Fortuin, Henny – Geheimnis der Spinnenhexe, Das

Als der alte König stirbt, verfügt er in einer Prophezeiung, dass das dritte Kind eines seiner Kinder einst herrschen solle auf dem Thron des Landes. Seine drei Kinder sollen sich das Land teilen in drei Gebiete und jedes Kind soll König sein, bis denn dereinst das dritte Kind, ein Sohn, geboren würde. Seine Kinder schworen und glücklich starb der Vater. Die Kinder zogen in ihre Lande und bald war die väterliche Burg verlassen und das Land um sie herum vergessen. Drei neue, starke Königreiche entstanden in dem Gebiet des einstigen Reiches und es verging eine lange Zeit, bis das dritte Kind sich im Bauch regte. Doch die Tochter des alten Königs fürchtete um das Leben des jungen Kindes und flehte die Nebelhexe um Hilfe an. So wurde eine Tochter geboren, doch die Mutter zahlte einen harten Preis für die Hexerei. Der Vater des Kindes war entsetzt. Hatte er doch einen Sohn erwartet, wie es prophezeit war. Verbittert wendet er sich von seinem Kind ab, das stumm in der Wiege liegt. Niemand will für das Töchterchen sorgen und schließlich ist es die alte Spinnenhexe, die im Ostturm haust und das Kind bei sich aufnimmt. Doch während es heranwächst, nimmt der Kampf um die zerteilten Königreiche zu. Jeder will die Macht für sich haben und über das gesamte Gebiet herrschen.

Die Geschichte von Henny Fortuin vereint alle Ingredienzien, die zu einem Märchen dazugehören. Es gibt einen Zwerg, Hexen, Elfen, Könige, Zauberer, Königinnen, einen Kriegsherrn, einen Barden und nebenher noch ein wenig Fußvolk. Dazu noch eine Prophezeiung in den Hexenkessel geworfen und fertig ist das Ganze. Doch ganz so einfach hat es die Autorin sich selbst und uns Lesern nicht gemacht. Ihre Arbeit beginnt schon allein mit dem Stilmittel der unterschiedlichen Erzähler. Aus der Sicht einzelner Protagonisten wird die Geschichte berichtet. Dabei ändern sich der Stil, die Kommentare und auch die Sichtweise entsprechend der erzählenden Figur. Da spricht der Zwerg, der Stimmen im Wind hört. Die Spinnenhexe enthüllt ein paar ihrer Pläne, wenn sie an den Fäden zieht. Die Nebelhexe redet nur unwillig und der Barde übt sich in Selbstdarstellung. Wenn auch die Erzählweise der einen oder anderen Figur nicht leichtgängig ist, so ergibt sich daraus zugleich ein besonderer Reiz. So schweift der Zwerg gerne ab und es dürfte einem Kind nicht leichtfallen, dem Faden zu folgen (das Buch ist ab einem Alter von 12 Jahren vorgeschlagen).

Die Geschichte selbst ist vielschichtig und in mehrer Hinsicht zauberhaft. Henny Fortuin hält sich nicht lange mit Details auf und oft erhalten wir kaum eine Beschreibung der Personen oder Orte der Handlungen. Ganz im Stil der klassischen Märchen überlässt sie es der Phantasie ihrer Leser, die leeren Stellen zu füllen. Und das klappt gut. Denn an wesentlichen Stellen, wo die Phantasie abzuschweifen droht, fängt sie diese wieder durch eine kurze Erläuterung ein und widmet sich zügig erneut der Handlung. Folglich passiert recht viel in dem kleinen Buch, was jugendlichen Lesern sehr entgegen kommen dürfte. Langeweile sollte kaum aufkommen.

Das Buch ist näher an den klassischen Märchen als an der typischen, durch Tolkiens Revival geprägten Fantasy. Hier sind Elfen noch kleine Fieslinge und Zwerge einfach nur magische Geschöpfe. Wer noch ein offenes Auge für die Welt der märchenhafte Wunder hat, der sollte das Buch in die Hand nehmen.

Henny Fortuin, 1954 in Rotterdam geboren, arbeitete nach dem Psychologie-Studium mehrere Jahre als Schulpsychologin, bis sie ihre Lust am Schreiben entdeckte. Nachdem sie zunächst Kurzgeschichten für holländische Zeitungen und Kinderzeitschriften verfasste, schrieb sie ihren ersten Roman. „Das Geheimnis der Spinnenhexe“ ist ihr viertes Buch. |(© CARLSEN Verlag)|

_Jens Peter Kleinau_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Unterstützung und Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|