Franz Stütz – Die schöne Wanda (Zwei Romane)

Junge Frauen im Liebestaumel

Am Anfang macht der schönen Wanda die Liebe keinen Spaß. Doch plötzlich findet sie Gefallen an den Männern und ist nun unersättlich. Ihre schönsten Liebeserlebnisse verdankt sie Max und seinem Freund Felix. (Verlagsinfo) Dieser Band enthält zwei erotische Romane eines unbekannten Autors, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielen.

Der Autor

Über den Autor Franz Stütz konnte ich im Internet leider nichts finden, das zu ihm passen würde. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass er österreichischer Herkunft war.

Handlung

1878 erobert das Kaiserreich Österreich das vormals osmanische Land Bosnien-Herzegowina. Unter den Opfern des Feldzugs ist auch eine junge Mutter, die ein kleines rothaariges Mädchen namens Wanda hinterlässt. Ein Soldat vertraut es der Marketenderin Wenzel an, die es aufpäppelt. Ihre Reise führt bis in die Heimat Böhmen, doch nach einer unglücklichen Ehe weiter nach Leipzig. Hier schlägt sich Frau Wenzel als Wäscherin durch und die rasch wachsende Wanda als Zeitungsausträgerin.

Kaum ist Wanda 14 Jahre alt geworden, als sich bereits die ersten Jungs und Männer an sie heranmachen. Nicht nur ihr kupferrotes Haar machen sie nun attraktiv, sondern auch ihre sich entwickelnden Rundungen. Die Adamssöhne zeigen ihr bereitwillig ihr Geschlechtsteil, und das gilt leider auch für den nächsten Ehemann Frau Wenzels, der sich als besonders hartnäckig erweist, aber nicht zum Ziel gelangen kann.

Die drei Brüder

Wanda bittet ihre Pflegemutter, als Hausmädchen arbeiten zu dürfen, doch bei der scheinbar netten Kaufmannsfamilie gerät Wanda vom Regen in die Traufe. Die Dame des Hauses hat drei Söhne. Während der jüngste Wandas Freund wird, wird der älteste ihr Feind, und der mittlere ist – buchstäblich – Mamas Liebling, der sogar in ihrem Bettchen schlafen darf. Madame ist eine sehr sinnliche Frau und genießt ihren Schönheitsschlaf, aber dafür muss Wanda all die liegengebliebene Arbeit erledigen. Als die Hausfrau jedoch entdeckt, was Wanda mit dem jungen Fritz treibt, fliegt sie hochkant hinaus.

Max und Felix

Durch die Vermittlung ihrer Freundin Henriette Frank, die es faustdick hinter den Ohren hat, gelangt Wanda an eine Stelle als Hausmädchen des Herrn Max F. und seiner Frau, die kurz vor der Entbindung steht. Max nützt jede sich bietende Gelegenheit, um Wanda zu verführen und es mit ihr zu treiben. Dafür muss er ihr aber eine angenehmere Kammer verschaffen – direkt neben seinem Schlafzimmer nämlich. Und wenn sein Freund Felix von Schlegel zu Besuch bekommt, wird Wanda abwechselnd von den beiden Herren verwöhnt.

Allerdings stellt sich Felix als recht empfindlich heraus. Er besteht bei der Liebe auf einer Ungestörtheit, die Max fremd ist. Nach mehreren „Störungen“ macht sich Felix wieder von dannen. Aber er lädt die beiden zu sich aufs Land ein, und zusammen mit Henriette Frank haben die vier eine schöne Zeit, die die Damen meist auf dem Rücken verbringen.

Köln

Henriette und Wanda reisen mit einem Begleiter an den schönen Rhein, trennen sich aber von ihm, der südwärts zieht, und treffen in Köln ein. Es dauert nicht lange und zwei Studenten hängen sich an ihre Rockschöße. Kaum sind sie in ihrem Gasthaus eingekehrt, als die zwei sich hereindrängeln und den Frauen an die Wäsche gehen. Der Lover, der Wandas annimmt, ist ein feuriger Franzmann, o làlà!

Das wäre ganz in Ordnung, wenn da nicht die Sache mit dem Geld wäre. Wanda wird ihre komplette Reisekasse los, die sie den beiden Charmeuren aus Barmherzigkeit schenkt, und muss Max F. anrufen (Achtung: Es gibt schon Telefon), damit er Geld anweist, so dass sie sich wenigstens einen Fahrschein nach Leipzig kaufen kann – und für Henriette gleich mit.

Mein Eindruck

Nach der Rückkehr von diesem letzten Abenteuer im Liebeskampf dauert es dann auch nicht sonderlich lange, bis Felix das Zeitliche segnet und Wanda ihrem Max den Laufpass gibt. Was dann aus ihr geworden ist, vermeldet der Chronist nicht. Offenbar war sein Soll an Seiten erschöpft, denn er hätte ja endlos in diesem rhapsodischen Stil weitermachen können: eine Episode an die andere hängen, ohne dass so etwas wie eine Entwicklung zu einer Krise zustande käme.

Stattdessen gibt es eine Erlösung wie aus dem Bilderbuch: In der Kunstgalerie entdeckt eine ausländische Frau Wanda, befragt sie angelegentlich und als Wanda dann auch noch ihr Medaillon vorweisen kann, ist völlig klar: Die Frau ist ihre Mutter! Und noch schöner: Sie ist steinreich.

Man kann sich also leicht vorstellen, dass nicht nur dieser Inhalt auf Groschenheftniveau angelegt ist, sondern auch der sprachliche Stil: Jedes, naja, fast jedes Wort dieses uralten Textes aus der Kaiserzeit lässt sich auf Anhieb verstehen. Doch selbst die Fremdwörter halten sich in Grenzen.

Zum Text

S. 20: „die Hau[s]frau“: Das S fehlt.

S. 62: „Aretino“: gemeint ist Pietro Aretino, der mittelalterliche Autor der „Hurengespräche“.

S. 63: „so dass ihr hinterher nichts weiter übrigblieb, als sich telefonisch Geld von Max zu erbitten.“ Von der grausigen Syntax mal ganz abgesehen, so würde man heute „nichts ANDERES übrigblieb“ sagen.

S. 65: „Chabronneur“. Da es im Web diesen Begriff nicht gibt, handelt sich wohl um einen Buchstabendreher: „charbonneur“ bedeutet „kohlenfarbig“ oder „Drogenhändler“, wahrscheinlich aber auch Minenarbeiter – und das gäbe der Szene einen pikanten Sinn (denn Wanda ist die Mine, in der der Charbonneur rackert).

2) Handlung von „In der Höhle“

Am Rande einer südrussischen Großstadt in den Tagen, „als es noch keine Eisenbahn gab“, heißt das Städtchen, um das es hier geht, „Kutscher-“ bzw. „Grubenvorstadt“ (es gibt in der Südukraine ein ausgedehntes Kohlerevier, das Donezk-Becken), abgekürzt „die Höhle“: weil nämlich alles dunkel vor Ruß ist – die Häuser, die Straßen, die pflanzen und die Menschen. Als dann die Eisenbahn fährt, sind Kutscher und Fuhrleute verschwunden, geblieben sind nur die Bordelle. Ende des 19. Jahrhundert gibt es auf der Hauptstraße dreißig davon, und in den restlichen Bürgerhäusern wird Schnaps usw. verkauft. Je nach Preisklasse handelt es sich um ein Luxusbordell (ab 5 Rubel pro Nacht), eines der Mittel- oder Unterklasse (2 bzw. 1 Rubel) oder um ein Dreckloch (0,5 Rubel).

Im Bordell der Anna Markowna, das in der Mittelklasse angesiedelt ist, erwachen die Leute allmählich zur zweiten Nachmittagsstunde – denn die vorhergehende Nacht war ja Action und Arbeit angesagt. Die junge Hure Ljubka ist die einzige, die schon früh auf ist, denn sie hat die gnädige Erlaubnis erhalten, die Nacht durchzuschlafen – nach einem Dienst an sechs Freiern. Zu ihr gesellt sich die neckische Njura, später folgen Mädchen wie die wütend-arrogante Genia, die mannstolle Pascha, die scheue Manjka, die frühere Nonne Tamara und viele mehr.

Doch Ljubka wird von ihren Eltern schmerzlich vermisst, beklagt sich Polizeikommissar Kerbesch bei Anna Markowna und ihrem Zirkel. Kerbesch ist der Revierkommissar des Viertels. Wie es scheint, wurde Ljubka entführt und durch die Bordelle weitergereicht, bis sie bei Anna Markowna landete. Doch es gibt ein probates Mittelchen, um selbst den Diener des Zaren abzuwimmeln: einen Hundertrubelschein.

Abends öffnet das Haus seine Pforten. Ein Lehrer für Deutsch macht sich an Ljubka heran, doch er erweist sich für die süße Manjka als kalter Fisch, so dass er ein Fall für Pascha ist – für einen anständigen Preis, versteht sich. Genia würde ihm am liebsten die blöde Fresse einschlagen. Doch da kommt Tamaras Liebster Prochor und verschwindet mit ihr. Schließlich kommen deutsche Studenten und Offiziere und wollen versorgt sein. Und so geht es immer weiter durch die Nacht…

Mein Eindruck

Diese Milieustudie erinnert eher an Guy de Maupassant oder Balzac in ihrer klar strukturierten Schilderung des Schauplatzes und seiner Bewohnerinnen. Ringsum herrscht relatives Elend, nur wenige Menschen können sich Luxus leisten, wie ihn das Zarenreich noch bis 1914 kannte. Die Bordelle auf der Hauptstraße sind alle durch eine rote Laterne gekennzeichnet und lassen sich so leicht identifizieren. Die rote Laterne – ein weltweit verbreitetes Signal – verspricht zeitweiliges Vergessen des Elends, ein geborgtes Glück. Es ist eine Szenerie, die man auch bei Dostojewski oder Gorki finden könnte.

Das Haus der Freude

Das Ambiente ist das gleiche wie in dem französischen Film „Das Haus der Sünde“ (O-Titel „L´Apollonide (Souvenirs de la maison close)“) aus dem Jahr 2011, den Bertrand Bonello drehte. Die im Bordell von Anna Markowna logierenden und arbeitenden Damen des horizontalen Gewerbes weisen jeweils einen eigenen Charakter auf, der ihr weiteres Schicksal bestimmt – und wieviel sie jeweils verdienen. Die „mannstolle“ Pascha verdient am meisten, die schüchternen wie Manjka am wenigsten. Dabei ist jede bemüht, den Gast zu möglichst viel Konsum zu animieren. Eine Flasche Schampus ist teurer als etwas ein Bier, doch der Deutschlehrer lehnt sich selbst gegen diesen überteuerten Trank auf. Er ist ein echter Knauser.

Deutsche und Russen

Erstaunlicherweise gibt es in dieser südrussischen Gegend eine ganze Reihe von Deutschen, so dass ein Deutschlehrer, der aus ihren Reihen kommt, durchaus plausibel erscheint. Das war natürlich vor dem Schicksalsjahr 1914, als sich das Zarenreich und das Kaiserreich (die Herrscher waren sogar miteinander verwandt) einander den Krieg erklärten. Alexander Solschenizyn hat darüber in seinem Doku-Fiction-Roman „August 14“, den ich mit Spannung verschlungen habe, eine schonungslose Analyse abgeliefert. Vor allem aber konzentriert er sich auf die einfachen Soldaten, die die Fehler der Kriegsherren ausbaden müssen.

Unterm Strich

Dieser Band der Moewig-Reihe ist eigentlich eine unverschämte Mogelpackung. Während die titelgebende Erzählung aus einer episodischen Aneinanderreihung von erotischen Szenen besteht, kann die Erzählung „In der Höhle“ nur mit einer einzigen erotischen Szene aufwarten, und selbst die besteht vor allem aus Andeutungen. Man muss also schon ein Fan von Erotika sein, um auch diesen Band genießen zu können. Wer allerdings Maupassant und Balzac mag, wird von „In der Höhle“ begeistert sein. Ein gewisser Humor lässt sich dem Text nicht absprechen.

Wandas Schicksalsweg vom Waisenkind zum wiedergefundenen „gefallenen“ Mädchen hingegen könnte genauso gut die Lebensgeschichte einer Dirne sein, wie sie etwa im späten 18. Jahrhundert in Mode waren, sei es in Frankreich, sei es in deutschen Landen. Ich habe noch selten so viele Umschreibungen für die Geschlechtsteile und den Akt an sich gefunden wie in diesem galanten Text. Die Sache mit Mörser und Stößel ist nur ein naheliegender Anfang, aber vielfach werden militärische Ausdrücke gebraucht. Männer haben Waffen, Frauen Liebesgrotten, Höhlen und dergleichen. Das ist schon ziemlich gewöhnungsbedürftig.

Dieser Band wurde am 31.08.1983 von der Bundesprüfstelle indiziert und darf daher nur an Erwachsene verkauft werden.

Taschenbuch: 143 Seiten
ISBN-13: ‎ 978-3811846425

www.vpm.de

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