Ian Fleming – James Bond 007: Goldfinger

Der unheimliche Mr. Goldfinger plant die Goldreserven der westlichen Welt in seinen Besitz zu bringen. Sein Plan ist ebenso kühn wie genial, so dass es schon eines James Bond bedarf, um das Handwerk zu legen … – Das siebte 007-Abenteuer gehört zu den Besseren der Serie; der Plot ist spannend, die Figuren sind exotisch und lebendig. Dass die Handlung über weite Strecken auf (allzu) bewährte Strickmuster zurückgreift und in einem grotesken Finale endet, lässt sich verschmerzen.

Das geschieht:

Auric Goldfinger ist zwar kein echter Gentleman, war aber trotzdem viele Jahre eine Stütze des britischen Establishments; ein Selfmade-Millionär, der aus seiner innigen Liebe zum Gold ein Riesengeschäft gemacht hat. Wie die Regierung kürzlich eher durch Zufall erfuhr, hat er es leider clever verstanden, seine Majestät um ihren Anteil zu prellen: Goldfinger fand ein Verfahren, Gold in ein unscheinbares Pulver zu verwandeln und nach Indien zu verschiffen, wo er es zu einem deutlichen höheren Preis als daheim veräußern kann. Das ist verboten, schwächt es doch die britische Währung, deren Stabilität auf ihren Goldreserven basiert. Schlimmer noch: Goldfinger leitet seine gewaltigen Gewinne offenbar an die Sowjetunion, hier vertreten durch SMERSH, die gefürchtete Killer- und Sabotage-Sonderabteilung, weiter.

Damit ist das Maß mehr als voll. Die Briten setzen ihre eigenen Spezialisten auf Goldfinger an. Agenten-Chef M beauftragt seinen besten Mann mit den Ermittlungen. James Bond, Dienstnummer 007, glaubt zunächst an einen wundersamen Zufall, hat er doch gerade erst seine Klingen mit Goldfinger gekreuzt und ihn im fernen Miami als profanen Falschspieler bloßgestellt. Das wird Goldfinger nie vergessen, was es nicht einfacher macht, sein Vertrauen zu gewinnen, um ihn besser aushorchen zu können.

Aber durch eine infernalische Schlacht auf dem Golfplatz kann Bond sich scheinbar Goldfingers Achtung erwerben. Der schlaue Meisterdieb hat sich den Coup des Jahrhunderts ausgedacht: Die US-Goldreserven will er aus Fort Knox stehlen. Dafür hat er die größten Gangstersyndikate der Vereinigten Staaten als Verbündete angeheuert; ein wahnwitziges Projekt, das indes gelingen und dem freien Westen einen bösen Schlag versetzen könnte. Nur James Bond weiß davon, aber Goldfinger lässt seinen neuen ‚Sekretär‘ scharf vom unheimlichen Leibwächter Fakto bewachen. Fort Knox wird fallen, aber 007 hat womöglich noch ein As im Ärmel – bzw. im Schuhabsatz …

Klassiker mit weichen Stellen

Dem Leser ist davon abzuraten, die berühmten James-Bond-Romane in rascher Folge zu lesen. Er (oder sie) wird sonst betrübt die überaus einfache Strickart, das ökonomische Plot-Recycling oder die Sprunghaftigkeit der Plots und ihrer Entwicklung bemerken. Vor allem Tempo ist unerlässlich für eine Bond-Geschichte, denn es trägt über die gewaltigen Logik-Löcher im Gewebe der Handlung hinweg. In „Goldfinger“ ist es u. a. der rätselhafte Entschluss der angeblich so hinterlistig-schlauen Sowjets, ausgerechnet einen definitiv größenwahnsinnigen Falschspieler das Geld für ihre Kriegskasse beschaffen zu lassen.

Bestürzender ist freilich Fleming Schilderung des großen Überfalls auf Fort Knox. Planung und Realisierung sind so dilettantisch ausgedacht, dass bereits für die Verfilmung entscheidende Veränderungen vorgenommen wurden. Ein Raubzug wie von Fleming suggeriert war und ist unmöglich. Die radioaktive Vergiftung der Goldvorräte, um sie dem komplexen Währungskreislauf auf diese Weise zu entziehen, ist dagegen wenigstens vorstellbar. Dank des Films haben wir Goldfinger in guter Erinnerung: Gerd Fröbe muss nicht als Flemingscher Geisterbahn-Bösewicht agieren.

Seltsam mutet Flemings Entscheidung an, als finalen Höhepunkt nicht die Attacke auf Fort Knox zu wählen. Stattdessen wird diese Schlacht merkwürdig unlustig in Szene gesetzt. Mit sehr viel Liebe zum Detail schildert der Autor danach den Schlusskampf zwischen Bond und Goldfinger. Dem eigentlichen Geschehen wirkt dies angeklebt; im Film wurde das besser, d. h. vor allem kürzer gelöst.

Sport ist hier wirklich Mord

Auch sonst finden wir im Roman viel Bekanntes und wenig Geliebtes. Schon wieder tritt Bond zunächst im Kartenspiel gegen den Superschurken an. So hat er schon LeChiffre in „Casino Royale“ und Hugo Drax in „Moonraker“ Saures gegeben. Ian Fleming war ein passionierter Spieler, der einfach nicht widerstehen konnte, seine diesbezüglichen Kenntnisse in das Geschehen zu integrieren. Er versteht tatsächlich eine Menge vom Spiel, doch teilt sich dessen Faszination dem Leser leider nur bedingt mit.

Dieses Mal geht es gleich zweimal ins sportliche Gefecht. Auch auf dem Golfplatz wird Goldfinger eine (laaange) Lektion erteilt. Der britische Liebhaber dieses Spiel erkannte unschwer den Ort dieses Duells als den Royal St. George’s Golf Course in der Grafschaft Kent wieder, wo Fleming mit Begeisterung diesem Sport nachging, wenn er in England war.

Mit der Wahl des Goldes als Auslöser der wild bewegten Geschichte hat Fleming eine gute Wahl getroffen. Darauf war er gekommen, als er Stoff für einen neuen Bond-Roman sammelte und sich den Mythos und die reale Bedeutung des Edelmetalls ins Gedächtnis rief. Während der Recherche weihte ihn ein Mitarbeiter der Bank von England, der einst mit Fleming für die Nachrichtenagentur Reuters gearbeitet hatte, in die Geheimnisse der goldgestützten Weltwährungen ein, die der Verfasser vielleicht ein bisschen zu großzügig mit uns teilt.

Gentleman mit Lizenz zum Töten

007 besitzt zwar die Erlaubnis im Dienst zu töten. Er tut dies Zögern, wenn es sein muss. Das heißt allerdings nicht, dass es ihm gefallen würde. Auf den ersten Seiten finden wir Bond tief in Gedanken an den letzten Auftrag, bei dem es nicht nur gefährlich, sondern auch hässlich und schmutzig zuging. Zwar starb nur ein echter Schuft, aber Bond geht die Sache sehr nach.

Gut, dass die Abwechslung nicht auf sich warten lässt. Ein riskantes Spielchen mit hohem Einsatz, gutes Essen, harte Drinks & weiche Mädchen lassen Bond rasch wieder ins Lot kommen. Er aalt sich in der glücklichen Unwissenheit um die politisch korrekten Zeiten, die für ihn noch lange auf sich warten lassen werden. Deshalb ist es für ihn kein Problem, Goldfingers lesbische Spießgesellin Pussy Galore von ihrer ‚Neigung‘ zu ‚heilen‘.

Ansonsten ist Bond am erträglichsten, wenn er als Profi agiert. Fleming versteht es, ihn als Charakter zu schildern: Bond ist ein eiskalter Agent und Killer, der das schöne Leben und ebensolche Frauen liebt. Ein unüberwindlicher Supermann ist er nicht, sondern irrt sich oft genug, was ihm dann peinvolle ‚Spezialbehandlungen‘ seitens seiner Gegner garantiert: kein Bond-Roman ohne detailliert geschilderte Folter des Helden.

Schmutzfink liebt glänzendes Gold

Auric Goldfinger ist wieder ein Klon aus Flemings Schurken-Labor. Erst Gerd Fröbe hat ihm wie schon gesagt sein Profil gegeben. Ansonsten könnte Goldfinger auch der Bruder von Hugo Drax sein. Dass er vor allem schlau ist, aber ansonsten nicht alle Tassen im Schrank hat, macht nach Fleming schon sein Äußeres deutlich: Goldfinger ist mit einem Körper geschlagen, dessen „Teile nicht zueinander passen“. Klar, dass dies ein Bösewicht und Sowjet-Spion sein muss!

Vor allem ist er kein Gentleman. Goldfinger betrügt im Sport, eine unverzeihliche Sünde für jeden Engländer. Selbstverständlich treibt er auch im Schlafzimmer Ungeheuerliches, aber hier zwang der Zeitgeist Fleming dazu, sich mit Andeutungen zu bescheiden. Wir wissen nun immerhin, dass es ihn befriedigt, schöne Frauen mit Goldfarbe einzupinseln … Solches Treiben dürfte Anno 1959 als Gipfel dekadenter Verworfenheit gegolten haben.

An Goldfingers Seite: Der bis heute im Bond-Kino unverzichtbare Nebenschurke, meist von grotesker Gestalt und ebensolchen Manieren. Er geht dem zentralen Bösewicht im Tod voraus; meist ist sein Ende besonders grausig schön. Fakto, der im Roman mit unerfreulich rassistischer Abneigung charakterisiert wird, taucht im „Goldfinger“-Film als „Oddjob“ auf. Auch hier hatte die Überarbeitung für das Kino positive Folgen.

Exotisch-groteskes Nebenpersonal

Die arme Pussy Galore (die heutzutage sicherlich nicht mehr diesen ‚Namen‘ tragen dürfte) muss das derb Mannweib geben, das sich der zeitgenössische Spießer unter einer ‚Lesbe‘ vorstellte. Immerhin darf sie nach Überwindung ihrer ‚krankhaften Verirrung‘ überleben, was ihrer unverbesserliche Möchtegern-Gefährtin Tilly Masterton nicht gelingt. Nun, sie hatte nie mit Bond schlafen wollen, also ist diese Strafe wohl gerecht …

Fleming erinnerte sich später, dass ihm die Niederschrift von „Goldfinger“ erfreulich leicht fiel. Dies teilt sich dem Leser mit. Bei aller Kritik, trotz der Episodenhaftigkeit der Handlung und ungeachtet der Schwächen in der Figurenzeichnung (s. u.) erzählt „Goldfinger“ eine flotte, spannende Geschichte. Kein Wunder, dass sie sich fast vollständig im Kinofilm von 1964 wiederfindet, während die meisten Bond-Romane ansonsten von den Drehbuchautoren bearbeitet wurden – manchmal so intensiv, dass bis auf den Titel von einem Fleming-Buch nichts mehr blieb.

Dieses erschien 2013 hierzulande in der James-Bond-Reihe des Crossover-Verlags neu – ungekürzt und in zeitgemäßer Übersetzung, dazu versehen mit einem schönen Titelbild.

Autor

Ian Fleming (1908-1964) war ein typisches Oberschicht-Gewächs des spätimperialistischen Großbritannien. Erstklassige Schulbildung (Eton) und die sprichwörtliche „steife Oberlippe“ zeichneten ihn aus, gleichzeitig war er ein Individualist, dessen Lebensweg gleich mehrere Skandale säumten. Im II. Weltkrieg lernte Fleming als Mitarbeiter des Marine-Geheimdienstes die geheimnisvolle Halbwelt kennen, die er später so effektvoll zu dramatisieren wusste. Einige wagemutige Kommandounternehmen im Mittelmeer werden ihm zugeschrieben.

Den Globus bereiste Fleming schon vor dem Krieg als Journalist (u. a. in Moskau) und nach 1945 als Auslandskorrespondent der „Sunday Times“. Er zog die Sonne dem englischen Regen vor und ließ sich an der Nordküste der damals noch britischen Inselkolonie Jamaica nieder. Dort begann er ab 1953 die James Bond-Thriller zu schreiben; es wurden bis 1964 insgesamt zwölf (plus zwei Kurzgeschichten-Sammlungen).

Nach 1960 begann Flemings Gesundheit zu verfallen. Er weigerte sich, seinen Lebensstil zu ändern, d. h. seiner Herzkrankheit entsprechend zu leben. Folgerichtig erlag er am 12. August 1964 einem Infarkt, aber immerhin stilvoll auf dem Royal St. George’s Sandwich-Golfplatz in Kent, der schon Goldfinger zum Verhängnis geworden war.

Über Leben und Werk informiert u. a. diese Website.

Paperback: 393 Seiten
Originaltitel: Goldfinger (London: Jonathan Cape 1959)
Übersetzung: Stephanie Pannen u. Anika Klüver
http://www.www.cross-cult.de

eBook: 1999 KB
ISBN-13: 978-3-86425-083-5
http://www.www.cross-cult.de

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