Mittelerde auf der Mittagstafel
Nachdem sich |Games Workshop| in erster Linie mit ihren „Warhammer“-Tabletops europaweit den Ruf der wohl besten und konzeptionell ideenreichsten Miniaturenschmiede gemacht hatten, veröffentlichte der Verlag ungefähr zeitgleich zum jüngsten „Herr der Ringe“-Boom eine weitere Tabletop-Variante, in der die Helden aus Mittelerde zum Zuge kommen. Aragorn, Gandalf, Legolas, Gimli und natürlich die Hobbits um den Ringträger Frodo eroberten vor knapp zwei Jahren den Spieltisch und gehören bereits jetzt zum Favoritenkreis der |Games Workshop|-Fangemeinde.
Und wie es sich für ein gutes Miniaturen-Strategiespiel gehört, sind die Regeln einerseits recht einfach zu erlernen, lassen aber auch genügend Hintertürchen für komplexere Spielrunden offen. Was also her muss, ist ein Einsteigerset, mit dem man die ersten Züge erlernen kann, und dieses heißt im Falle von „Herr der Ringe“ „Die Minen von Moria“ und bietet neben dem kompletten Regelwerk eine der bedeutendsten und wichtigsten Schlachten der Trilogie und sicher das elementarste Gefecht des ersten Teils „Die Gefährten“: der Kampf gegen den grausamen Höhlentroll in Gimlis alter Heimat.
_Das Startpaket_
Im Starter-Set zu „Die Minen von Moria“ ist so ziemlich alles vorhanden, was der Einsteiger für die ersten Spielrunden braucht, sprich ein komplettes Ensemble an Figuren, die neun Gefährten und natürlich ein Regelbuch, welches hier in die Kategorien ‚Anfänger‘ und ‚Fortgeschrittene‘ unterteilt ist. Weiterhin ist der Bausatz für den Höhlentroll sowie die hinterhältigen Moria-Goblins (24 an der Zahl) vertreten, Letztere in verschiedener Ausführung bzw. mit unterschiedlichen Waffen und Schilden. Um dem Spiel auch das nötige Flair zu verpassen, befinden sich außerdem noch verschiedene Gebäudeteile aus den düsteren Höhlen in diesem Paket, darunter verschiedene Trümmerteile, aber auch Balins Grab.
Kurz und knapp: Hier wurde an nichts gespart, um die Atmosphäre von Buch und Film so authentisch wie nur eben möglich zu transferieren. Schade ist nur, dass die Figuren allesamt so klein geraten sind; ein Blick ins Regelheft oder auf die Spielpackung suggeriert dam entgegen nämlich, dass der Maßstab ein wenig pompöser ist, doch leider kommen die meisten Figuren samt Base nicht über eine Größe von fünf bis zehn Zentimetern hinaus. Die Qualität der Plastik-Miniaturen ist hingegen in Ordnung; man wird zwar hier und dort mit dem Modellbaumesser noch einmal nachhelfen müssen, um Unebenheiten und Gussruckstände zu beseitigen, doch das gehört nun mal irgendwie auch dazu und kann auch mit ein wenig Feingefühl sehr schnell bewältigt werden.
_Vor dem Spiel – das Design des Spielmaterials_
Wie beim |Games Workshop| üblich, werden die Plastikminiaturen unbemalt geliefert und ermöglichen es dem Spieler, das gesamte Design seinen Wünschen entsprechend zu gestalten. Da die dazu benötigten Materialien – Farben und Pinsel – in „Die Minen von Moria“ nicht enthalten sind, empfiehlt es sich, bei Interesse auch sofort ein Malset mitzuordern, wobei man sich natürlich am besten auch direkt für dasjenige entscheidet, welches extra für dieses Startpaket konzipiert wurde. Im „Die Minen von Moria Malset“ sind alle Farben enthalten, die für die im Regelwerk empfohlene Gestaltung der ersten Figuren erforderlich sind, was aber natürlich nicht bedeutet, dass man hier seine individuellen Vorlieben nicht einbringen dürfte. Für spätere Erweiterungen sollte man sich indes das allgemeine Malset zum „Herr der Ringe“-Tabletop besorgen, welches neben den Einstiegsfarben noch einige zusätzliche Möglichkeiten bietet.
Auf jeden Fall aber ist die Gestaltung der Figuren eng mit dem generellen Spielspaß von „Herr der Ringe“ verknüpft. Man entwickelt eine regelrechte Leidenschaft für die selbstbestimmte Darstellung des gesamten Spieldesigns und ist am Ende auch wirklich stolz, seine eigene Welt im Rahmen des Mittelerde-Spielkonzepts aufgebaut zu haben. Auch wenn hier anfangs sicherlich einige Berührungsängste mitschwingen – ich selber muss mir eingestehen, dass ich ein bisserl Panik hatte, beim Malen zu verrutschen –, wird man sich die Fortsetzung des Spiels irgendwann ohne eigenständige Bemalung gar nicht mehr vorstellen können. Daher also am besten direkt das Kombipaket besorgen!
_Die Schlacht in den Minen von Moria_
Insgesamt setzt sich das Einstiegsset aus vier verschiedenen Szenarien zusammen, in denen man den ersten Umgang mit den Figuren sowie all ihren Kampf- und Verteidigungstechniken kennen lernen und erproben kann. Zu Beginn wird der Einstieg in die Minen simuliert, bei dem sich alle neun Gefährten gegen vier versteckte Moria-Goblins behaupten müssen. Hier geht es in erster Linie darum, die Fernkampftechniken zu erlernen, die auch als einzige Angriffsmethode erlaubt sind. Jeder Spieler schlüpft in die Rolle von Gut oder Böse, wobei man nicht meinen sollte, dass die zahlenmäßige Unterlegenheit der Goblins bereits ausschlaggebend für Sieg und Niederlage sein muss – schließlich reicht es ihnen bereits, einen der Gefährten zu töten, während diese wiederum allesamt unversehrt den Ausgang erreichen müssen – für den Beginn also schon mal eine recht knifflige Aufgabe.
Anschließend muss Aragorn seine Qualitäten als Waldläufer unter Beweis stellen, indem er sich gegen eine Bastion von insgesamt acht Goblins behauptet. Auch hier gilt es für die gute Seite wiederum, dass ihre Vertretung, in diesem Fall nur Aragorn, den Ausgang erreichen muss, wohingegen die Seite des Bösen für seinen Tod sorgen soll. Im Gegensatz zum ersten Szenario sind Angriffe hier aber nur im Nahkampf erlaubt, was gleichermaßen bedeutet, dass die Goblins nur mit Speeren und Schildern, nicht aber wie noch zuvor mit Bögen ausgerüstet sind. Nachdem eine Seite ihre Mission erfolgreich erfüllt hat, ist das Szenario beendet.
Während Aragorn gegen die Vielzahl der Goblins kämpft, sind auch die übrigen Gefährten in einen Hinterhalt geraten und müssen sich ebenfalls gegen eine zahlenmäßige Übermacht durchsetzen. 24 Moria-Goblins, bewaffnet mit Speeren und Bögen sowie verstärkt mit einzelnen Schildern stehen ihnen gegenüber und schlagen in Fern- und Nahkampf eine spannende Schlacht. Die Siegbedingungen sind dieses Mal jedoch ein wenig unterschiedlich. Der gute Spieler hat bereits gewonnen, wenn die beiden Falltüren verriegelt sind, durch die von Seiten der Goblins ständig Nachschub dringt. Der böse Spieler hingegen muss dieses Mal gleich vier der Gefährten umbringen, um seine Mission erfolgreich abzuschließen. Wiederum wird es ziemlich spannend!
Als Letztes stehen sich dann die Gefährten im großen Finale mit dem berüchtigten Höhlentroll Auge in Auge gegenüber. In diesem (bezogen auf den Umfang des Einsteigersets) bombastischen Szenario geht es erneut um Leben und Tod, so dass sich der gute Spieler nur dann aus der Situation winden kann, wenn er den starken Troll besiegt hat. Vier tote Gefährten sind hingegen der Blutzoll, den der böse Spieler für den Sieg zahlen muss.
_Der Ablauf einer Spielrunde_
Eine Spielrunde läuft im Groben in genau fünf Phasen ab, die jedoch in den Szenarien von „Die Minen von Moria“ erst später halbwegs ausgereizt werden. Zunächst einmal wird die Initiative ausgewürfelt; der Spieler, der hier einen besseren Wurf erzielt, bekommt symbolisch den Einen Ring und darf in den aktiven Runden als Erster ziehen und kämpfen.
In der anschließenden Bewegungsphase darf er anschließend alle eigenen Modelle gemäß ihrer maximalen Bewegungsreichweite verschieben. Anschließend ist der gegnerische Spieler mit genau derselben Bewegung am Zuge. Hat man sich dazu entschlossen, nach der Bewegung auch noch eine Fernkampfattacke zu starten, darf man indes nur höchstens die Hälfte der Bewegungspunkte nutzen und anschließend einen Schuss abgeben. Jede Bewegung ist dabei in Zentimetern festgelegt, die man mit einem der mitgelieferten Messstäbe ausmessen kann.
Kommt es zu einem Schuss aus der Distanz, wird in der beiliegenden Tabelle zunächst ermittelt, bei welchem Würfelresultat man überhaupt einen Treffer erzielt; dies ist von Figur zu Figur wegen ihrer unterschiedlichen Fähigkeiten natürlich verschieden. Hat man dann tatsächlich einen Treffer gelandet, wird noch der Schaden ausgewürfelt. Sollte man schließlich auch hier noch erfolgreich sein, bekommt der Gegenspieler einen Lebenspunkt abgezogen; die Moria-Goblins und auch die Hobbits haben nur einen Lebenspunkt, erliegen also sofort ihren Verletzungen, wenn sie Schaden erleiden.
Bewegungen können auch direkt in einer Kampfhandlung münden, wenn sich zwei oder mehr verfeindete Figuren in direktem Kontakt gegenüberstehen. Infolge dessen werfen beide Seiten entsprechend ihres ‚Attacke‘-Werts Würfel und fechten schließlich den Sieg aus. Die jeweils höchsten Zahlen werden gegenübergestellt und so der Gewinner des Kampfes ermittelt. Dieser darf schließlich seinen Gegner um zwei Zentimeter zurückdrängen und ihn so aus dem direkten Nahkampfumfeld verschieben. Anschließend führt er einen Schadenswurf durch und bestimmt damit über das weitere Leben des Kontrahenten, welches bei niedriger Lebenspunktzahl bereits zu diesem Zeitpunkt ausgehaucht sein kann.
Nach Bewegungs- und Kampfphasen ist der Spielzug vorbei; die Initiative wird erneut ausgespielt und anschließend ein weiterer Zug begonnen.
_Meine Meinung_
Nachdem ich bereits auf den vergangenen beiden Spielmessen in Essen immer wieder voller Begeisterung um den Stand von |Games Workshop| getigert bin und mir ewig lange angeschaut habe, wie die fanatischen Tabletop-Spieler ihre Figuren bemalen, ihr Gelände gestalten und schließlich auch gegeneinander antreten, habe ich mich richtig darauf gefreut, selber ebenfalls diese Faszination zu verspüren, auch wenn der Rahmen dieses Starter-Sets natürlich erst einmal nur ein begrenztes Gameplay zulässt. Macht aber nichts, denn schließlich geht es hier in erster Linie darum, das Spiel als solches sowie das ganze Procedere drumherum kennen zu lernen und überhaupt mal eine Vorstellung davon zu bekommen, wie sich das „Herr der Ringe“-Tabletop konstituiert.
Mit „Die Minen von Moria“ bekommt der geneigte Interessent aber auch schon einen sehr umfassenden Einblick in die Welt dieses unendlich weit ausbaubaren Spiels. Profi-Spieler, die mittlerweile mit ganzen Heerscharen gegeneinander antreten, werden zwar im Nachhinein irgendwann müde über diesen Einstieg lächeln, aber auch sie werden zugeben müssen, dass das Team von |Games Workshop| hier eine wirklich sehr gelungene Einführung aufbietet, die nicht nur die Vorstellung dessen weckt, was in diesem Strategiespiel alles möglich ist, sondern sofort auch eine Begeisterung auslöst, die einen unwiderruflich dazu treibt, umgehend nach weiteren Ergänzungen Ausschau zu halten. Davon gibt es mittlerweile bereits so viele, dass man jede erdenkliche Szene des Buches im Spiel nachstellen und natürlich in der eigenen Überarbeitung auch modifizieren kann. Allein dies sollte für Fans des Tolkien-Epos schon Grund genug sein, sich zumindest beim Händler seines Vertrauens mal in die Produktpalette von „Herr der Ringe“ einweisen zu lassen. Wenn nicht schon längst geschehen …
Nun, wie aber die Überschrift schon sagt, soll hier in erster Linie meine persönliche Meinung geschildert werden, und diese basiert nach all den positiven Erfahrungen, die ich sowohl beim Bemalen der Figuren als auch beim Erlernen der (für das Niveau eines Einsteigersets) spannenden Spielzüge machen konnte, ausschließlich auf begeisterten Eindrücken und hat letztendlich noch zusätzlich bewirkt, dass ich wieder zurück zu den Lieblingen aus Mittelerde gefunden habe, von denen man aufgrund des Kino-Hypes irgendwann doch zwangsläufig übersättigt war. Mit ein bisschen Distanz weiß man dann aber doch wieder zu schätzen, was Frodo und Co. geleistet haben …
Was mir besonders gut gefällt, sind die zahlreichen Möglichkeiten, die dieses weitläufige Spiel bietet. Bereits in dieser ersten Packung kann man das gesamte Szenario aus Morias Höhlen nachspielen, ohne dass dabei wichtige Details auf der Strecke geblieben sind. Selbst Details wie Balins Grab wurden als Dekoration nicht vergessen, auch wenn sie für das Spiel eigentlich keine weitere Bedeutung mehr haben. Und genau diese Detailverliebtheit, die sich sowohl in der Gestaltung der Figuren als auch im individuellen Aufbau des Spiels in allen Facetten abzeichnet, löst auch zu einem großen Teil die Freude aus, die sich bereits nach der ersten Spielrunde entwickelt. Man ist von Beginn an mittendrin und kann sich aufgrund des literarischen Hintergrunds auch umgehend in die Szenarien hineinversetzen – und wohl gemerkt: Wir reden hier nur von der Starter-Packung. Was dies für den weiteren Ausbau heißt, kann sich jeder ausmalen; „Herr der Ringe“ ist nämlich ein Spiel, das von Erweiterung zu Erweiterung wächst. Hier muss nichts gegen bessere Figuren oder dergleichen ausgetauscht werden, sondern jede zusätzliche Anschaffung wird auch später ins Spiel einbezogen. Und dass es davon auch immerzu reichlich Neues gibt, das gewährleistet der |Games Workshop| schon seit der Erstveröffentlichung 2005. Ein Blick ins monatliche Verlagsmagazin „White Dwarf“ (wir werden zukünftig auch auf diesen Seiten davon berichten) oder in den kommerziellen Hauptkatalog reicht aus, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie groß allein diese Teilwelt des Workshops schon geworden ist. Dass dies natürlich auch bedeutet, dass ein ‚richtiges‘ Spiel einiges an Geld verschlingt, sollte dabei jedem bewusst sein. Doch schon nach den ersten Erfahrungen mit „Herr der Ringe“ sowie dem Überblick über das ganze Spiel, der sich unter anderem auch im erweiterten Regelheft bietet, bin ich mir ziemlich sicher, dass ein tieferes Eintauchen sich auf jeden Fall lohnt.
Daher empfehle ich allen Interessenten auch, nicht mehr lange zu zögern und sich mit „Die Minen von Moria“ bzw. dem zugehörigen Malset einzudecken. Die anschauliche Regelkunde, das Spiel selber und die Stunden, die man alleine schon bei der Gestaltung des Settings verbringt, sind wirklich jeden Aufwand wert und eine Belohnung für jeden Tabletop-Liebhaber!
Mehr Infos gibt es unter: http://moria.de.games-workshop.com/
http://www.games-workshop.de