Allan Folsom – Des Teufels Kardinal

Ein größenwahnsinniger Kardinal will einen katholischen Gottesstaat errichten. Er setzt Terror und Mord ein, doch es gibt eine undichte Stelle: Ein idealistischer Geistlicher weiß von der Intrige. Er taucht unter und ruft seinen fernen Bruder zur Hilfe. Gemeinsam flüchtet man vor den Schergen des Kirchenfürsten und sammelt Beweise, um dessen Komplott auffliegen zu lassen … – Um jeglichen Realitätsbezug bereinigtes, im Dan-Brown-Kielwasser mitschwimmendes mit Mord und Todschlag nie geizendes Thriller-Garn hart an der Grenze zum Trash.

Das geschieht:

Harry Addison, erfolgreicher Anwalt der Hollywood-Stars, hat mit seinem Bruder, Pater Daniel Addison, der als Geistlicher Karriere gemacht hat und im Vatikan als Privatsekretär des Kardinals Marsciano in unmittelbarer Nähe des Papstes arbeitet, seit acht Jahren nicht mehr gesprochen. Nun fleht ihn Daniel um Hilfe an, ohne jedoch darauf einzugehen, wer oder was ihn bedroht. Kurze Zeit später ist er tot – umgekommen bei einem Anschlag auf den Reisebus, der ihn in den Wallfahrtsort Assisi bringen sollte.

Harry reist nach Italien, um die Leiche seines Bruders in die USA zu überführen. Er wird von der Polizei empfangen, die ihn mit der Nachricht konfrontiert, Daniel sei ein Terrorist und Mörder und verantwortlich für das einige Wochen zuvor verübten Attentat auf den Kardinalvikar von Rom gewesen. Diese Anschuldigung weist Harry vehement zurück, zumal er feststellen muss, dass im Sarg des Bruders die Leiche eines Fremden liegt. Die versteckte Warnung Kardinal Marscianos, die Sache auf sich beruhen zu lassen, ignoriert er. Kurz darauf wird Harry entführt, gefoltert und nach dem Verbleib Daniels befragt. Als sich sein Unwissen herausstellt, schießen die Kidnapper ihn nieder und lassen ihn für tot liegen. Der Polizei werden gefälschte ‚Beweise‘ zugespielt, die Harry wie seinen Bruder als Terroristen bloßstellen.

Dahinter steckt Kardinal Palestrina, der das Heilige Römische Reich neu gründen und die Katholische Kirche zum Führer der Menschheit erheben will. Dafür ist ihm jedes Mittel Recht – auch Mord und Terror. Dummerweise hat Daniel Addison Wind davon bekommen, weshalb Palestrina ihn und nun auch seinen Bruder jagen lässt.

Mit im Boot sitzt inzwischen die Fernseh-Korrespondentin Adrianna Hall. Sie verschafft Harry gefälschte Papiere, die es ihm ermöglichen, sich als Priester zu tarnen. Um sich und seinen Bruder vom Mordverdacht freizuwaschen, plant Harry auf eigene Faust das Komplott aufzudecken. Tief im Herzen des Vatikans treffen schließlich sämtliche Beteiligte aufeinander – und nicht alle werden dies überleben …

Schwachsinnig, aber spannend?

Ein Kirchenfürst, der sich für die Inkarnation Alexanders des Großen hält (!) und das gottlos-kommunistische China zwangsmissionieren will (!!), um auf diesem Wege ein neues christliches Weltreich zu schaffen (!!!) – bereits dieser Abriss macht deutlich, dass es sich bei „Des Teufels Kardinal“ (ein mattes Wortspielchen; der Original-Titel – „Tag der Beichte“ oder „Tag der Abrechnung“ ist allerdings auch nicht geistreicher) um einen jener Hochgeschwindigkeits-Thriller handelt, die auf der Piste der Glaubwürdigkeit durch geringe Bodenhaftung auffallen.

Dabei muss man Allan Folsom zugutehalten, dass er sich dieses Mal zurückgehalten hat. In „Übermorgen“, seinem Erstling, ging es darum, den tiefgefrorenen Schädel Adolf Hitlers auf einen eigens herangezüchteten Gastkörper zu pflanzen, sodass der auf diese Weise wiedergeborene „Führer“ ein „Viertes Reich“ gründen konnte: DAS war in der Umsetzung KEINE Offenbarung!

Allerdings stellt Folsom auch in seinem Vatikan-Thriller die Toleranz der Leser auf manche harte Probe. Wie weit könnte es beispielsweise ein Mann auf seinem Weg zum Herrscher der Welt mit dem Plan bringen, Gift in die Trinkwasser-Reservoirs Chinas zu leiten, um sich anschließend von der Zentralregierung in Peking als Retter in der Not rufen zu lassen und dann die Staatsgeschäfte zu übernehmen? Folsom selbst bringt die Absurdität dieses Vorhabens (unfreiwillig) auf den Punkt, als er den bösen Kardinal Palestrino ausrufen lässt: „Herrsche über Chinas Wasservorräte, dann beherrschst du China.“

Hau-ruck-Thriller der groben Art

Eine unrealistische Ausgangsidee sagt noch nichts über den Unterhaltungswert eines Romans aus; wäre dem so, gäbe es keine Science Fiction, keine Fantasy, keinen James Bond, überhaupt keine fantastische Literatur. Als solche muss man Folsoms Räuberpistole letztlich werten: „Des Teufels Kardinal“ ist ein High- Tech-Horror-Thriller und darüber hinaus ein typischer Pageturner, d. h. ein auf Spannung und Tempo getrimmtes Produkt der modernen Unterhaltungs-Industrie, das bereits eine zukünftige Verfilmung berücksichtigt.

Die mehr als 160 (!) Kapitel geben die rasche Szenenfolge eines Kinofilms deutlich vor, und die Figuren – der amerikanische Held, auf sich gestellt im fremden = gefährlichen Land; die schöne Nonne, die ihm zu Hilfe eilt; der scheinbar übermächtige Finsterling und sein verrückter Helfershelfer; der bizarre Zwerg aus dem Untergrund etc. – entsprechen exakt jenem Personal, das in einem Mainstream-Hollywood-Thriller besetzt wird.

Es ist schwer zu entscheiden, wie ernst Autor Folsom seine Geschichte eigentlich nimmt; er erzählt sie ohne jeden Anflug von Ironie. Immerhin nimmt er seine Leser ernst. Die knallige Handlung spielt vor einem gut gewählten und recherchierten Hintergrund. Der Vatikan als Kulisse für einen Thriller ist zwar keine neue, aber eine gute Idee. Eine Institution wie die (katholische) Kirche, die seit 2000 Jahren existiert, muss zwangsläufig zahlreiche dunkle Flecken auf der nach außen strahlend weißen Weste tragen. Kirchenleute sind beileibe nicht automatisch die besseren Menschen!

Fromm, gut verknüpft, verdächtig

Schon bevor Dan Brown die (kirchliche) Vergangenheit als Steinbruch entdeckte, aus dem er die Bausteine für seine Bestseller/Blockbuster-Romane brach, war der Vatikan ein faszinierendes, weil in heutiger Zeit exotisches und anachronistisches Gebilde: ein unabhängiger Staat im Staate (Italien), der nicht von einer gewählten Regierung, sondern von der Kirche nach eigenen Gesetzen und Regeln, die sich von Außenstehenden oft schwer nachvollziehen lassen, geführt wird. Das Gelände selbst, ein auf den ersten (und zweiten) Blick unüberschaubares Gewirr von alten Kirchen, Palästen, Archiven, Höfen, Kellern und Gängen – auf dem Vorsatz- bzw. Nachsatzblatt ist freundlicherweise eine Karte abgebildet – bietet sich als Schlupfwinkel für allerlei zwielichtige Gestalten und ihre üblen Taten geradezu an.

Aber keine Angst – Folsom verliert keine Zeit damit, die (kirchen-) historische Sonderstellung des Vatikans zu erörtern. Die oft ausführlichen Ortsbeschreibungen dienen immer nur als Treibriemen für den auf Hochtouren laufenden Motor der Geschichte. Die letzten beiden Drittel von „Des Teufels Kardinal“ sind eine reine Verfolgungsjagd (mit einigen Längen übrigens), ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den gejagten Brüdern, ihren zahlreichen Verfolgern und der Polizei, die im obligatorischen explosiven Finale mündet.

Insgesamt ist „Des Teufels Kardinal“ ein höchst konventioneller Thriller und keineswegs ein Füllhorn überraschender Einfälle, wie der Klappentext vollmundig behauptet, aber schwungvoll geschrieben und gut geeignet, ein paar Muße-Stunden zu füllen, ohne das Hirn jemals dabei anstrengen zu müssen.

Autor

Allan Reed Folsom wurde am 9 Dezember 1941 in Orlando, US-Staat Florida, geboren, wuchs aber im neuenglischen Boston auf. Anfang der 1960er Jahre ging Folsom nach Kalifornien, wo er für das Fernsehen arbeitete. Er war Kameramann, Regisseur und Produzent. Außerdem schrieb er Drehbücher für TV-Serien.

Ein erster Roman erschien 1994. „The Day After Tomorrow“ (dt. „Übermorgen“) gab den Tenor für vier noch folgende Folsom-Thriller vor: An auf Tempo und Spannung getrimmten Spannungsbögen balancierten ultraflache Klischeefiguren, während die Logik sich weitgehend fernhielt. Das verhinderte nicht Folsoms Sprung auf die Bestsellerlisten.

Mi seiner Familie lebte Folsom in Santa Barbara, Kalifornien. Am 16. Mai 2014 starb er an den Folgen einer Krebserkrankung.

Taschenbuch: 475 Seiten
Originaltitel: Day of Confession (Boston/Massachusetts : Little, Brown & Company 1998)
Übersetzung: Wulf Bergner
https://www.randomhouse.de/Verlag/Blanvalet

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