Eric Van Lustbader – Beloved Enemy (Jack McClure 5)

Der amerikanische Minister für Heimatschutz ist ermordet worden und alle Indizien deuten darauf hin, dass sein Freund und Mitarbeiter Jack McClure dafür verantwortlich ist. Die konkurrierenden Behördenleiter von CIA, FBI usw. setzen Leute in Marsch, um McClure nicht etwa zu fassen, sondern zu eliminieren.

McClure muss schleunigst das Land verlassen und versuchen, sich mit Hilfe eines Terroristenhelfers namens Pjotr Legere von dieser Anschludigung reinzuwaschen. Doch wer ist der wahre Mörder? Es muss ein Maulwurf sein, der ganz oben in der Hierarchie der US-Behörden sitzt. Eine junge Frau betätigt sich als Lügendetektor…

Der Autor

Eric Van Lustbader, geboren 1946, ist der Autor zahlreicher Fernost-Thriller und Fantasyromane. Er lebt auf Long Island bei New York City und ist mit der SF- und Fantasylektorin Victoria Schochet verheiratet. Sein erster Roman „Sunset Warrior“ (1977) lässt sich als Science-Fiction bezeichnen, doch gleich danach begann Lustbader, zur Fantasy umzuschwenken.

1980 begann Lustbader mit großem Erfolg seine Martial-Arts & Spionage-Thriller in Fernost anzusiedeln, zunächst mit Nicholas Linnear als Hauptfigur, später mit Detective Lieutenant Lew Croaker: The Ninja; The Miko; White Ninja; The Kaisho usw. Zur China-Maroc-Sequenz gehören: Jian und Shan; selbständige Werke sind: Black Heart; French Kiss; Angel Eyes und Black Blade. Manche dieser Geschichten umfassen auch das Auftreten von Zauberkraft, was ihnen einen angemessenen Schuss Mystik beimengt.

Die Kundala-Trilogie ist Fantasy: „Der Ring der Drachen“, „Das Tor der Tränen“ und „Der dunkle Orden“. Da diese Fantasy ebenfalls in einem orientalisch anmutenden Fantasyreich angesiedelt ist, kehrt der Autor zu seinen Wurzeln zurück, allerdings viel weiser und trickreicher. Kürzlich hat er noch einmal eine Wendung vollziehen und schreibt nun die Thriller seines verstorbenen Kollegen Robert Ludlum fort, so etwa „Die Bourne-Verschwörung“. 2007 erschien der Mystery-Thriller „Testamentum“ in der Art von Dan Browns „The Da Vinci Code“. Danach veröffentlichte Lustbader Fortsetzungen von Robert Ludlums BOURNE-Serie.

Die Jack McClure-Serie

1) First Daughter
2) Last Snow
3) Blood Trust
4) Father Night
5) Beloved Enemy

Handlung

Jack McClure, der Agent und Freund des Heimatschutzministers Dennis Paull, sitzt spätabends noch mit diesem zusammen, um über die Ereignisse, die vor einem Jahr in Moskau und Rom stattfanden, zu beraten. Es geht aber auch um eine supergeheime Aktion namens „Atlas“, die dazu dient, Spione in die Reihen der Al-Kaida-Kämpfer auf der Arabischen Halbinsel einzuschleusen. Paull ist verständlicherweise besorgt. McClure ist der vorletzte Mensch, der Paull lebend sieht – der letzte ist sein Mörder.

Es ist die Polizeikommissarin Nona Heroe, die McClure die Flucht aus Washington, D.C. ermöglicht und zum Flughafen bringt. Dort wartet bereits eine Frachtmaschine auf ihn, aber nur noch Minuten. Er schafft es gerade noch in letzter Sekunde, an Bord zu gehen: Washington, D.C. ist von sämtlichen Sicherheitsbehörden hermetisch abgeriegelt worden.

US-Präsident Crawford will kein Aufsehen erregen: Wenn es jemandem gelungen ist, an Paull heranzukommen, dann ist in der Regierung niemand mehr sicher. Wenn es McClure nicht war, dann muss der Maulwurf ganz weit oben sitzen, mit einer Sicherheitsfreigabe, die sich nun als extrem gefährlich herausstellt.

So mancher Minister kocht aber sein eigenes Süppchen und ergreift die Chance, alte Rechnungen zu begleichen und Lorbeeren einzuheimsen. Einer der Behördenleiter setzt den Profi-Killer Redbird auf McClure an. Er soll ihn in Bangkok abfangen. Dort beginnt schon bald die Luft zu brennen…

Unterdessen

Der CIA-Chef Krofft betraut Jonatha Midwood mit der heiklen Aufgabe, den Maulwurf zu finden, der bis zu Dennis Paull vordringen und seine Spuren verwischen konnte. Die junge Frau ist ein wandelnder Lügendetektor. Leider wird sie aufgrund ihrer eigenartigen Methoden nicht ernstgenommen. Die Chefs von Militärgeheimdienst, FBI, der vorläufige Heimatschutzminister, ja, sogar der Präsidentenberater für nationale Sicherheit versuchen ihre Arbeit zu sabotieren. Letzterer hat sogar Fakten ausgegraben, die gegen sie sprechen, weil sie einen straffälligen Liebhaber treffe. Und als sie auch noch die lesbische Pressesprecherin des Präsidenten brüskiert, eskaliert die Situation in Washington, D.C. – genau das was sie beabsichtigt hat…

Türkei / Marokko

Annika Dementieva, Jack McClures Ex-Geliebte, ist jetzt mit dem Terroristen Iraj Namazi zusammen, besser bekannt als „Der Syrer“ (obwohl er Iraner ist). Seit seine Hackerin Caroline Carson (siehe „Father Night“) desertiert ist, kommt er nicht mehr an seine Bankkonten heraus und muss mit schäbigem Bargeld vorliebnehmen. Der Mann traut auch Annika, seiner Geliebten und Partnerin, nicht und folgt ihr in eine Klinik, die in einem Kloster am türkischen Ufer des Schwarzen Meeres liegt.

Gegen ihren Willen befreit er Rolan, Annikas Mann, aus dem Hospital und entzieht den psychisch schwerkranken Mann der ärztlichen Fürsorge: Er nennt das eine Befreiung. In Wahrheit will er gegen Annika ein Druckmittel in der Hand haben. Doch der Schuss geht nach hinten los: Rolan ist, wenn nicht unter Medikamenten, ein Psychopath. Er hat bei einem Anschlag des Syrers in Aleppo eine schwere Kopfverletzung davongetragen und ist nun völlig unzurechnungsfähig – für alle außer Annika, die er immer noch erklennt. Als Annika auf dem jüdischen Friedhof von Fes, Marokko, angegriffen wird, schlägt Rolan gnadenlos zu…

Doch mit Rolans Hilfe muss Annika erkennen, dass ihr geliebter Großvater Dyadya Gourdjieff keineswegs ihr Bestes im Sinne hatte, sondern sie lediglich al Schachfigur in seinem großen, weltweiten Spiel benutzt hat. Der einzige Mensch, der ihr noch helfen kann, ist Jack McClure. Und der hat gerade alle Hände voll zu tun, in Bangkoks turbulenter Unterwelt zu überleben…

Mein Eindruck

Das erste, was einem an diesem McClure-Abenteuer auffällt, ist die Abwesenheit einer Figur, die bisher neben McClure im Mittelpunkt stand: Allison Carson glänzt durch Abwesenheit, angeblich weil sie sich auf einer Mission als Agentin befindet. Jedenfalls spielt sie hier keine Rolle, ebenso wenig Vera Bard, ihre Cousine, die sich doch in „Father Night“ noch so wacker schlug, um Alli zu verteidigen.

Lediglich Veras Halbschwester Caroline Carson, die Hackerin mit dem Decknamen „Ripley“ (genau, nach Lt. Ellen Ripley, der letzen Überlebenden der „Nostromo“), hat etliche Aufgaben zu bewältigen. Sie ist die ehemalige Hackerin des „Syrers“, eines Händlers des Terror, und ist infolgedessen untergetaucht. Als sie eine Firewall zuviel durchdringt, wird sie sichtbar – und prompt Ziel eines Anschlags.

Caro gehört zu den Helfern der Polizistin Nona Heroe, die wiederum eine Freundin von Jonatha Midwood ist. Diese Linie führt direkt ins Machtzentrum der USA – und somit ins Herz der Finsternis, in der sich der Maulwurf versteckt. Dessen Identität wird erst erkennbar, als er einen Fehler begehrt und ein Opfer fordert, das Jonatha nahesteht. Doch wer kann schon einem Behördendirektor im Rang eines Ministers am Zeug flicken, es sei denn, man hätte handfeste Beweise vorzulegen? Jonatha, die mich ein wenig an Clarice Starling erinnert, lebt fortan ins Todesangst.

An dieser Stelle kommt Jack McClure ins Spiel. Er folgt einem losen Ende, die Dennis Paull für ihn aufgedeckt hat. Der Name dieses losen Endes lautet Leroy Connaston. Der Engländer ist ein Schattenkrieger wie Jason Bourne: Vordergründig arbeitet er für Dennis Paull und dessen Mann Pjotr Legere, doch insgeheim verdient er sein Geld mit Arbeit für den Syrer – oder für dessen Partner Gourdjieff.

Die Hölle von Bangkok

Da Gourdjieff seit einem Jahr tot und Annika, seine Enkelin und Erbin, zum Syrer übergelaufen ist, muss sich Jack selbst auf die Socken machen, um in Bangkok Cannistons Spur aufzunehmen. Da ich 1993 selbst mal in Bangkok war (nur für zwei oder drei Tage), kann ich absolut bestätigen, wie der Autor diesen 10-Millionen-Metropole beschreibt. Allein schon die Beschreibung der Luft ist klasse: eine suppige Brühe, die aus Dünsten, Abgasen und Verbranntem zusammengesetzt ist und jeden Besucher schwindelig macht. Die Straße sind verstopft von Minitaxis, Mopeds, Straßenhändlern und Touristen, die verrückt genug sind, sich durchs Gewühl drängeln zu wollen.

Schon nach wenigen Stunden hat Jack alle Hände voll zu tun, sich a) gegen eine flinke Attentäterin zu wehren und b) seine Kontaktfrau zu beschützen, die Cannistons Geliebte war – oder seine Lieblingshure, je nach Standpunkt. Hinzukommt, dass Canniston selbst ins Visier des Profikillers mit dem witzigen Codenamen „Redbird“ gerät. Es grenzt an ein Wunder, dass es Jack lebend aus Bangkok herausschafft. Aber er muss erkennen, dass das ach so beschauliche und solide Zürich, wo er Legere vermutet, keinen Deut weniger gefährlich ist: Eingesperrt in eine Sonnenbank wird er langsam gegrillt…

Fluchtpunkt Schweiz

Ab diesem Zeitpunkt, etwa nach der Hälfte des Buches, beschlich mich das unheimliche Gefühl, als ob der tote Gourdjieff immer noch die Fäden ziehen würde, an denen die Figuren hängen. Wie von einem Magneten angezogen bewegen sich Jack, Annika, der Syrer, Anikas Ehemann Rolan, ihr Halbbruder Radomil zu einem gemeinsamen Ziel, das am westlichen Rand der Schweiz in den Bergen liegt, quasi die Halle des Bergkönigs.

Hier hat Giles, der Vater des in Zürich unbesungen verblichenen Pjotr Legere, sein Domizil – und hoffentlich auch das Vermächtnis von Dyadya Gourdjieff: Es kommt zu einem bleihaltigen und actionreichen Showdown auf dem Dach des Chalets. Gleichzeitig kämpfen der Syrer und Jack um das Herz von Annika – bis aufs Blut.

Raubkunst, Kunsträuber

Nicht so toll fand ich allerdings den Einfall, dass Giles Legere seine Millionen machte, indem er Beutekunst, die die Nazis einst aus ganz Europa zusammenrafften, mit Hilfe seiner Frau Galina aus Moskauer Verstecken, Museen und Archiven (der Goldschatz der Wettiner wird immer noch in St. Petersburg ausgestellt!) freizukaufen und die Meisterwerke im kunstgeilen Westen meistbietend versteigern zu lassen. Legere ist unschwer als die fiktionalisierte Version des Münchner Sammlers wiederzuerkennen, der unter den Nazis mit dem Rauben und Verwerten von Nazi-Beutekunst betraut war: Gurlitt. Man sieht: Der Autor ist auf der Höhe der Zeit.

Geliebter Feind?

Nun müssen sich noch Annika und Jack zusammenraufen und dem Buchtitel gerecht werden: Sind sie liebende Feinde oder doch nur Marionetten an den Fäden eines toten Puppenspielers? Aufschluss darüber geben mehrere Szenen, in denen sich die beiden näher als nah kommen. Das ist ganz schön sexy zu lesen, und die auch Dialoge können sich sehen lassen. Aber es bringt den Leser der Lösung des Rätsels um Annikas Loyalität keinen Deut näher. Eine letzte Expedition muss darüber Aufschluss geben. Aber mehr sei hier nicht verraten: Es ist ein echter Indiana-Jones-Moment.

Schwächen

Diesmal schreibt der Autor nicht mehr ISP-, sondern korrekt IP-Adresse. Dafür macht er andere, teils kolossale Fehler. So behauptet er etwa auf S. 179, dass Zürich vor 7000 Jahren von den Römern (!) gegründet worden sei. Jeder Historiker fasst sich bei dieser Angabe an den Kopf. Die Römer gründeten Rom (der Legende nach) erst im Jahr 753 v. Chr., Zürich war erst viel später dran.

S. 198: „Started to effect his eyes“ ist falsches Englisch. Es muss korrekt „affect“ (schädigen, beeinträchtigen) heißen.

S. 329: „What a great effort, Annika held back her tears.“ So ergibt der Satz keinen Sinn, aber wenn man „What“ durch „With“ ersetzt, wird ein Schuh draus. Das ist ein klassischer Flüchtigkeitsfehler, und ich wundere mich, dass der Korrektor oder die Korrektursoftware, der bzw. die doch sonst so saubere Arbeit leistete, diesen Fehler nicht gefunden hat. Aber Software prüft eben nur Rechtschreibung und Grammatik, nicht aber den Sinn von ganzen Sätzen, oder?

Unterm Strich

Dieser fünfte – und vermutlich letzte – Band in der Jack-McClure-Reihe steht um einige Qualitätsgrade über seinem Vorgänger „Father Night“, und zwar so sehr, dass ich zu der verwegenen Vermutung neige, dass der Verlag die Taschenbuchausgabe von „Father Night“ gekürzt hat. Die Hardcover-Ausgabe von „Beloved Enemy“ ist jedenfalls weitaus weniger hektisch und blutig, obwohl der Bodycount durchaus ansehnlich ist; besonders zum Finale hin beginnen sich die Leichen wieder mal zu stapeln. Ich habe sie auch diesmal nicht gezählt.

Denken in 3D

Wiedermal kann Jack seine einzigartige Fähigkeit unter Beweis stellen, sekundenschnell in drei Dimensionen zu denken. Sein Handicap, nicht wie andere Text in zwei Dimensionen lesen zu können (er muss dafür einen geistigen Kniff anwenden), gereicht ihm zum Vorteil. So hat er etwa im Handumdrehen ein 3D-Lagebild von Legeres Chalet erstellt und findet die fehlenden Hohlräume und Zugänge mit einer Präzision, die sich gerne auch Indiana Jones leihen würde. Da bin ich sicher.

Mehrsträngig

Die Verschränkung der verschiedenen Handlungsfäden, die Lustbader wie kaum ein zweiter beherrscht, führt zu einer zunehmend spannenden Lektüre. Denn dadurch wissen die Leser häufig mehr als die Figuren. Wenn Redbird, der Killer, einen scheinbar tod-sicheren Plan schmiedet, ahnen wir, dass Jack, der Held schon bald schwer in die Bredouille geraten wird. Gut nur, dass Redbird keineswegs der eiskalte Typ ist, für den er sich selbst hält: Zu leicht brennen ihm die Sicherungen durch, und er lässt sich vom Anschein der Dinge zu leicht täuschen. Gegen Jason Bourne hätte er jedenfalls keine Chance.

Schattenspiele

Sehr schön fand ich die Erfindung der Figur von Jonatha Midwood. Die Dame mit dem seltsamen Namen ist wie Caro erst die Helferin eines bewunderten Mannes, der sich dann aber als etwas ganz anderes entpuppt. Man stelle sich die Filmtochter des Banktycoons Richard Gere in dem Thriller-Drama „Arbitrage“ vor: Sie kommt sich ebenfalls ausgenutzt, hintergangen und betrogen vor. Doch was nützt ihr diese Erkenntnis, außer dass sie erkennt, bei dem geringsten Fehler in Lebensgefahr zu schweben?

Vor diesem Hintergrund ist es vielleicht verständlich, dass Jonatha lesbischen Sex vorzieht. Sie hat eine Geliebte namens Lale, die allerdings weiter keine Rolle spielt. Sehr wohl eine Rolle spielt hingegen Jonathas lesbisches Liebesspiel mit Alix Ross, der gestressten und daher umso zugänglicheren Pressesprecherin des POTUS, des „President of the United States“. Eine weitere heiße Szene in diesem an Sexszenen nicht armen Romans, diesmal aber für die Girls.

Ausblick

Solche Romane auf einem Niveau wie dieser Band würde ich jederzeit gerne wieder lesen. Und wer weiß: Vielleicht bereitet Lustbader, der gerade alle seine Bücher als E-Book angeboten hat, auch schon die Web-Verfilmung vor; bei Netflix oder Amazon oder HBO besteht dafür immer bedarf. So wie sich gerade das TV wandelt, so wird sich künftig auch das Veröffentlichen von Büchern verändern. Der nächste „Nicholas Linnear“-Roman dürfte jedenfalls nur als E-Book erscheinen – wahrscheinlich auch, weil hier der Autor auch mehr an seinem Werk verdient.

Gebundene Ausgabe: 368 Seiten
Sprache: Englisch
ISBN-13: 978-0765337054

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