsan, Emmanuelle; Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1995, ISBN 3-499-14014-4
• „Emmanuelle oder die Liebe zur Kunst“ Arsan, Emmanuelle; Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 1989, ISBN 3-499-12608-7
• * (ein Essay-Band) „Von Kopf bis Fuss Emmanuelle“ Arsan, Emmanuelle; Reinbek bei Hamburg : Rowohlt, 2002, ISBN 3-499-26394-7
Über die Auftritte der Figur Emmanuelle hat die deutsche Wikipedia einen umfangreichen Artikel, der alle Filme auflistet.
Handlung
Vanna ist mit ihrer Geliebten Mija nach Kairo gekommen. Sie ist Archäologin und in der Nähe der Pyramiden in ihrem Element, leider aber auch ein wenig pleite. Daher nimmt sie Gelegenheitsjobs wie etwa als Fremdenführerin an. Vanna stammt aus einer katalanischen Familie, doch ihr Vater ist schon vor rund 20 Jahren verschwunden, und nur Mutter Inez ist noch für die 27 Jahre alte Vanna da. Die einheimischen Schülerin Mija ist mit 13 Jahren wesentlich jünger als ihre Geliebte, und am nächsten Morgen gehorcht sie jeder von Vannas Bitten, sie zu lieben und zu lecken, bis eine von beiden das Bewusstsein verliert.
Der Ingenieur
Sie lernt durch ihren italienischen Freund Renato den Abenteurer Guido Andreotti aus Mailand kennen, einen verwöhnten, gelegentlich launischen, sinnlichen Mann aus Mailand, der stets in einem Hilton-Hotel zu logieren pflegt. Als sie die Hotelbar betritt, indem er einen Drink genießt, lässt sie ihn gleich merken, dass sie kein Höschen trägt – und einen BH schon gleich gar nicht.
Er will sie für eine Erkundungstour in die geheimnisvolle Oase Siwa engagieren, doch leider liegt Siwa mitten in der Wüste, wie sie einwendet, nämlich 800 km weit im Westen. Will sie denn nicht das Unbekannte erforschen, fragt er zurück. Ihr Ehrgeiz ist geweckt. Bei einem Tanz in der Disco kommen sie einander näher, doch er hält nichts davon, sich einen Handjob verpassen zu lassen, sondern nimmt sie mit auf sein Zimmer. Doch erleben sie eine heiße Sexsession, bei der sie bewusstlos wird. Sie erweist sich als dankbar, wie er befriedigt feststellt.
Ein Rivale
Vanna will mit Guido alles teilen, und dazu gehört auch ihre Freundin Mija. Die junge koptische Christin kennt ebenfalls keine Hemmungen, was das Verwöhnen von Männern angeht. Etwas störend findet Guido jedoch das Auftauchen des Griechen Nikos, der ihm als jüngerer Rivale Konkurrenz machen könnte. Doch Nikos verwöhnt ebenfalls Guido, so dass der sich über einen ausbleibenden Orgasmus nicht beschweren kann, ganz im Gegenteil.
Die Spinne
Guido will die Oase Siwa besuchen, denn dies ist ein besonderer Ort, sagt er Nesrin Adly, einem hohen Ministerialbeamten. Erstens scheint dort immer noch der altägyptische Kult um Ammon Ra lebendig zu sein. Deswegen besuchte ihn einst Alexander Große. Zweitens scheint dort durchgehend Homosexualität praktiziert zu werden. „Und Ihr Interesse als Ingenieur?“, fragt Adly. Sicherlich die Architektur, die Kultur. Hier gerät Guido in schweres Fahrwasser.
Zudem outet sich der Regierungsbeamte Adly als der „beste Freund“ von Nikos Andreou, dem Lover Guidos, und obendrein als ehemaliger Schulkamerad von Vannas Vater Selim. Von dem Vanna behauptet hatte, er sei tot. Dieser Adly sitzt wie eine alte Spinne in einem umfassenden Netz und er hat Guido in der Hand. Der müsse eben warten, bis alles genehmigt sei: Niemand könne sofort mitten in die Wüste fahren, um Gott weiß was zu tun.
Der Vater
Deshalb muss sich Guido mit Adlys Anweisung anfreunden, dass Vanna, die Archäologin und Tochter seines alten Schulkameraden Selim, Guido begleitet. Als was genau, kann Vanna selbst nicht sagen: als Guide, als Hure, als Sucherin? Denn sie ist selbst aus allen Wolken gefallen, als Adly ihr mitteilte, dass ihr Vater Selim immer noch am Leben sei und in der Oase Siwa lebe. Sie dachte, ihr Vater habe sie und ihre Mutter verlassen, als sie, Vanna, gerade mal zwei Jahre alt war. Nun gleicht ihr Gefühlsleben einer Achterbahn. Das Wiedersehen mit Selim soll Klarheit und Ausgeglichenheit bringen. Zusammen machen sie sich auf die 800 Kilometer weite Reise durch das Sandmeer…
Mein Eindruck
Getrennt sucht das Paar nach neuen Eindrücken in der uralten Wüstenstadt, die für ihr Orakel schon zu Alexanders Zeiten bekannt war. Höhepunkt der Suche der beiden ist die Hochzeitsnacht zwischen Taha und der schönen Ilytis. Wie sich herausstellt, sind die beiden Schwester und Bruder. Das beruht auf der Sitte der alten Ägypter, die Verwandten der Pharaonen miteinander zu verheiraten. In vielem erweist sich Siwa als die unverfälschte Erbin des alten Ägypten.
Darin liegt aber auch das Geheimnis seiner Bewohner, das Guido und Vanna zu ergründen hoffen: Wie kann diese aus der Zeit gefallene Bevölkerung ihre Eigenart bewahren und an ihre Nachkommen weitergeben? In einem wissenschaftlichen und politischen Dialog zwischen Nesrin Adly und Guido Andreotti wird versucht, dieses Rätsel in einer Art sokratischen Dialog zu ergründen, doch Adly spielt unfair: Er unterstellt Guido, der geheime Agent eines europäischen Konzerns zu sein, der neue Drogen herstellen will. Guido sei gar kein Ingenieur, sondern in Wahrheit ein Chemiker.
Es gehe, so Adly, um Neuropsychopharmakologie, und Guido bzw. seine Auftraggeber seien an dem neuronalen Botenstoff Acetylcholin interessiert. Dieser übermittelt Nervensignale zwischen Nervenzellen an jenen Stellen, die Synapsen genannt werden. Acetylcholin ist also sehr wichtig, und ein Mangel führt schon bald zum Hirntod. Diesesr Botenstoff sei bei den Siwa-Bewohnern in einer speziellen Variante zu finden, die sie befähige mit allen anderen Menschen – ebenso wie diversen Eroberern – harmonisch auszukommen.
Adly behauptet nun, Guidos Auftraggeber wollten eine Variante herstellen, die er als „E.A. 12“ bezeichnet. Sie habe die Eigenschaft, ihren Träger mit Liebe für alle Menschen zu erfüllen – und via Pheromone ihrerseits Liebe in anderen zu erwecken. Wie zu erwarten, gibt Guido nichts dergleichen zu. Vielmehr hegt er den Verdacht, Adly habe sich selbst schon eine größere Kostprobe dieses EA12 besorgt. Was natürlich Adly zurückweist.
Ganz anders hingegen Vanna. Völlig eigenständig besucht sie Adly im letzten Kapitel „Die Schöne ist gekommen“ – ein direkter, aber auch ironischer Verweis auf Pharao Echnatons Königin Nofretete. Sie fordert von ihm sein Fläschchen EA12. Wie sie auf dessen Existenz gekommen sein mag, daran kann ich mich nicht erinnern. Vielleicht hat es ihr ihr Vater Selim verraten. Jedenfalls gerät Adly in ihren Bann und händigt ihr die Phiole mit EA12 aus. Draußen auf der Straße in Kairo überlegt, wie sie die Wirkung des Wundermittels am besten ausprobiert…
Viele Leser dürften sich, wie ich, an Patrick Süßkinds verfilmten Bestseller „Das Parfum“ erinnert fühlen. Die konkrete Sachlage ist nur wenig anders, aber im wesentlichen die gleiche: Ein Wundermittel könnte das Zusammenleben unter den Menschen revolutionieren und zum Besseren wenden.
Die Übersetzung
S. 38: „Banalität und Routine des heterokopulofellatisodomomasturbosexuellen Paares“: Bloß das nicht, denkt sich Vanna bei Betrachtung ihres Spiegelbildes. Ein einfallsreicher Neologismus, aber was soll das „iso“ in der Mitte? Streicht man das S, dann wird ein „fellatio“ draus, und das passt in die Reihe.
S. 47: „zuzückzuziehen“: Eine Menge Z’s, aber eines davon ist definitiv zuviel.
S. 81: „unserer embroyonalen Existenz”: Der Übersetzer Jürgen Abel hatte wohl so seine Probleme mit Fremdwörtern. Hier soll es wohl „embryonalen“ heißen.
S. 91: “verständnissinnig”: Korrekt sollte es „verständnis-innig“ heißen, denn das Verständnis ist „innig“, nicht „sinnig“.
S. 116: „la[n]zettförmigen…”: Das N fehlt.
S. 120: „Vaffanculo!“ Eine sehr unfeines italienisches Schimpfwort, das Guido da benutzt.
S. 131: “Kapitäle aus Schlangenstein und Obsidian“: Vielleicht sind „Kapitelle“ gemeint, also die oberen Ziersteine von Säulen?
S. 134: “perzte das Gesäß”: Streckte es hervor.
S. 153: “En[t]spanntes Lächeln“: Das T fehlt.
S. 160: „Honorationen“ statt „Honoratioren“.
S. 180: „feinges[p]onnene Verschwörung“: Das P fehlt.
S. 189: „mit letz[t]er Sicherheit“: Das zweite T fehlt.
S. 191: „Finden Sie nicht, das[s] Schimäre passender gewesen wäre?“ Das zweite S fehlt.
S. 196: „Repupblik“: Das zweite P ist überflüssig.
S. 198: „In welcher dieser Stadien befinden sich Ihrer Meinung nach die Siwa?“ Wenn „Stadium“ aber ein Neutrum ist, muss es „in welchem“ heißen.
S. 210 : „Sachlic[h]keit“: Das H fehlt.
S. 211: „Die Schöne ist gekommen“ (Kapitelüberschrift): Dies ist die alte Bedeutung des Namens von Königin Nofretete.
Unterm Strich
Wer Arsans (oder Rollets?) Liebesromane kennt, dass es darin immer wieder um Utopien geht. Ihre Heldin Emmanuelle findet die Liebe erst im Dreieck, dann in der Gruppe und in der Gesellschaft, und Laura findet sie in einer Gruppe in der Südsee. Siwa ist mindestens genauso exotisch und sich fügt genau in dieses Strickmuster ein. In dieser großen, entlegenen Oase scheint sich der Himmel auf Erden zu befinden. Steckt das EA12 dahinter? Also die Mutante eines in jedem Menschen vorkommenden Botenstoffes namens Acetylcholin?
Begrenzte Erotik
Der Roman ist recht kurzweilig zu lesen, wenn auch die Sprache erheblich anspruchsvoller ist als etwa bei den Roman des galanten Zeitalters Ende des 18. Jahrhunderts. Ich habe für die Lektüre dieses Nachttischbuches etwa ein Jahr gebraucht, denn ich schaffte immer nur etwa zehn Seiten. Von Spannung kann keine Rede sein, und auch der Sex findet sich nur am Anfang, also bis zur Orgie nach der Party bei Nesrin Adly.
In Siwa
Der Aufenthalt in Siwa ähnelt mehr der Suche nach einer spirituellen Erkenntnis, als kämen die Beatles wie weiland anno 1967 erneut nach Rishikesh zum Guru. Es sind aber nur zwei Europäer auf der Suche nach Frieden und Harmonie, und einen Guru finden sie dort nicht vor. Nur besondere Menschen, die ein wenig doppelbödig erscheinen. Sind alle, was sie zu sein vorgeben? Guido erlaubt sich ein paar freche Späße, Vanna gerät aus dem Blickfeld, denn sie ist Guido gegenüber kritisch eingestellt: ein Freigeist in jeder Hinsicht. Schade eigentlich, dass die ausgerechnet die Titelfigur so wenig Konturen aufweist.
Agenten unter sich
Ob nun der Roman wenigstens als eine Art sehr langsamer, actionloser Agentenroman eignet, darf getrost verneint werden. Alle Verdachtsmomente werden in dem erwähnten 30 Seiten langen Dialog zwischen Adly und Guido aufs tapet gebracht, doch nichts wird bewiesen, und Konsequenzen gibt es auch keine. Erst Vanna erhält den MacGuffin: eine Phiole mit dem Wundermittel EA12, das einen permanenten Liebesrausch in seinem Konsumenten verursachen soll. Die Folgen soll sich der Leser gefälligst selbst ausmalen, dachte sich wohl die Autorin – und verursacht einen Cliffhanger à la „Das Parfum“.
Für die unzähligen Druckfehler gibt es Punktabzug.
Taschenbuch: 220 S.
O-Titel: Vanna, 1979
Aus dem Französischen von Jürgen Abel.
ISBN-10: 3499151456
Der Autor vergibt: