Fritz Leiber – Schwerter im Kampf. Geschichten um Fafhrd und den Grauen Mausling

Zwei Helden gegen Zauberer der besonderen Art

Fritz Leiber hat mit seinen „Schwerter“-Erzählungen in jahrzehntelanger Arbeit einen der interessantesten und spannendsten Zyklen der Fantasy geschaffen. Im Mittelpunkt das sehr ungleiche Anti-Heldenpaar Fafhrd und der Graue Mauser. Die beiden haben es auf ihrem Kontinent Newhon längst zu einem eigenen Zyklus im Reich der Graphic Novels geschafft.

Der Heyne-Verlag veröffentlichte 1972-76 zunächst die Bände „Schwerter und Teufelei“ (Band 3307), „Schwerter im Kampf“ (Band 3501), „Schwerter gegen den Tod“ (Band 3315), „Schwerter gegen Zauberei“ (Band 3331) und „Die Schwerter von Lankhmar“ (Band 3339).

Schließlich wurden 1986 alle Erzählungen und Romane des Schwerter-Zyklus in zwei Sammelbänden namens „Schwerter im Nebel“ (Nr. 4287) und „Schwerter in Lankhmar“ (Nr. 4288) ungekürzt veröffentlicht. Sie sind heute gesuchte Sammlerstücke. Neuausgaben zu Liebhaberpreisen hält der deutsche Verlag Edition Phantasia bereit.

Der Autor

Der US-Autor Fritz Leiber (geboren 1910 in Chicago) machte sich mit seinen Fantasygeschichten über Fafhrd, den hünenhaften Nordländer, und den Grauen Mauser, einen südländischen Degenfechter, quasi unsterblich, so groß war seine Serie und so beliebt bei den Lesern. Aber Leiber erweist sich auch in seiner Horror Fiction und Science Fiction als ein Virtuose im Umgang mit zeitgenössischen Ängsten und Anliegen.

Neben Lovecraft und Ray Bradbury gehört Leiber zu den Autoren des Genres, die es wirklich verstehen, das doppelbödig Bedrohliche unserer modernen Zivilisation aufzuzeigen: den Urban Horror. Bestes Beispiel dafür ist sein Roman „Herrin der Dunkelheit“ (1976), aber auch die tolle Story „Gonna roll the bones“, in der der Teufel persönlich auftritt. Mit „The Big Time“ und „Catch that Zeppelin“ schrieb er preisgekrönte Erzählungen über die Zeit bzw. einen alternativen Geschichtsverlauf.

Die Erzählungen

1) Harte Zeiten in Lankhmar (Lean Times in Lankhmar, 1968)

Die einst so treuen Gefährten, der hünenhafte Fafhrd und der Graue Mausling, haben sich wegen einer Lappalie entzweit, und jeder geht in Lankhmar, der Stadt der Diebe, seiner eigenen Wege. Der Mausling verdingt sich bei dem Unterweltboss Pulg und macht sich im Business der Schutzgelderpressung einen Namen, insbesondere auf der Straße der Götter. (Dabei geht es um fremde Götter, die sich in Lankhmar niedergelassen haben und dort in Tempelchen Verehrung genießen, nicht um die Götter von Lankhmar selbst.)

Fafhrd hingegen findet Gefallen an dem Priester Bwadres, der den Gott Issek verehrt. Zusammen haben sie erheblichen Erfolg auf der Straße der Götter, denn Bwadres ist mindestens ebenso überzeugend wie sein muskelbepackter Begleiter, der den Klingelbeutel herumgehen lässt. Es dauert nicht lange, bis sie auf der langen Straße der Götter aufsteigen und zu den lukrativsten Plätzen gelangen. Lukrativ in dem Sinne, dass die Einnahmen im Klingelbeutel erklecklich geworden sind.

Das bringt sie aus Kollisionskurs zu Pulg und seinem Handlanger, dem Mausling. Denn wenn er nun nicht mit der obligatorischen Schutzerpressung beginnt, dann tut es garantiert Pulgs schärfster Konkurrent. Also hat der Mausling mit seinem Exgefährten ein ernsthaftes Wörtchen zu reden. Und er hat schon einen (fast) genialen Plan auf Lager.

Mein Eindruck

Was nun folgt, ist eine „göttliche Komödie“, die in der der stark veränderte Fafhrd als Gott Issek auftritt. Das ist „bathos“ in Reinkultur, das Gegenteil von „pathos“. Und die bedrohliche Lage, in die der Graue Mausling sich und seinen Freund gebracht hat, entwickelt sich mit Hilfe von etwas Action und Überraschung doch noch zu einem Erfolg. Was die beiden nicht davon abhält, das Weite zu suchen, bevor es sich Unterweltgeneral Pulg anders überlegt.

Hier wird die landläufige religiöse Verehrung kleiner Leute durch den Kakao gezogen, die lieber die Schauwerte einer Religion zu ihrer Unterhaltung benutzen, als sich mit dem Inhalt, den Glaubenssätzen einer Religion zu beschäftigen. Der Priester Isseks bietet eine gute Show, und Fafhrd als sein Gehilfe trägt ein Gutteil zu deren Erfolg bei. Aber was kann man in einer Stadt wie Lankhmar, die verdächtig wie die Halbwelt von New York City aussieht, schon von solchen Priestern erwarten?

Auf jeden Fall sorgt diese einfallsreich gestaltete Fantasystory für ein gerüttelt Maß an Spannung, Action und Humor. Und die Schlusspointe ist ebenfalls ein Clou: Fahrd ist überzeugt, er habe den Gott Issek nicht bloß gespielt…

2) Tor zu einer anderen Welt (Their misstress the sea / The wrong branch)

Nach diesem Abenteuer begeben sich die beiden Freunde auf die Suche nach weiteren Abenteuern, aber weder Wüstendurchquerungen noch Piratenabwehr sagen ihnen so recht zu, und so segeln sie gen Ilthmar, um Ningauble, den magischen Riesen, in seinem Höhlenlabyrinth zu besuchen. Diese Höhle ist nämlich in Wahrheit eine Vielfachkreuzung mehrerer zeitlicher Dimensionen. Von hier kommt man praktisch überallwann hin.

Ningauble ist nicht zu Hause, hat aber eine Nachricht hinterlassen. „Der Fluch des Seekönigs ist aufgehoben. Ningauble.“ Was mag das nur bedeuten? (Dies ist ein nicht sonderlich subtiler Hinweis an den Leser, dass an dieser Stelle eine Erzählung, nämlich „Der Seekönig“, weggelassen wurde!)

Wie auch immer – mit ihren Ponys reiten sie durch einen Höhlengang nach dem anderen, bis sie die falsche Abzweigung nehmen und eine sonderbare Verschiebung spüren. Als sie den Höhlenausgang erreichen, wird ihn bald klar, dass sie nicht an ihrem beabsichtigten Ziel angelangt sind, sondern ganz woanders: im phönizischen Tyrus am Ende des 4. vorchristlichen Jahrhunderts, als die Seleukiden das Erbe Alexanders des Großen angetreten haben.

Mein Eindruck

Diese Erzählung dient lediglich der Überleitung von einer Novelle zur nächsten – und „Das Spiel des Adepten“ ist immerhin 90 Seiten lang… Dennoch ist die Überleitung alles andere als langweilig. Der Humor ist wieder mal sehr ironisch, denn die beiden Helden machen zwar eine Zeitreise, landen aber in der falschen Zeit.

3) Das Spiel des Adepten (Adept’s Gambit 1-9)

Tyros ist eine turbulente Hafenstadt in der Levante, die einmal der Libanon werden soll. Die Schänke erscheint den beiden Freunden als nichts besonders – bis zu dem Augenblick, als sich das galatische Animiermädchen in Fafhrds Arm in eine nackte Sau verwandelt. Wer steckt hinter diesem humorlosen Zauber? Ist es etwa die stumme Perserin Ahura, die verachtete Kollegin der Galaterin, die sich da hinter den Weinfässern versteckt?

Von allen Sklavenmädchen in dieser Schänke verwandelt sich nur Chloe nicht, die Favoritin des Mauslings. Sie besitzt ein schützendes Amulett, das ihr Ahura einst schenkte. Bis den Freunden dieser Unterschied aufgeht, müssen sie steigendes Misstrauen hinsichtlich ihrer sexuelle Vorlieben erdulden. Schließlich gelangen sie zur Einsicht, dass ihnen nur noch Ningauble helfen kann, den Fluch loszuwerden.

Der siebenäugige Bote der Götter ist rätselhaft wie immer, aber auch wahnsinnig neugierig auf die Klatsch-und-Tratsch-Geschichte, die ihm der Mausling verlockend anbietet. Erst findet er die Verbindung der beiden Helden zu den Älteren Göttern fragwürdig, dann sagt er, hinter dem Fluch müsse ein Mann stecken, noch dazu ein Adept der Schwarzen Magie. Um den Fluch loszuwerden, müssen sie mehrere unmögliche Aufgaben erledigen und schließlich auf die „fertige Frau, die kommt“ warten.

Nicht wirklich glücklich mit diesen Hinweisen und Aufgaben, machen sich die Freunde wieder auf den Weg, doch diesmal suchen sie die gewünschten Gegenstände zusammen: einen Zweig vom Baum des Lebens, den Schierlingsbecher des Sokrates, das Leichentuch des Ahriman mit einer Landkarte darauf – und eine mysteriöse Frau, auf die sie in Tyros warten sollen, „bis sie fertig ist“. Diese Frau stellt sich als Ahura, die Schweigsame aus der Schänke, heraus. Zusammen brechen sie auf, um in der Gegend von Armenien die Vergessene Stadt zu suchen.

Ahura kennt den Weg. Doch der Mausling hegt bald einen sonderbaren Verdacht – dass Ahura, wie Ningauble sagte, durchaus keine Frau, sondern vielmehr ein Mann sei, zumindest aber ein Hermaphrodit. In der Vergessenen Stadt soll sich am bezeichneten Grabmal erweisen, ob er mit dieser Vermutung recht hat…

Mein Eindruck

Zunehmend liest sich die lange Erzählung, zu der sich Ahura, die nach dem Grabmal-Zwischenfall wie ausgewechselt erscheint, hinreißen lässt, wie eine Geschichte von H. P. Lovecraft. Denn es geht im Kern um Identität und deren Beherrschung, Wechsel und Austausch.

Wie Ahura Devadoris von ihrem Zwillingsbruder Anra erzählt, entwickelte der schwächliche, ans Haus in Tyrus gebundene Bruder eine Vorliebe für geheimes und verbotenes Wissen. Als erstes lernte er, durch Ahuras Augen die Welt zu sehen und zu erkunden. Erst spät ging ihr auf, dass er sie, die ihn liebt, wie eine Sklavin benutzt. Dann begann Anra, seine Identität an drei geheimnisvolle Steine im Keller des Hauses der Mutter zu binden.

Doch er brauchte einen Lehrer, um in seiner Kunst weiterzukommen. Diesen Lehrer, den bartlosen Alten, entdeckte Anra, durch Ahuras Augen blickend, eines Tages in eben jener Schänke, in der später Fafhrd und der Mauser einkehren. Dieser Alte war und ist ein Diener Ahrimans, des bösen Prinzips. Er nahm Anra unter seine Fittiche und lehrte ihn, Körper fremder Menschen ebenso zu benutzen wie in den Körper seiner Schwester Ahura zu wechseln, der doch viel gesünder und stärker ist als sein eigener. Unbeobachtet gelang es Ahura, Chloe durch ein Amulett zu schützen. Ahuras Seele wurde ihrerseits gezwungen., in Anras Körper gefangen zu bleiben, bis eines Tages alle drei zur Vergessenen Stadt aufbrechen…

Der Tausch und die Austauschbarkeit des Körpers ist ein unheimliches Prinzip, das man bei Lovecraft & Konsorten mehrfach findet. Dieses Prinzip macht es den beiden Freunden aber auch sehr schwer, den bösen Anra zu töten. Nach dem Zwischenfall am Grabmal kommt es zu einem zweiten Showdown in einem auf einem Berg gelegenen Nebelschloss.

Wie schon in der Schänke zeigt sich im Schloss die bemerkenswerte Wirkung des Gelächters: Er stört den Zusammenhalt zwischen Seele und (Gast-) Körper. Es ist ein Geschenk der Älteren Götter, und als Fafhrd in jener Hafenschänke lauthals und herzhaft lachte, erweckte er Ahuras/Anras Interesse. Dieses Interesse hatte den Fluch zur Folge, der Mädchen in Schweine und Schnecken verwandelte. Am Schluss des Abenteuers ist der Fluch aufgehoben – hoffen sie jedenfalls. Das Ende kommt ein wenig abrupt.

Die Übersetzung

Wie schon erwähnt, wurde der Originalband um eine Geschichte gekürzt. Das macht diese Ausgabe etwas dubios. Die Kürzung war der Begrenzung des Umfangs auf 160 Seiten geschuldet und findet sich häufig bis Mitte der siebziger Jahre.

Mehrere Fehler konnte ich finden, aber keiner davon war gravierend. So etwa wird „Ormuzd“, der urpersische Vertreter des Guten, ständig „Ormudz“ geschrieben. Interessanterweise ist die vorliegende Textform fehlerärmer als die vollständige Fassung in der oben erwähnten Sammelausgabe „Schwerter im Nebel“…


Unterm Strich

Die Art von Humor, mit der der Autor diese Geschichten erzählt, ist „tongue in cheek“, also schelmisch. Sie sollen durchaus nicht immer ernstgenommen werden. Aber das Vergnügen, das der Leser aus ihnen zieht, ist das überlegene Wissen, dass sich die beiden Helden doch nicht sonderlich intelligent anstellen. Andererseits könnte man den Leser fragen, wie er sich denn selbst in einer dieser vertrackten Situationen anstellen würde, in die die Helden geraten.

So ist beispielsweise ein Quentchen diplomatisches Geschick gefragt, wenn es um Verhandlungen mit einem Abgesandten der Götter geht. Ningauble mag absonderlich aussehen, aber das traf ja in der Menschheitsgeschichte für etliche schräge Vögel zu, etwa auf den Aztekenkaiser Moctezuma mit seinem Federschmuck oder den Inka Atahualpa, der sich in Gold aufwiegen ließ.

So richtig auf die Probe gestellt wird das Dynamische Duo, als es auf die beiden Zwillingsgeschwister Anra und Ahura trifft. Mit wem sie es gerade jeweils zu tun haben, wissen sie nicht, denn der eine sieht durch die Augen des anderen. In „Das Ding auf der Schwelle“, „Der Fall Charles Dexter Ward“ und anderen Schauer-Erzählungen hat sich Lovecraft mit Identitätswechsel und -tausch befasst.

Dabei sind es stets böse Zauberer oder Hexen, die mithilfe des Bösen die Gesetze der Zeit aufheben und Unsterblichkeit erlangen. Nicht anders liegt der Fall bei Anra und Ahura, nur dass uns Ahura anrührt, als sie dieses Schicksal aus ihrer eigenen Sicht schildert. Sie ist quasi das Opfer einer „feindlichen Übernahme“, ohne zu ahnen, worum es sich in Wahrheit handelt: Was sie für einen Freundschaftsdienst hält, ist in Wahrheit Sklaverei.

Die Pointe der Geschichte liegt nun darin, dass die Aufhebung des Fluches, der auf den Helden liegt, erst erfolgt, wenn auch Ahura von ihrem schrecklichen Los erlöst wird. Das ist eine wirklich erstklassig herbeigeführte Wendung der Geschichte.

Caveat

Es gibt nur einen kleinen Haken für den zeitgenössischen Leser: Der Autor verlangt vom Leser durchaus die Aneignung klassischer Bildung, etwa über griechische und altpersische Mythologie, Kleinasien und den Vorderen Orient. Wer nicht über diese Allgemeinbildung verfügt, der schlägt eben in der Wikipedia nach.

Taschenbuch: 156 Seiten
Originaltitel: Swords in the mist, 1968 (Auswahl)
Aus dem Englischen von Thomas Schlück
ISBN-13: 9783453303911

www.heyne.de

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