Fiona Barton – Die Witwe

Wenn man die Lobeshymnen über Fiona Bartons Debütroman „Die Witwe“ liest, wird als Thrillerfreund praktisch unweigerlich zugreifen müssen – allerdings auch mit einer gehörigen Portion Skepsis, ob dieses Buch die hohen Erwartungen denn tatsächlich auch erfüllen kann. Und diese Skepsis ist leider mehr als angebracht…

Jean Taylos ist eine ganz normale Ehefrau in einer englischen Kleinstadt. Sie ist seit vielen Jahren mit Glen verheiratet, der allerdings zu Beginn des Buches bereits ums Leben gekommen ist. Schnell erfahren wir, dass Glen im Verdacht stand, ein kleines Mädchen entführt zu haben. Was steckt dahinter? War Glen tatsächlich pädophil oder nur ein Opfer der polizeilichen Untersuchungen? Und was wusste eigentlich Jean? Wie ist ihre Rolle in dem schrecklichen Spiel, das eine junge Mutter verzweifelt und traurig zurückgelassen hat, weil ihre geliebte Tochter Bella spurlos verschwunden ist.

Journalisten und Polizei versuchen gleichermaßen, das Rätsel hinter dem mysteriösen Fall zu lösen und hoffen, dass die Witwe nach Glens Tod nun endlich reden wird. Nun wo sie ihren Mann nicht mehr schützen muss, ist sie frei, die Wahrheit zu sagen – doch kennt sie sie? Und bricht sie nun ihr Schweigen?



Langsam aufgerollt

Das Buch beginnt im Jahr 2010 – drei Wochen nach Glens Unfall, bei dem er ums Leben gekommen ist. Wir finden uns in Jeans Gedanken wieder und erfahren schon, dass sie erleichtert ist über Glens Tod. Doch warum? Was hat er getan? Was hat er ihr vielleicht angetan?

Die anderen Hauptfiguren des Buches sind nicht etwa Glen, sondern die Journalistin Kate Waters, die ein Exklusivinterview mit Jean Taylor ergattern kann, und der Polizist Bob Sparkes, der mit seinem Team den Vermisstenfall der kleinen Bella Elliott aufklären möchte. Am 2. Oktober 2006 verschwand Bella aus dem Vorgarten, während ihre Mutter wenige Minuten im Haus verschwunden ist, um im Haushalt zu arbeiten. Von Bella fehlt jede Spur, doch gibt es einige Zeugenaussagen, die die Polizisten haarklein auswerten. Die Spur führt zu einem dunklen Lieferwagen und zu einem Mann, der aber offensichtlich so krank ist, dass er körperlich nicht in der Lage gewesen wäre, Bella zu entführen. Kurz darauf führt aber die erste Spur zu Glen Taylor, und damit beginnt die genaue Spurenlese. Doch die Polizei kommt ihm nicht auf die Schliche. Es gibt keine Beweise für seine Schuld – und so steht am Ende Glen als Opfer da.

Die Autorin erzählt ihre Geschichte aus wechselnden Perspektiven. Viele Kapitel sind aus Jeans Sicht erzählt, aber etliche auch aus Sicht der Journalistin oder des Polizisten. Und so lernen wir die gesamte Geschichte aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln kennen. Wir springen hier auch mehrfach in der Zeit zwischen der Jetztzeit (2010) und dem Jahr der Entführung (2006) bzw. den Jahren der polizeilichen Ermittlung. Zum Glück ist das jeweilige Datum zu Beginn jeden Kapitels aufgeführt, sonst hätte ich angesichts der vielen Sprünge schnell die Übersicht verloren.

Aber auch so verliert man sich schnell in der Geschichte, kann sich bei den vielen Perspektivwechseln nicht gut einlesen und verliert sich insbesondere in den vielen Details, die uns Fiona Barton haarklein auftischt. In allen Details erzählt sie immer und immer wieder die gleiche Geschichte. Ab und an kommt ein winziges Detail hinzu – Grund genug, um alles nochmal zu erzählen, und das aus verschiedenen Perspektiven. So lernen wir zwar alle Personen sehr gut kennen, sodass wir das Gefühl haben, sie fast schon persönlich zu kennen.

Doch Spannung kommt so gar nicht auf. Zwar wissen wir von Beginn an, dass Glen Taylor offensichtlich etwas zu verbergen hatte, doch was das ist, erfahren wir tatsächlich erst kurz vor dem Ende – und leider ist das dann so rein gar nicht mehr überraschend. Das große Aha-Erlebnis bleibt vollkommen aus, und das nach einer ewiglangen Geschichte, die sich zieht wie Kaugummi. Das ist leider kein großes Vergnügen. Dieses Buch ist gut und gerne 200 Seiten zu lang, denn die Geschichte trägt überhaupt nicht für 400 Seiten – die Quintessenz der Geschehnisse ließe sich vermutlich auf einer knappen DIN 4A-Seite zusammen passen.

In Ansätzen ist das Buch ganz nett – aus der Idee hätte man wirklich was machen können. Aber da hätte aus meiner Sicht eine stringentere Erzählweise dazu gehört, die schneller zum Punkt kommt und am Ende noch mit einer Überraschung aufwarten kann. Schade.

Taschenbuch: 432 Seiten
ISBN-13: 978-3805250979
www.rowohlt.de/verlage/wunderlich

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