Felten, Monika – Nebelsängerin, Die (Das Erbe der Runen 1)

Bei Felten nichts Neues, möchte man kalauern, nur wieder Krieg. Hintergrund des Konflikts: Auf einer Welt „irgendwo da draußen“ gelangen vor über 500 Jahren die Überlebenden von fünf menschlichen Stämmen auf der Flucht vor den Horden eines dunklen Gottes nach Nymath. Ein Gebirge, über das nur ein einziger Pass führt, trennt dieses Land vom Rest der Welt. Die Bewohner Nymaths, die menschenähnlichen Uzoma, nehmen die Flüchtlinge gastfreundlich auf, doch im Lauf der Jahrhunderte kommt es zu Streit und Hass. Da strandet ein Elbenschiff an der Küste des Landes, und die Elben helfen den Menschen. Ihre Magierin Gaelithil wirkt einen Täuschungszauber, der die Uzoma aus dem Land lockt, übers Gebirge fort, in die Steppen hinter dem Fluss Arnad hinein. Dann webt sie mittels eines Runenamuletts und eines Liedes mächtige Nebel, die die Uzoma hinter dem Fluss festhalten. Weil „finstere Schatten und Dämonen“ sie aber töten wollen, um die Nebel zu zerstören, flieht sie in unsere Welt, wo es keine Magie mehr gibt. Dort heiratet sie und bekommt Kinder, die wieder Kinder haben … Das Amulett und die Zauberkunst werden in der weiblichen Linie vererbt; wenn eine Nebelsängerin stirbt, tritt die nächste an ihre Stelle, kehrt zurück nach Nymath und erneuert die Kraft der Nebel. Doch zur Zeit der Handlung des Buches ist die schützende Magie erloschen, die Uzoma stehen vor der Festung, die den Pass bewacht, und fliegen mit Lagaren – giftigen Wüstenechsen – Angriffe über das Land. Der finale Angriff steht kurz bevor. Das „letzte Aufgebot von Elben und Menschen“ zieht aus, um dem Feind zu trotzen – aber wenn keine neue Nebelsängerin erscheint, wird alles vergeblich sein. Zum Glück lebt in unserer Welt noch Ajana, Gaelithils letzte Erbin, doch sie weiß von nichts, denn die Linie der Weitergabe der Kunst ist schon seit langem unterbrochen. Zwar erhält Ajana das Amulett und weckt zufällig seine Magie, aber als es sie daraufhin nach Nymath verschlägt, ist sie völlig hilflos.

Man weiß schon nach den ersten 50 Seiten, wie es weitergeht, und so kommt es auch. Der Bastard Keelin entwickelt sich zum tapferen Krieger, ebenso sein gering geschätzter Freund Abbas. Ajana findet einen Weg, die Nebelmagie zu erlernen. Die Uzoma greifen an und erobern fast die Festung – aber nur fast … Monika Felten bemüht dunkle Götter und böse Priesterinnen, brutale Finsterlinge und edle Elben, alte Legenden und Magie, doch das Ganze bleibt vorhersehbar und langweilig. Natürlich: die gängigen Klischee nutz(t)en seit Tolkien viele andere Autoren, so oder so. Man kann die Finde-deinen-Weg-und-rette-die-Welt-Story z. B. durch den Kakao ziehen, dann entstehen originelle, witzige Romane wie „Nebenan“ von Bernhard Hennen oder „Heldenherz“ von Sven Böttcher. Man kann sie auch ernst nehmen und im Rahmen einer spannenden, wendungsreichen Handlung schildern, wie der „tumbe Tor“ des Anfangs sich allmählich zum Helden wandelt; dann heißt man Tad Williams und braucht allein 900 Seiten, um einem Küchenjungen nur die Anfangsgründe des Sich-Bewährens beizubringen (von Heldentum nicht zu reden). Trotzdem kommt beim Lesen des Drachenbeinthron-Zyklus keine Langeweile auf, weder auf Seite 900 noch auf Seite 3000.

Auch Monika Felten hat ihren Küchenjungen. Abbas gehört zu den Wunand, dem Stamm der Amazonen. Männer haben dort nichts zu sagen, fühlen sich Frauen gegenüber unterlegen und dürfen keine Waffen führen. Er aber will mehr als nur Töpfe scheuern, zieht mit dem Heer zur Passfestung – und scheuert dort Töpfe. Also baut er sich (heimlich) eine Feuerpeitsche (die Amazonenwaffe) und folgt der kleinen Gruppe, die Ajana auf ihrem Weg begleitet. Als ein Ajabani, ein tödlich gefährlicher Killer, schon drei erfahrene Krieger der Eskorte ins Jenseits befördert hat, greift Abbas ein – und vertreibt ihn. Das mag Anfängerglück und Überraschungserfolg sein, aber wenig später besiegt er auch die Uzoma im Kampf. Dann kann er mit einem Mal reiten (er hat es mit Keelin heimlich geübt, erfahren wir zur Erklärung). So gelingt es ihm – ganz allein -, der gefangenen Amazone Maylea bis in die Hauptstadt der Uzoma zu folgen. Dort entpuppt er sich als Meister im Messerwerfen (mit Küchenmessern heimlich geübt, versichert uns die Autorin just an der Stelle, an der sie diese Fähigkeit einführt). Abbas schafft es sogar, Maylea aus dem Kerker zu befreien … „Glaubhafte Entwicklung eines Charakters“ kann man das nicht nennen. Und auch die übrigen Figuren sind so: Schablonen. Man kann an ihrem Schicksal keinen Anteil nehmen, weil sie im Grunde kein Schicksal haben, denn meist erzählt Monika Felten nicht, sondern stellt fest.

Auch andere Punkte fordern Kritik heraus.

Geographie: Da ist nur der eine Pass (ohne dieses Detail würde das Buch nicht funktionieren). Doch plötzlich gibt es (für Ajanas Gruppe extra hineingeschrieben) noch einen anderen Weg über das Gebirge, durch eine Schlucht, die von einer kleinen Garnison der Menschen bewacht wird. Aber die wurde von den Uzoma angegriffen, aufgerieben und völlig demoralisiert. Nun läge es für eroberungsgierige Finsterlinge nahe, eine Invasion „durch die Hintertür“ zu versuchen, doch ein solcher Versuch findet nicht statt.

Taktik: Um den Krieg schneller zu gewinnen, könnte der Feind ganze Gruppen von Uzoma auf den Lagaren ins Hinterland der Gegner fliegen. Das geschieht sogar, aber nur, um ein Dorf niederzubrennen und die Vorhut des Heeres zu überfallen; allerdings werden die Flugechsen und die Feuerwerfer, die auf ihnen reiten, so geschildert, dass sie auch das Hauptheer auf dem Marsch zur Festung zumindest dezimieren könnten, zumal ständig betont wird, die Lagaren seien nur mit großen Katapulten vom Himmel zu holen, und davon gibt es nicht einmal in der Festung genug. Warum unterbleiben solche Angriffe? Man darf in der Fantasy alle Parameter und Spielregeln selbst festlegen – aber wenn man das getan hat, sollte man sich nicht mehr in Widersprüche verwickeln.

Logik: Gaelithil lockte die Uzoma erst aus dem Land, über den Pass, durch die Steppe und über den Arnad, ehe sie die Nebel wob. Ajana webt die Nebel, als das Heer der Feinde vor der Passfestung steht, weit entfernt vom Arnad, den es nun nicht mehr überqueren kann. Die Krieger befinden sich also nach wie vor diesseits, die Gefahr für Nymath ist nicht vorüber. Ajana fragt denn auch den Heermeister nach dem Sinn des aktuellen Nebelwebens. Und was antwortet er? Es sei nicht die Aufgabe eines Kriegers, über Befehle nachzudenken. (Jedoch der Leser darf über Handlungskonstrukte räsonieren und tut es auch.)

Sprache: Hier finden sich nahezu auf jeder Seite Mängel; wer es nicht glaubt, schlage blindlings auf und lese genau. Eine willkürlich gewählte Kostprobe: Auf S. 170 steht „ein Spalier Fackeln tragender Krieger in unterschiedlichen Rüstungen“. Unterschiedlichen, hm. Wie sehen die denn aus? Einfach unterschiedlich. Warum es dann erwähnen? Und dieses Spalier weist den Weg zu einem Gebäude, „in dem sich das Quartier des befehlshabenden Kommandanten befand“. Eine völlig unsinnige Tautologie, denn ein Kommandant ist definiert als „Befehlshaber“ und nur als solcher. Auf S. 238 sehen wir „schwarz verkrüppelte Bäume“; als gäbe es rot verkrüppelte, weiß verkrüppelte etc. S. 298: Die Gruppe rastet in einer Höhle. „Man hatte Wachen aufgestellt. Die Krieger standen mit dem Rücken zur Höhle an der Felswand …“ – dass sie nicht die Felswand anstarren, sollte klar sein. – Was diesem Text fehlt, ist Lektorenarbeit à la Tucholsky: „Wat jestrichen is, kann nich durchfalln.“

Zwei Bemerkungen zum Schluss. Erstens: Dem Buch beigelegt ist eine CD, auf der die Hamburger Sängerin Anna Kristina den Soundtrack zum Werk darbietet, vier Lieder in zwölf Minuten und zehn Sekunden. Die CD gefiel mir. Sie hilft aber nicht über die Mängel des Textes hinweg.

Zweitens: Ich hoffe, dass dieses Buch keinen Phantastik-Preis gewinnt. Es gibt bessere Bücher deutscher Fantasy-Autoren, etwa Dieter Winklers Enwor-Fortsetzung, auch bei |Piper| erschienen. Monika Felten aber ist ein trauriges Beispiel dafür, dass jemand, der einen Preis bekommen und eine Stammleserschaft erworben hat, künftig alles verlegen kann, was er schreibt. Und wer hofft, Verlage würden wenigstens bei offenkundigem Versagen so genannter „Starautoren“ Qualitätsansprüche über Umsatz stellen, der ist ein reiner Tor.

_Peter Schünemann_ © 2004
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [buchrezicenter.de]http://www.buchrezicenter.de veröffentlicht.|