Lynn Flewelling – Die prophezeite Königin (Tamír Triad 3)

Tamír Triad
Band 1: Der verwunschene Zwilling
Band 2: Die verborgene Kriegerin
Band 3: Die prophezeite Königin

Tobin hat endlich die Haut seines toten Bruders abgestreift und mit ihr ihren alten Namen. Jetzt nennt sie sich Tamír und hat vorerst alle Hände voll damit zu tun, die Menschen der zerstörten Stadt Ero zu versorgen. Zurück in Atyion lässt sie sich dazu überreden, zögerlichen Adligen ein Ultimatum zu stellen, doch noch immer will sie sich nicht gegen Korin wenden. Statt dessen sucht sie wie ihre Vorgängerinnen das Orakel von Afra auf. Und ist von der Vision, die sie erhält, entsetzt …!

Niryn hat sich mit viel Geduld und Geschick denselben Weg in Korins Herz gebahnt, wie er es einst bei dessen Vater getan hat. Er hat den jungen König seinem Plan gemäß mit Nalia vermählt und wartet nun darauf, dass Korin eine Tochter zeugt. Doch Nalia scheint nur schwer zu empfangen, und Korins Gefolgsleute werden ungeduldig, sie wollen endlich angreifen.

An der Charakterzeichnung tut sich nicht mehr viel. Allein Niryn wird anhand seiner Erinnerungen noch einmal vertieft, so dass der Leser jetzt immerhin die Motive des Magiers für seine Intrigen kennt. Viel lebendiger ist Niryns Darstellung dadurch allerdings nicht geworden.
Glücklicherweise können die übrigen Charaktere das ausgleichen. Kis und Tamírs Verwirrung angesichts der Verwandlung von Tobin in Tamír und ihre Schwierigkeiten, ihr Verhältnis zueinander neu zu definieren, ist sehr einfühlsam und glaubwürdig dargestellt, und auch die Auswirkungen von Niryns Herrschaft über Korins Denken sowie der daraus resultierende Konflikt zwischen Korin und seinen Gefährten Caliel und Lutha sind sehr gut gelungen.

Die Handlung ist für einen letzten Band erstaunlich ruhig ausgefallen. Tamír muss noch einmal gegen die Plenimarer antreten, doch dieser Kampf trägt eher die Züge eines Scharmützels denn die einer Schlacht; die „Überredungskünste“, die bei einer kleineren Fürstin angewandt werden, weil sie entschlossen ist, Korin die Treue zu halten, werden lediglich berichtet. So bleibt viel Raum fürs Zwischenmenschliche wie den oben erwähnten Konflikt zwischen Korin und seinen Freunden.

Außerdem ist entgegen der Erwartung des Lesers auch Bruder noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Da Lhel Arkoniel erklärt hat, was zu tun sei, um Tamír und ihren Bruder zu trennen, und der Meinung war, sie selbst würde dafür nicht gebraucht, erstaunte es mich letztlich doch zu hören, dass Tamír zwar das Nötige getan hat, die Trennung aber doch nicht funktioniert hat, weil Tamír Lhels Hilfe nicht hatte. Am Ende muss ein anderer Hexer vom Hügelvolk die Sache zu Ende bringen.

Noch verwirrender empfand ich die Sache mit Ariani. Nirgendwo wird erklärt, warum Tamírs Mutter noch immer als Geist in der Feste umgeht. Der Hexer löst lediglich eine noch bestehende Bindung zwischen Tamír und Ariani, so wie er die zwischen Tamír und ihrem Bruder löst. Aber die Frage, warum diese Bindung überhaupt noch bestand, wird nicht beantwortet.

Immerhin hatte die Gegenwart der beiden Geister ein paar Auswirkungen auf den Verlauf der Ereignisse, so dass sie nicht zum Beiwerk und puren Gruselfaktor verkommen sind. Und auch der Hexer, obwohl nicht detailliert beschrieben wie Lhel, war mit seinem Instrument und seiner Magie eine interessante Ergänzung.

So wurde auch diesmal die Zeit bis zur Entscheidungsschlacht nicht langweilig. Die Darstellung der Schlacht ist erstaunlich realistisch geraten, was die Strategie und den Ablauf anging, wenngleich die Autorin nicht im Detail auf spritzendes Blut und Schmerzensschreie eingegangen ist. Der eigentliche Showdown zwischen Tamír und Korin verlief dann durchaus noch überraschend, obwohl auch diesmal wieder das Wort Spannung nicht wirklich passt. Vielleicht liegt es daran, dass der Leser bereits vorher schon weiß, wie die Geschichte ausgehen wird, denn die neue Hauptstadt Rhíminee, die sowohl Arkoniel als auch Tamír in einer Vision gesehen haben, taucht bereits im Prolog des ersten Bandes auf, als Ort, der bereits Jahrhunderte alt ist.

Am meisten jedoch überraschte mich, dass die immer wieder kurz erwähnte Schale, deren Hüterin zunächst Iya, dann Arkoniel war, in der gesamten Geschichte überhaupt keine Rolle spielte. Erst hinter dem Epilog folgt eine kurze Anmerkung der Autorin, dass, wer sich fragt, was es denn nun eigentlich mit dieser Schale auf sich hatte, die ersten beiden Bänden ihres |Schattengilde|-Zyklus‘ lesen muss, um das zu erfahren. Diese Masche ist so link, dass ich schon wieder bewundernd grinsen musste.

Bleibt zu sagen, dass mir die gesamte Trilogie – trotz kleiner Schnitzer und der Tatsache, dass vieles vielleicht doch ein wenig zu glatt ging, zum Beispiel Kis Heilung oder auch die Tatsache, dass Niryn nie hinter Bruders Anwesenheit gekommen ist – ausnehmend gut gefallen hat. Das ist größtenteils der hervorragenden Charakterzeichnung zu verdanken: Vor allem Arianis und Erius‘ Wahnsinn war sehr gelungen geschildert, das gilt ebenfalls für Tamírs Bruder; außerdem sorgte das zwiespältige Wesen von Erius und Korin dafür, dass ein allzu ausgeprägter Schwarz-Weiß-Effekt vermieden wurde. Und auch die Grundidee der Geschichte war faszinierend, neu und gut umgesetzt.

Sprachlich fand ich die Geschichte auch in Ordnung, nicht gerade brilliant, aber alle Handlungsstränge waren nahtlos ineinander verwoben, so dass die Geschichte sich gut und flüssig liest. Nicht ganz so gut war das Lektorat, das offenbar Schwierigkeiten hatte, zwischen das und dass oder zwischen n und m zu unterscheiden, und seine Trennstriche öfters mal zwischen die falschen Buchstaben setzte. Hier darf der Verlag sich noch verbessern. Die Karte vorne im Buch ist nicht wirklich notwendig, was auch gut ist, denn sie ist zu ungenau, um wirklich hilfreich zu sein.

Wer rasante Action oder verwickelte Intrigen braucht, ist bei diesem Zyklus vielleicht nicht ganz an der richtigen Adresse. Wer dagegen nicht unbedingt ständig unter Hochspannung stehen will und ohne große Ausschmückung von Details wie Landschaft, Geschichte und Funktionsweise der Magie auskommt, dem kann ich die Trilogie nur empfehlen. Die |Tamír-Triad| besitzt ihr ganz eigenes Flair.

Lynn Flewelling studierte Englisch, Geschichte und noch einiges andere, und war in diversen Berufen tätig, ehe sie ihren ersten Roman veröffentlichte. „Der verwunschene Zwilling“ ist der erste Band ihrer Trilogie |Tamír Triad|. Außerdem stammt der Zyklus |Die Schattengilde| aus ihrer Feder, der inzwischen bis Band 5 gediehen, auf Deutsch derzeit aber nur bis Band 3 und nur gebraucht erhältlich ist.

Broschiert: 611 Seiten
ISBN-13: 978-3902607188
Vom Hersteller empfohlenes Alter: Ab 14 Jahren
Originaltitel: The Oracle’s Queen
Übersetzt von Michael Krug
www.otherworldverlag.com
www.sff.net/people/Lynn.Flewelling