Friedrich Gustav Schilling (zugeschrieben) – Denkwürdigkeiten des Herrn von H.. Erotischer Roman


Erotische Entdeckungen eines Unermüdlichen

Herr von H. ist das Kind der Liebe eines Edelmannes und eines hübschen Bürgermädchens. Sein Erzeuger lässt ihm eine standesgemäße Erziehung zuteilwerden und legitimiert ihn, als er siebzehn Jahre alt ist. Frühzeitig sieht der Heranwachsende die Mädchen viel lieber als seine Kameraden, die ihn eher langweilen. Erste Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht entflammen ihn bis zur Weißglut. Doch kann er das sinnliche Verlangen, das ihn verzehrt, erst auf der Universität und der daran anschließenden Kavaliersreise durch Europa voll befriedigen. Von seinen Eroberungen unter der Fahne Amors berichtet Herr von H. in diesem Buch mit großer Freimütigkeit.

Hinweis

Dieser Band wurde am 26.2.1983 von der Bundesprüfstelle indiziert (Bundesanzeiger Nr.40). Darüber kann man nur den Kopf schütteln, denn die Interaktion zwischen Männlein und Weiblein ist stets hetero und meist ziemlich lustig.

Der Autor

Friedrich Gustav Schilling (* 25. November 1766 in Dresden; † 30. Juli 1839 ebenda; Pseudonym: Zebedäus Kukuk, der jüngere) war ein deutscher Dichter und Belletrist. Er publizierte vor allem Erzählungen und Romane. Einige seiner ersten Gedichte erschienen in Friedrich Schillers Zeitschrift „Thalia“. Bekannt ist er bis heute durch seinen erotischen Roman „Die Denkwürdigkeiten des Herrn v. H.“ (Wikipedia.de)

Werk

Friedrich Gustav Schilling war ein außergewöhnlich fruchtbarer Schriftsteller. Seine Ausgabe aus letzter Hand umfasste allein über 80 Romane, Novellen und Erzählungen, ohne dabei vollständig zu sein. So fehlten in dieser Ausgabe seine Dramen, Gedichte und auch sein erfolgreichstes Frühwerk „Guido von Sohnsdom“. Überhaupt ist sein Frühwerk nur in Auszügen erhalten geblieben, was nicht zuletzt mit qualitativen Mängeln dieser ersten Versuche zu erklären ist.

Auch später wurden seine Romane und Erzählungen häufig in der Kritik nur mäßig bewertet, so auch von Karl Friedrich Ludwig Goedeke, der schrieb, Schilling sei „in der Wahl der Stoffe flach, alltäglich, in der Erfindung nicht ohne Talent, in der Darstellung lebhaft, mitunter launig, mehr doch spaßhaft, im Stil leichthin, genau mit den Schwächen und Armseligkeiten der Menschen bekannt, nur ohne jede Ahnung einer höheren künstlerischen oder sittlichen Anforderung“, während Ferdinand Stolle anders urteilte, Anlagen und Kräfte seien bei ihm wahrlich bedeutender, als die Mehrzahl der Leser wähne.

Tatsächlich sind die Werke Schillings typische Gesellschaftsromane der Frühromantik, die den Vergleich mit den Werken August Lafontaines oder Jane Austens nicht zu scheuen brauchen. Seine „Denkwürdigkeiten des Herrn v. H.“ wurden in mehrere Sprachen übersetzt und können zu Recht als ein Werk der erotischen Weltliteratur gelten. Seine Berichte über die Feldzüge von 1792 am Rhein und der Doppelschlacht von Jena und Auerstädt sind dabei genauso interessante Zeitzeugnisse, wie seine Jugenderinnerungen.

Da viele seiner Werke autobiografische Züge tragen, stellte 1941 sein Enkel Heinar Schilling aus einigen seiner Texte das Buch „Pauker, Mädchen und Soldaten“ zusammen, in welchem seine Kindheit und Jugend beschrieben wird. 2009 wurde es überarbeitet und erweitert unter dem Titel „Der kleine Junker“ erneut herausgegeben.

Ausgewählte Werke

Meine Launen zu Baden. Wien 1781
==>Denkwürdigkeiten des Herrn von H., eines teutschen Edelmanns. Rom 1787
Gedichte. Freiberg und Annaberg 1790
Guido von Sohnsdom. Freiberg 1791, 3. Aufl. 1802
Röschens Geheimnisse. Pirna 1798
Julius. Freiberg 1799
Clärchens Geständnisse. Freiberg 1799
Das Weib wie es ist. Dresden 1800
Schriften. Dresden 1810
Die Flitterwochen meiner Ehe. Dresden 1812
Friedrich Kind, Friedrich Laun und Gustav Schilling: Das Gespenst, Arnoldische Buchhandlung, Dresden, 1814.
Sämmtliche Schriften. Dresden 1828
Mädchen, Pauker und Soldaten. Dresden 1941, aus seinen Schriften durch Heinar Schilling zusammengestellt
Der kleine Junker. Bautzen 2009, ISBN 978-3-00-029487-7, aus seinen Schriften durch Eric Beyer zusammengestellt. (Wikipedia.de)

Handlung

ERSTES BUCH: ERSTER TEIL

Der Fürst von H. hat die Angewohnheit, sich stets eine hübsche Geliebte unter seinen Untertanen herauszusuchen und sie für ein paar Wochen oder Monate zu benutzen, bevor er ihrer überdrüssig wird und er sich eine Nachfolgerin sucht. Für die aus diesen Verbindungen entspringenden Kinder sorgt er großzügig, so dass selbst tobende Väter zufriedengestellt werden. So ergeht es auch der Mutter unseres Chronisten, der Tochter eines Barbiers. Allerdings mit einem bedeutenden Unterschied: Ihr Sohn Karl wird vom Fürsten offiziell als Sohn anerkannt. Folglich ist für die Zukunft des inzwischen Siebzehnjährigen gesorgt.

Fragen der Anatomie

Nur eine Sache, die ihm Kopfzerbrechen bereitet, bringen ihm die Dozenten an der Schule nicht bei: erstens die Details über die anatomischen Unterschiede zwischen Männlein und Weiblein und zweitens, was damit alles anzustellen ist. Als hat er eines Nachts seinen Vater mit einer neuen Flamme namens Lilla heimlich beobachtet und belauscht, kommt ihm diese offenbar erfreuliche Sache recht rätselhaft und geheimnisvoll vor. Sie erfordert die nähere Erforschung.

Madame Reibhand

Er wendet sich zunächst an Lieschen, die Dienerin seiner Gastwirte. Selbst wenn nun die anatomischen Details ergründet sind und auch das Küssen bestens ankommt, so bleibt doch noch viel zu TUN: Von Madame Reibhand, der Hausherrin ertappt, wird H. zur Rede gestellt. Da er einen prächtigen Ständer hat, liegt Madame der Gedanke nahe, diesen Ständer nutzbringend einzusetzen, und zwar an der dafür vorgesehenen Stelle. Da er seine Sache mehrmals hintereinander zu ihrer Zufriedenheit erledigt, bewahrt er auch das kleine Lieschen vor dem Rauswurf.

Indem H. zahlreiche Gesellschaften besucht, gewinnt er an Gewandtheit im Umgang mit Menschen im allgemeinen und Weibspersonen im Besonderen. Seine Umgangsformen mögen ja gut ankommen, doch die Damen erwarten von ihm mehr Mut, ja, sogar Dreistigkeit. Da ihm dies als wohlerzogener Fürstensohn schwerfällt, sind mehrere praktische Einweisungen in die „Tiefe der Materie“ nötig, bis er begreift, was die Frauen wollen: Sie wollen im Sturm erobert werden. Na sowas.

Madame von G.

So gelingt es ihm, in einer der nächsten Nächte in das Gemach der brünetten Dame zu gelangen, die ihn zuvor im Park verführt hat. Eigentlich ist es umgekehrt: Er ist in den dunklen Korridoren falsch abgebogen und betritt das Schlafzimmer einer alten Vettel. Eine Berührung am rechten Fleck und schon schaudert ihn. Als sie erwacht, sucht er das Weite – und läuft seiner Brünetten in die Arme, die ihn in ihr Gemach lotst. Dort verbringen sie die ganze Nacht im wildesten Liebesspiel. Zu seinem Erstaunen verlangt sie im Morgengrauen von ihm, sich acht Tage lang der Liebe zu enthalten. Es fällt ihm sehr schwer, dieses Versprechen zu geben, und auch erst nach einem letzten Liebeskampf.

Lieschen

Natürlich wird er sofort rückfällig. Er kehrt zurück zu Lieschen im Haus von Madame Reibhand und verbringt mit ihr vergnügliche Stunden. Doch kaum ist die Frist der Enthaltsamkeit um, führt ihn sein Weg wieder zum Domizil der Madame von Gossen. Sie verrät ihm ihren Namen und führt ihn in die tieferen Gründe der ewigen Liebesschlacht ein. Schließlich gewährt er den sehnlichsten Wunsch: Sie darf einen Tag lang völlig über ihn bestimmen. In der anschließenden Nacht kann er sich keineswegs über mangelnde Zuwendung beklagen.

ZWEITER TEIL

Karls Adoptivvater, der Fürst, hat beschlossen, sich zur Ruhe zu setzen. Er hat einige seine Güter verkauft, um Schulden zu tilgen, bezieht aber noch Einnahmen aus weiteren und übergibt seinem Sohn das Gut Blassenheim. Nachdem dort die Angelegenheiten geregelt sind, gibt Karl ein kleines Fest. Auch Madame von Gossen gibt sich die Ehre, und so lernt sie endlich Karls Vater und dessen Lebensgefährtin Lilla kennen. Anschließend muss Karl zum Militär, denn Daddy hat ihm eine Stelle als Leutnant verschafft. Karl plant zudem, an einer Universität nützliche Studien zu betreiben.

Mutter Dore

Ein halbes Jahr der sexuellen Entbehrungen machen Karl verdrießlich, weshalb sein Diener Balthasar ihm empfiehlt, sich um Frauenbekanntschaften zu kümmern. Die Soldaten begeben sich regelmäßig ins Bordell von Mutter Dore, um sich zu erleichtern und zu besaufen. So bringen sie ihren Hungerlohn durch. Darauf hat Karl überhaupt keine Lust, doch sein Freund, der gelehrte, warnt ihn vor den Folgen einer Weigerung, sich den Kameraden anzuschließen: Karl würde ohne Ende getriezt und geärgert, vielleicht sogar angeschwärzt werden. Das Etablissement erweist sich als sauber, und die „Mühmchen“ bis auf eine als zynische Weibsbilder. Diese eine, die Blondine mit den blauen Augen, fällt Karl auf, sie nimmt ihn mit auf ihr karges Zimmer. Anscheinend ist sie noch nicht so moralisch verdorben und körperlich verbraucht wie ihre Schicksalsgenossinnen, so dass es Karl gelingt, ihr einen schönen Höhepunkt zu verschaffen. Das weckt die Eifersucht ihrer Kolleginnen…

Die Dürre und die Dicke

Dem Rat Balthasars folgend schaut sich Karl in der Stadt um. Frau von F. kennt Karl, und als ihr Gatte, ein leidenschaftlicher Spieler, fort ist, nutzt Karl die günstige Gelegenheit. Die magere F. erweist sich indes als an strategisch wichtigen Stellen als ausgeleiert bzw. mangelhaft ausgestattet. Ihr genaues Gegenteil ist die üppige Gräfin T-g. Obwohl erst 24 Jahre alt, ist sie so fleischig, dass alles an ihr wabbelt und schwabbelt. Auf dem Höhepunkt fällt sie in eine echte Ohnmacht…

ZWEITES BUCH: DRITTER TEIL

Eine kapriziöse Schauspielerin

In einem Dorf, zu dem ihn Balthasars Kutsche bringt, lernt Karl einen Schauspieler und drei Schauspielerinnen kennen. Nur eine davon, die sich „Madame Zerha“ nennt, erhört sein Flehen und wird mit einem wilden Liebesritt belohnt. Als er sie anderntags besucht, lässt sie sich erneut verführen, will aber von einem dritten Liebesritt partout nichts wissen.

Ein dunkler Fall

In den engen Gassen der nahen Altstadt spricht ihn ein Dienstmädchen an, die ihn zu ihrer Herrin bittet. Doch die Gemächer der Madame sind stockfinster, und das mit voller Absicht: Ihr Gatte, ein alter Knacker, sei sehr eifersüchtig. Nach einigem Techtelmechtel in einem Vorzimmer taucht der alte „Knasterbart“ tatsächlich auf und will in die gute Stube. Das Dienstmädchen Dortchen hat Karl bereits vorgewarnt, so dass er sich rechtzeitig in einem Kleiderschrank verstecken kann. Der steht zum Glück nicht im Vor- oder Schlafzimmer, sondern nebenan, so dass Dortchen ihn leicht abholen kann. „I pfui doch!“ ruft sie mehrmals, als er ihr in ihrem Gesindezimmer an die Wäsche geht, um sie zu ebenfalls zu beglücken. Das ist ihr gar nicht so unwillkommen.

Verliebt!

Bei dem Besuch einer Gesellschaft auf dem Lande lernt Karl einen älteren Herrn kennen, der sich als Geschäftspartner seines Vaters herausstellt und ihn, Karl, sehr freundlich behandelt und zu sich nach Hause einlädt. Schon bedauert Karl das Fehlen jeglicher eroberungswürdiger Weiblichkeit, als eine Amazone das Lokal, die sein Herz blitzartig höher schlagen lässt. Sie entspricht in jeder Hinsicht seinem weiblichen Ideal, kurzum: eine Göttin. Weil sie die „Frau Tochter“ des älteren Herrn ist, darf er hoffen, sie wiederzusehen.

Anderntags steckt ihm Dortchen ein Billett zu, in dem ihn jene Schöne der Dunkelheit zu sich einlädt. Wieder auf der Hut vor dem alten „Knasterbart“ schleicht sich Karl zum Haus, wo schon Dortchen wartet. Sie führt ihn zu Madame, die diesmal ausnahmsweise von Tageslicht umspielt wird. Doch sie wirft ihm vor, sie mit dieser Madame Flamman zu betrügen. Wie ein Schlag trifft ihn die Erkenntnis, dass sie mit der göttlichen Amazone identisch sein muss! Nun muss er es nur noch schaffen, Madame Flamman alias die Amazone zu beglücken, bevor ihr Tattergreis seine Ansprüche geltend machen kann. Gesagt, getan. Ach, was für eine Schande, so blutvolle junge Frauen mit alten Männern zu vermählen und wegzusperren!

Alternativen

Als Flamman entdeckt, dass sie schwanger ist, verweigert sie jeden weiteren Liebeskampf, so dass sich karl erneut auf die Suche macht. Mademoiselle Raschmann ist alles andere als rasch bei der Sache, sondern erweist sich als sehr ängstliche Jungfrau. Da sie in die Stadt zieht, geht die Suche weiter. Die nächste erweist sich als Putzmacherin, die kaum nennenswerte „Milchhügel“ vorzuweisen hat, aber über eine ungewöhnliche Anatomie verfügt, die Karl zu einer ungewohnten Stellung zwingen. Die dritte ist eine Witwe von mehr als 30 Jahren, die sich als ebenso erfahren wie anhänglich erweist. Ihre Ejakulation ist ungewöhnlich stark, was nicht unwillkommen, aber auf Dauer eine nasse Angelegenheit ist.

Andere Länder, andere Sitten

Die deutschen Lande sind nicht genug, daher sucht Karl ausgefallenere Erfahrungen. Die erste Reise führt Karl und seinen Diener Balthasar nach Lyon, nach ein paar Nächten der Vorbereitung mit der Gräfin C. aus Holland lernt Karl in Lyon eine vielversprechendes Frauenzimmer kennen, das nur eine dünne Wand von seinem eigenen Zimmer entfernt logiert. Nach dem ersten erfreulichen Liebeskampf muss Karl jedoch bald entdecken, dass sie auch für andere Männerbekanntschaften sehr empfänglich ist. Sie treibt es mit zwei Männern zugleich. Als sie erschlaffen, vergleicht sie sie mit ihrem „plumpen Deutschen“. Das kann Karl nicht auf sich sitzen lassen und zahlt es ihr heim.

In Paris, Mittelpunkt der Welt

Endlich in Paris, dem Zentrum der Kultur und der Liebe. Karl findet dank mehrerer Empfehlungsschreiben Zugang zu den besseren Kreisen und lernt die Marquise von B. kennen. Er erobert sie im Sturm, wie es seine Gewohnheit ist, und erhält eine Einladung in ihr „petite maison“, das sich in einer Vorstadt befinde. Das Landhaus entpuppt sich als Palast, der über einen sehr schick gestalteten Garten verfügt. In dieses Idyll tappt der Neuankömmling, um seine Schöne zu finden. Sie nennt sich „Daphne“ und er solle ihr „Apoll“ sein. Zu Flötenmusik gibt es allerlei Vereinigungen.

Ein Marquis lädt Karl zu einer Party in seinem eigenen „petite maison“ ein: Drei Gentlemen werden von sechs angeheuerten Mädchen verwöhnt, eine kräftige Konstitution wie die von Karl ist von Vorteil. (Seltsamerweise ist auch dieses harmlose Kapitel bei Moewig gekürzt.)

In London

Die Damen in London, die Karl kennenlernt, sind von langweiliger Durchschnittlichkeit, daher empfiehlt ihm sein Diener Balthasar, den Preis zu verfünffachen, und siehe da: Die Qualität ist nun ganz annehmbar. So lässt es sich auch London ganz angenehm leben und lieben.

In Italien

Das „kleine Anekdötchen“, das der Autor hier zum Besten gibt, entpuppt sich als veritable Räuberpistole. In Rom hat sich Karl in eine Pension einquartiert. In der Nacht träumt er von den Schönheit der Römerinnen, als ein Lärm draußen dazu veranlasst, die Tür zu öffnen. Schon stürzt ein Frauenzimmer halb tot in seinen Raum. Es bittet offenbar um Hilfe und Rettung, aber vor wem? Vor dem Marchese S., der sie nach einem Theaterbesuch entführen wolle! Karl bewaffnet sich mit seinem Degen und tritt zum Eingang. Dort verlangt jemand seine „Schwester“, doch der bewaffnete Karl und der Wirt vertreiben diese Bagage. Anschließend wacht er über den heilsamen Schlaf der Schönen.

Zusammen reisen sie gen Norden, denn die Signorina ist die Tochter des Kaufmanns Battioli aus Florenz. Dort soll sie ihren Verlobten ehelichen. Glücklicherweise besitzt sie noch ihre Jungfräulichkeit, und sobald dies der Bräutigam amtlich festgestellt hat, bedankt er sich ebenso herzlich wie der Brautvater. Einige Feste werden gefeiert. Doch das beste Geschenk, das Karl bekommt, ist eine Nacht mit der frischgebackenen Braut. Ja, auch die Italienerinnen verstehen etwas von Ehre, resümiert Karl.

VIERTER TEIL

Der Mangel an Licht erweist sich nicht immer als Nachteil. Diesmal irrt sich Karl in einem Hotel der Stadt B. im Zimmer und fällt ins Bett. Wenig später wecken ihn die Stimmen dreier junger Frauen aus dem Schlaf: Es sind Julchen und ihr Bäschen (Cousine) sowie ihr Dienstmädchen. Kaum ist letzteres fortgeschickt, fallen die beiden jungen Frauen übereinander her. Sie kommen gerade von einem Empfang und haben gar „artige“ Mannsbilder kennengelernt.

Karl macht sich bemerkbar, denn der Anblick dieser lesbischen Spiele hat ihn erregt. Als er sich ihnen im Adamskostüm zeigt, fallen beide in Ohnmacht. Als sie erwachen, wollen sie ihn fortschicken. Er widerspricht, bringt sie vielmehr in das Bett, das eigentlich ihnen zustünde. Seine Liebeskunst macht sich schnell bezahlt, denn die beiden Damen entpuppen sich als feurige Dienerinnen der Venus, und ihre Tempel strömen schon bald über. Tatsächlich werden sie aufeinander neidisch, und so muss Karl seine Liebeskunst verdoppeln oder teilen, wie es gerade nötig ist.

Liebe im Dreieck

Madame Gossen und sein Vater freuen sich über Karls Rückkehr. Er macht sich an die jahrelange Arbeit, die Landschaft rund um sein herrschaftliches Anwesen zu einer Rokoko-Idylle zu gestalten. Nun fehlt ihm noch eine Sache, um sein Glück vollkommen zu machen: eine liebende Frau und viele Kinder, die diese Pracht einmal erben können. Das ist umso dringender, nachdem sein Vater das Zeitliche gesegnet und seine Geliebte Lilla zurückgelassen hat.

Die stets dankbare und herzliche Madame Gossen weiß genau die richtige Frau für Karl: Julchen aus B. Das ist allerdings ein anderes Julchen, denn diese junge Dame ist noch Jungfrau. In einer denkwürdigen Nacht macht Madame die beiden zu Liebenden, die nach erfolgreichem Liebeskampf einander versprechen. Damit sie künftig nicht leer ausgeht, aber dennoch ihren eigenen Mann behalten kann, regt sie ein Arrangement für eine Dreiecksbeziehung an. Karl ist gleich dafür, aber Julie willigt erst ein, als sie ihren Karl nach der Hochzeit fest an sich gebunden weiß.

Mein Eindruck

Dieser erotische Roman spiegelt die Blütezeit des Rokoko in reinster Form wider. Während kirchliche Religion keine Rolle mehr spielt, phantasieren sich die Verliebten, denen Liebe eine hohe Kunst ist, in eine griechische Schäferidylle fort. Hier treffen Daphne und Adonis ebenso zusammen wie Venus und Gott Hymen (Klitoris). Das mag zunächst etwas gewöhnungsbedürftig wirken. Aber in Zeiten der sexuellen Unterdrückung durch Klerus und Obrigkeit kamen solche erotischen (und vielfach verbotenen) Schilderungen einem Befreiungsschlag gleich.

Vielfach wird hier über die Stränge der Tabus geschlagen, wenn auch längst nicht so wild wie bei Marquis de Sade: Flotte Dreier, Orgien und lesbische Neckereien sind durchaus willkommen. Aber Karl, der Protagonist, ist strikt hetero und lässt nichts anbrennen. Mit Angehörigen des eigenen Geschlechts weiß er nichts anzufangen. Seine ganze Religion gilt den heiligen Geschlechtsteilen der Frauen, die er in alle Einzelheiten zu schildern weiß, auch die von älteren Frauenzimmern.

Diese Schilderungen sind nicht Selbstzweck, denn er wendet sich vielfach an seinen Leser: Seine Geschichten dienen der Aufklärung des „teutschen“ Landmanns. Dabei befinden sich die Beschreibungen auf dem Stand der damaligen Anatomie- und Medizinkenntnisse, sind also voller Irrtümer: So kommt der Hodensaft beispielsweise aus der Niere. Und woher die vielfachen „Ergießungen“ in den Liebesgrotten der hier auftretenden Frauen stammen, kann der Erzähler nicht erklären.

Etwas kurios ist stets das Auftauchen des Gottes Hymen, um den einst ein ganzer Kult gepflegt wurde. Wer meint, es handle sich wie einst konkret um das Jungfernhäutchen, der irrt wohl. Ich vermute, damit soll die Klitoris beschrieben werden. Diesen Gott zufriedenzustellen, ist für Karl oberstes Gebot, und das dürfte bei allen weiblichen Lesern auf Beifall stoßen.

Andere Länder, andere Sitten

Wie Madame de Stael einst über die Deutschen schrieb, so lässt es sich Karl nicht nehmen, die Liebessitten der Engländer, Franzosen und Italiener auszukundschaften und mit dem eigenen Leib zu testen. Als Fürstensohn verfügt er über das nötige Kleingeld, und schriftliche Empfehlungen öffnen ihm Tür und Tor. Die Abenteuer sind nicht nur galanter Art, sondern arten mitunter in Kämpfe aus.

In diesen Lebenslagen erweist sich, über welchen Ehrenkodex Karl verfügt. Er ist kein Wüstling wie die Hauptfigur in Foreggers Roman „Paradies der Venus“ und auch kein berechnender Graf wie in Crébillons „Sittenbilder unserer Zeit“. Seine Hochachtung vor dem weiblichen Geschlecht wankt nie, auch wenn sie durch ältere Vetteln manchmal auf die Probe gestellt wird. Am besten gefiel mir Karls Abenteuer in Rom und Florenz.

Textfragen

Ich konnte die vergriffene Moewig-Ausgabe mit der noch erhältlichen Kiepenheuer-Ausgabe aus der DDR vergleichen. Dabei musste ich bei Moewig vielfach Kürzungen feststellen, besonders dann, wenn Schmerzen erwähnt werden, beispielsweise bei einer Entjungferung. Insbesondere im letzten Kapitel fehlen deshalb ganze Absätze. Deshalb kann ich die Kiepenheuer-Ausgabe empfehlen: Sie ist vollständig, im Wortlaut gleich, illustriert und immer noch erschwinglich. Nur dass Kiepenheuer den Autor stets „Gustav Schilling“ statt und den „Friedrich“ weglässt.

Buch I

S. 109: „Das ist schnackisch!“, sagt das bäuerliche Lieschen. Sie meint offenbar „lustig“ oder „komisch“. In der Moewig-Ausgabe steht „lustig“.

S. 203: Mühmchen: Huren.

S. 210: „mein Nierensaft“: Anscheinend war der Chronist in Fragen der Anatomie des Unterleibs nicht auf dem heutigen Stand. So kommt es wohl zu der kuriosen Annahme, dass Sperma aus den Hoden in die Nieren transportiert wird, um von dort als Samenflüssigkeit ausgestoßen zu werden. Heute weiß man, dass die Prostata diese Stelle einnimmt: Sie fügt dem Sperma Flüssigkeit hinzu.

Buch II

S. 129 (Moewig): „billig“: gerecht.

S. 133 und öfter: mit „Hymen“ meint der Autor nicht wie übliche das Jungfernhäutchen, sondern die Klitoris. Hier steht beispielsweise „der kleine Hymen stand wie ein Ast.“

Ich hatte Gelegenheit, die Moewig-Ausgabe mit der bei Kiepenheuer zu vergleichen. Die nicht sonderlich überraschende Entdeckung: An vereinzelten Stellen hat Moewig gekürzt, und zwar überall dort, wo der Leser irgendwie Anstoß nehmen könnte. Hier blutet keine einzige Jungfrau, und die Franzmänner sind die besten Landsleute der Welt – ganz im Unterschied zu den Textstellen bei Kiepenheuer.

„Girren“: ein undefinierbarer Laut, den Frauen häufig bei Schilling ausstoßen, sobald sie sich dem Höhepunkt nähern.

„niedlich“: Alles was klein, süß und erotisierend ist, besonders an einer Frau.

„artig“: im veralteten Sinne alles, was attraktiv wirkt, etwa das kantige Kinn und der „feurige Blick“ eines forschen Mannes.

S. 182 (Moewig): „ein korpulenter Abt machte Bank und die Duchesse schlug (…) ein l’hombre vor.“ Offenbar geht es hier um ein Kartenspiel.

Auf Seite 8 (Moewig) verweist der Autor auf den Roman „Tristam Schandy“ des Engländers Laurence Sterne aus dem Jahr 1759. Er nennt ihn als abschreckendes Beispiel, wie es ein Romanautor NICHT machen sollte, denn der Erzähler braucht den halben Roman, um auch nur die Geburt seiner Hauptfigur erzählen zu können. Es ist aber auch ein Beleg, dass der Autor Schilling durchaus die aktuelle Lektüre seiner Zeit kannte. Korrekt lautet der Name der Figur aber „Tristram Shandy“.

Die Illustrationen

„Die der Ausgabe beigefügten Illustrationen wurden dem Werk ‚Le paysan perverti‘ (Paris 1776-1784) von Rétif de la Brétonne entnommen. Die Wiedergabe der Kupferstiche von Louis Binet aus diesem Werk erfolgte mit freundlicher Genehmigung der Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen Literatur in Weimar.“

Die Illustrationen sind sehr geschmackvoll in der Darstellung und zeigen häufig dynamische Aktionen zwischen einem Gentleman und einer jungen Madame. Diese trägt stets ein Korsett, das ihre Taille unwahrscheinlich schmal erscheinen lässt. Im zweiten Buch kommen weitere Personen ins Bild.

Unterm Strich

Der erotische Roman ist sehr flott erzählt, denn der Erzähler (= Autor) hat, wie er selbst erwähnt, alle unwichtigen und unwesentlichen Nebensächlichkeiten weggelassen. So entsteht der Eindruck, dass sich die Hauptfigur Karl steht nur auf das Eine konzentriert: die Eroberung einer schönen Frau. Er begnügt sich dabei nicht mit deutschen Vertreterinnen der holden Weiblichkeit wie etwa Madame Gossen, sondern wagt sich auf die erotischen Minenfelder der Franzosen, Engländer und Italiener vor.

Diese intimen Begegnungen unterhalten den Leser kurzweilig, aber sie transportieren unterschwellig auch aufklärerische Gedanken und wissenschaftliche Informationen. Die Entschuldigung für solche tabubrechenden Schilderungen wie lesbische Spielchen und französische Orgien bilden scheinbar die antiken griechischen Vorbilder, die damals sehr im Schwange gewesen sein müssen. Deshalb taucht als einzige Religion die Verehrung antiker Götter wie Venus auf. Es ist das Zeitalter des Rokoko und der sogenannten „Empfindsamkeit“, aber nicht auf der rührseligen Seite, sondern auf der klassizistischen.

Schäfer-Idyllen werden bis ins feinste Details ausgemalt, als ob sich der Leser speziell daran ergötzen solle. Der Leser fühlt sich angesichts dieses Umgestaltungswahn vielleicht an jene bäuerliche Idylle erinnert, die Marie-Antoinette, die Frau von Ludwig dem Sechzehnten extra in einer Ecke der Gärten von Versailles für sich einrichten ließ. Oder an die bis heute existenten Gärten von Fürst Pückler-Muskau.

Hinweise

Von den beiden existenten Ausgaben bei Moewig und Kiepenheuer kann ich nur die letztere vorbehaltlos empfehlen: Sie ist vollständig und ungekürzt. Auch wenn die Illustrationen selten zur jeweilige Textstelle passen, so erinnern sie den Leser doch an die damalige Zeit und die Boudoirs der Damen von Stand. Wenn eine dritte Figur auftritt, so erhält die Szene eine Pikanterie, die man heute in der erotischen Literatur, soweit noch existent, vergeblich sucht.

Taschenbuch: 222 Seiten.
O-Titel: Denkwürdigkeiten des Herrn von H., eines teutschen Edelmannes, 1787
ISBN-13: 9783378003255

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