Gaborit, Mathieu – scharlachrote Turm, Der (Im Reich des Feuervogels 1)

Leicht kann man bei der Übermacht an englischen Fantasy-Romanen vergessen, dass auch in anderen Ländern von fremden Welten, Magie und seltsamen Wesen erzählt wird. Selten genug veröffentlichen deutsche Verlage Romane aus dem französischen oder auch anderen Sprachräumen. Mathieu Gaborits Zyklus um das „Reich des Feuervogels“ ist eine solche Ausnahme.

„Der scharlachrote Turm“ ist der Auftakt der Geschichte und entführt uns auf eine Inselgruppe, deren Reiche nicht nur die Namen von Fabelwesen wie Greif, Drache und Einhorn tragen, sondern in denen auch tatsächlich solche Wesen mit den Menschen leben, ihnen die Magie geben und sie beschützen.

Einzig die Diener der Phönixe haben kein eigenes Reich gegründet. Ihre Gilde ist in allen Ländern beheimatet, denn die Feuervögel sind zum einen mächtiger als die anderen Fabelwesen, zum anderen aber auch nur von wenigen zu kontrollieren und zu bezähmen. Zu schnell kann Chaos und Vernichtung aus deren Feuer entstehen.

Der junge Januel ist ein solcher Diener, ein Phönike. Er wird im Turm von Sedana ausgebildet und hofft wie so mancher andere junge Alkoluth, für die Erweckungszeremonie eines Phönix erwählt zu werden. Doch es ist sein Kamerad Sildinn, der offiziell in die Hauptstadt des Greif-Imperiums geschickt wird, obwohl er die schwächeren Fähigkeiten besitzt.

Doch kaum ist dieser abgereist, wird Januel von seinem Meister Farel beiseite genommen und erfährt, dass er eigentlich an den Hof gebracht werden soll, doch dass es gefährlich sei, das offen zu tun. Er weiht ihn in schreckliche Geheimnisse ein. „Das Aas“, die Nachfahren und die Essenz pervertierter Fabelwesen, der Inbegriff des Bösen, ist auf dem Vormarsch und bedroht die anderen Reiche. Sie wollen Chaos und Tod über die Länder der Inseln bringen, und sie haben es auch auf die Phöniken abgesehen. Denn allein das Feuer der Phönixe kann dem Aas Einhalt gebieten …

Nach einer langen, gefahrvollen Reise kommen Januel und Farel am Hofe des Greifen-Imperators an. Sie hoffen, ein Beispiel setzen zu können, doch bei der Wiedererweckung des kaiserlichen Phönix kommt es zu einer Katastrophe …

Wenn ich früher französische Fantasy in deutscher Übersetzung gelesen habe, so war ich meist von dieser enttäuscht, da sie meist nur an versponnene exzentrische Kunstmärchen erinnerte.

Deshalb begann ich dieses Buch auch mit einer gewissen Skepsis zu lesen, wurde aber angenehm überrascht. Mathieu Gaborit gelingt es, vertraute Versatzstücke der Fantasy neu anzuordnen. Er konzentriert sich auf Fabelwesen, die in den meisten angloamerikanischen Romanen gerne vernachlässigt werden und begeht nicht den Fehler, sie zu vermenschlichen oder als bloße Tiere zu betrachten, wie es ebenfalls oft genug passiert. Zudem verknüpft er die Magie auf glaubwürdige und interessante Weise mit den verschiedenen Kreaturen, wobei vor allem die Phönixe eine Rolle spielen.

Januel wächst wie der Leser in die Geschichte hinein und lernt das auf leisen Sohlen heranschleichende und zielgenau zuschlagende Böse erst nach und nach richtig kennen. Er ist nicht von Anfang an der erfahrene Auserwählte, sondern macht eine Entwicklung durch, die ihn einerseits sehr schnell reifen lässt, andererseits aber auch von ihm verlangt, viele Eröffnungen sehr schnell zu verkraften und die daraus gewonnenen Erkenntnisse zu einzusetzen. Letztendlich gelingt es dem Autor auch hier, ein wenig abseits von ausgetretenen Pfaden zu wandeln und einige Dinge konsequent bis zum bitteren Ende zu führen.

Es ist also kein Fehler, den ersten Band genauer in Augenschein zu nehmen, wenn man einmal magiebetonte High-Fantasy fernab von den anglo-amerikanischen Gewohnheiten lesen will.

|Originaltitel: Les Chroniques des Feals 1: Coeur des Phenix
Aus dem Französischen von Michael von Killisch-Horn|

_Christel Scheja_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de/ veröffentlicht.|