Wasserhexen und die Springflut
Essex, 1952 und 1953. Der elfjährige Junge Titch verbringt seine Sommerferien bei den Großeltern auf dem Land. Mit seinen drei Freunden durchstreift er die Sümpfe von Essex; er verstrickt sich in Phantasieschlachten und die Suche nach der mysteriösen Wasserhexe, die in einem weißen Häuschen oder dessen Gartenteich haust.
Weil plötzlich einer der Spielkameraden tödlich verunglückt, verflüchtigt sich die verzauberte Idylle. Die Freunde erweisen sich als grausam; die Harmonie zwischen den Großeltern zerreißt wie ein trügerisches Gespenst. Als eine Flutwelle den bukolischen Landstrich überschwemmt, verwandeln sich Titchs kindliche Nachtmahre in die reale Furcht vor der Welt und den Menschen… (erweiterte Verlagsinfo)
Der Autor
Garry Douglas Kilworth (* 5. Juli 1941 in York) ist ein britischer Schriftsteller. Garry Kilworth wuchs, weil sein Vater als Offizier oft umzog, an vielen verschiedenen Orten auf, darunter eine Zeitlang in Aden. Er absolvierte das King’s College London und war dann Kryptograph bei der Royal Air Force, von der er achtzehn Jahre lang unter anderem im Fernen Osten und im Pazifik eingesetzt wurde. Danach verlegte er sich aufs Schreiben und konnte seine erste professionelle Veröffentlichung Let’s Go to Golgatha Ende 1974 in der Sunday Times Weekly Review verzeichnen.
Er veröffentlichte zunächst hauptsächlich Science-Fiction, wandte sich zum Ende der 1980er Jahre anderen Genres zu und schrieb historische Romane, Horrorliteratur und Jugendbücher, zwei Romane unter dem Pseudonym Garry Douglas. Er hat bislang mehr als sechzig Bücher veröffentlicht und ist viel auf Reisen rund um die Welt unterwegs. (Quelle: Wikipedia.de) Er lebt mit seiner Frau Annette in Ashendon in Essex, also in genau jener Gegend, in der „Hexenwasser“ spielt. 1953 richtete dort eine furchtbare Sturmflut verheerende Schäden an und tötete zahlreiche Menschen.
Romanserien
Die Serien sind nach Erscheinungsjahr des ersten Bandes geordnet (Quelle: Wikipedia.de)
Angel (Romanserie)
• 1 Angel. 1993.
o Deutsch: Feuerengel. Horror-Roman. Übersetzt von Inge Holm. Bastei-Lübbe-Taschenbuch #13545, 1994, ISBN 3-404-13545-8.
• 2 Archangel. 1994.
o Deutsch: Der Sturz des Engels. Horror-Roman. Übersetzt von Inge Holm. Bastei-Lübbe-Taschenbuch #28305, 1997, ISBN 3-404-28305-8.
o Deutsch: Die Engel. Übersetzt von Charlotte Lungstrass-Kapfer. Heyne, 2010, ISBN 978-3-453-52704-1 (Sammelausgabe von 1 und 2).
Electric Kid (Romanserie)
• 1 The Electric Kid. 1994.
• 2 Cybercats. 1996.
Navigator Kings / Die Navigator-Könige. Die Legende vom Volk des Windes. (Romanserie)
• 1 The Roof of Voyaging. 1996.
o Deutsch: Tangiias Odyssee. Übersetzt von Barbara Röhl. Bastei-Lübbe-Taschenbuch #20324, 1999, ISBN 3-404-20324-0.
• 2 The Princely Flower. 1997.
o Deutsch: Die Insel der Riesen. Übersetzt von Barbara Röhl. Bastei-Lübbe-Taschenbuch #20340, 1999, ISBN 3-404-20340-2.
• 3 Land-of-Mists. 1998.
o Deutsch: Das Land der Nebel. Bastei-Lübbe-Taschenbuch #20367, 1998, ISBN 3-404-20367-4.
The Welkin Weasels / Gewiefte Wiesel (Romanserie)
• 1 Thunder Oak. 1997.
o Deutsch: Sucht die Donnereiche! Piper #6580, 2005, ISBN 3-492-26580-4. Auch als: Donnereiche. Piper #6951, 2013, ISBN 978-3-492-26951-3.
• 2 Castle Storm. 1998.
o Deutsch: Belagert die Sturmburg! Piper #8594, 2006, ISBN 3-492-28594-5. Auch als: Sturmburg. Piper #6952, 2014, ISBN 978-3-492-26952-0.
• 3 Windjammer Run. 1999.
o Deutsch: Entert den Windjammer! Piper #8595, 2006. Auch als: Windjammer. Piper #6953, 2015, ISBN 978-3-492-26953-7.
• 4 Gaslight Geezers. 2001.
• 5 Vampire Voles. 2002.
• 6 Heastward Ho! 2003.
Knights of Liofwende (Romanserie)
• 1 Spiggot’s Quest. 2002.
• 2 Mallmoc’s Castle. 2003.
• 3 Boggart and Fen. 2004.
Einzelromane
• In Solitary. 1977.
o Deutsch: Einsiedler. Science-Fiction-Roman. Übersetzt von Hans Maeter. Heyne SF&F #3823, 1981, ISBN 3-453-30725-9.
• The Night of Kadar. 1978.
o Deutsch: Die Nacht von Kadar. Science-Fiction-Roman. Übersetzt von Wolfgang Eisermann. Knaur Science Fiction & Fantasy #5738, 1981, ISBN 3-426-05738-7.
• Split Second. 1979.
o Deutsch: Der Zeitriß. Science-Fiction-Roman. Übersetzt von Marcel Bieger. Knaur Science Fiction & Fantasy #5745, 1982, ISBN 3-426-05745-X.
• Gemini God. 1981.
o Deutsch: Gemini-Götter. Science-Fiction-Roman. Übersetzt von Marcel Bieger. Knaur Science Fiction & Fantasy #5765, 1983, ISBN 3-426-05765-4.
• A Theatre of Timesmiths. 1984.
• Variant: Theater of Timesmiths. 1986.
• Witchwater Country. 1986.
o Deutsch: Hexenwasser. Fantasy-Roman. Übersetzt von Ingrid Herrmann. Heyne SF&F #4822, 1991, ISBN 3-453-05032-0.
• Highlander. 1986. (als Garry Douglas, Romanfassung zum Film Highlander – Es kann nur einen geben)
• Spiral Winds. 1987.
• The Wizard of Woodworld. 1987.
• Abandonati. 1988.
• Cloudrock. 1988.
o Deutsch: Schatten. Science-Fiction-Roman. Übersetzt von Hendrik P. Linckens. Heyne SF&F #5321, 1995, ISBN 3-453-08572-8.
• The Street. 1988. (als Garry Douglas)
• The Voyage of the Vigilance. 1988.
• Hunter’s Moon. 1989. (auch als The Foxes of First Dark, 1990)
o Deutsch: Füchse unter sich. Roman. Übersetzt von Susanne Goga-Klinkenberg. Schneekluth, 1994, ISBN 3-7951-1327-X.
• The Rain Ghost. 1989. (Hauntings #9)
• Midnight’s Sun. 1990.
o Deutsch: Fürst der Wölfe. Roman. Übersetzt von Annette Hahn. Schneekluth, 1996, ISBN 3-7951-1328-8.
• The Third Dragon. 1991.
• The Drowners. 1991.
• Standing on Shamsan. 1991.
• Frost Dancers. 1992.
o Deutsch: Tänzer im Frost. Roman. Übersetzt von Michaela Link. Bastei-Lübbe-Taschenbuch #28305, 1997, ISBN 3-404-28305-8.
• Billy Pink’s Private Detective Agency. 1993.
• The Phantom Piper. 1994.
• House of Tribes. 1995.
o Deutsch: Im Reich der Mäuse. Roman. Übersetzt von Susanne Goga-Klinkenberg. Goldmann #43690, 1997, ISBN 3-442-43690-7.
• The Brontë Girls. 1995.
• A Midsummer’s Nightmare. 1996.
o Deutsch: Zauberwald. Roman. Übersetzt von Peter E. Maier. Schneekluth, 1999, ISBN 3-7951-1637-6. Auch als: Faule Fische: Ein Sommernachts-Albtraum. Bastei-Lübbe-Taschenbuch #14552, 2001, ISBN 3-404-14552-6.
• The Raiders. 1996.
• The Drummer Boy. 1998.
• Shadow-Hawk. 1999.
• Nightdancer. 2002.
• The Silver Claw. 2005.
• Attica. 2006.
• Jigsaw. 2007.
• The Hundred-Towered City. 2008.
• The Sometimes Spurious Travels Through Time and Space of James Ovit. 2016.
Handlung
Endlich Sommerferien! Der elfjährige Raymond „Titch“ Swan, der diese Geschichte erzählt, darf den Sommer 1952 bei seinen Großeltern in Tenbridge in der Themse-nahen Grafschaft Essex verbringen, einem sumpfigen Landstrich, der von tidenabhängigen Flussläufen und Buchten durchzogen ist. Opa, geboren 1871, hat nur noch ein Bein, er ist ein Veteran des Großen Krieges 1914-18. Er und seine Frau hassen einander, doch sie können auf das Haus nicht verzichten. Das Haus ist so alt, dass es noch ein Außenklo hat, keine Warmwasserheizung und keinerlei elektrisches Licht. Helligkeit gibt es durch Gas im Erdgeschoss und im Obergeschoss durch Kerzen. Wenn er in seinem Bett liegt, findet Titch die Dunkelheit undurchdringlich und furchteinflößend. Und die Stille.
Der vierte Hausbewohner ist sein Onkel Dave, der gerne mit dem Motorrad durch die flache Gegend brettert, seine Freundin Cathy trifft und ansonsten gerne Werkzeug mitgehen lässt. Titch verehrt ihn unendlich: ein freier Mensch. Und er besitzt eine Schrotflinte, die er für die Jagd einzusetzen weiß. Die beiden Kindsköpfe verstehen sich prächtig und nehmen einander gegen Großmutter in Schutz, die ein strenges Regiment führt. Titchs Eltern leben irgendwo im Norden, wo es Arbeit gibt.
Fünf Freunde
Das wichtigste in Titchs Leben auf dem Lande sind seine drei Freunde Dinger Bell, Oaky (Peter Oakley) und Milky (der mit der milchweißen Haut). Sie treffen sich regelmäßig, um Schlachten zu schlagen, das Land zu erobern und unheimliche Rätsel zu lösen. So etwa jenes, das einen Teich umgibt, in dem eine Wasserhexe leben soll. Der Teich liegt direkt hinter einem weißen Haus, in dem eine Wasserhexe leben soll. Natürlich hält sie das nicht davon ab, dort die Pflaumen von den Bäumen zu stibitzen. Begleitet wird Titch dabei von dem Mädchen Jackie, das zwar eine herausfordernde Art hat, dessen Körper aber angenehme Wärme spendet.
Titch erlebt diverse Abenteuer. Auf der Kaninchenjagd mit Onkel Dave fackelt er aus Versehen eine Wiese ab, und mit einem Mann in den Marschen fahndet er nach einer elf Jahre zuvor abgestürzten Australienfliegerin namens Amy Johnson. Er spielt „Afghanistan“ und legt sich mit dem viel stärkeren Dinger an, der ihm Vergeltung verspricht.
Oakys Verschwinden
Es ist ein schöner Tag zum Baden im Hafenbecken, und die Gruppe begibt sich zusammen mit Jackie zum Abkühlen dorthin. Jackie hat Okay herausgefordert: Er würde sich nicht trauen, vom Kran ins Wasser zu springen. Um ihr das Gegenteil zu beweisen, springt Okay jetzt endlich. Doch weil er mit der Hüfte gelandet ist, versucht er einen formvollendeten zweiten Sprung. Der gelingt ihm auch – doch er taucht nicht wieder auf. Onkel Dave hätte ihn warnen können, dass unter Wasser Stützbalken eines verfallenen Landungsstegs emporragen. Doch Titch macht sich Vorwürfe: Einfach weil er dabei gewesen war, als es passierte.
Polizei und Taucher finden in dem trüben Wasser nichts. Ist Oaky von einer Wasserhexe geholt worden? Jackie, die nach Oakys Verschwinden das Kommando übernommen hat, zeigt auf Fußspuren, die vom Wasser zum weißen haus führen, dem Haus der Wasserhexe. Aber wie soll man sie zur Rede stellen, fragen sich die Bandenmitglieder. Es ist eine Mutprobe, und jeder besteht sie: Milky tritt aus der Bande aus, obwohl Jackie wie eine Furie kreischt, er sei ein Feigling.
Wider die Wasserhexe
Um sich bei Jackie einzuschmeicheln, zeigt Titch ihr seinen zutraulich gewordenen Dachs. Leider ist da bloß eine Ratte, und Jackie fürchtet Ratten. Das wahr wohl nix. Als er die beiden wiedersieht, wollen sie etwas gegen die Wasserhexe unternehmen. Weil Titch inzwischen mit seiner ledigen, atheistischen Tante Elinor über Hexen gesprochen und einen Friedhof besucht hat, weiß er, an welchem Punkt man Hexen treffen: Man zeigt ihnen entweder ein Kreuz bzw. heiligen Gegenstand oder man tötet einer ihrer Hausgeister, also eine Katze oder so.
In einer beschwerlichen Aktion stehlen Dinger und Titch einen Marmorgrabstein vom Friedhof einer uralten Kirche und schleppen das Trumm direkt vor die Haustür der Wasserhexe. Als aber nichts außerdem Verschwinden desselben passiert, überlegen sie, wie man einen Hausgeist töten könnte. Dinger und Jackie denken an Haustiere, was Titch so wütend macht, dass er aus der Bande austritt.
Kreuzigung
Jackie und Dinger schlagen zurück: Am nächsten Tag entdeckt Titch eine Drahtschlinge am Eingang zum Dachsbau und kurz darauf den von dem Duo gekreuzigten Dachs. Er ist schockiert ob dieser moralischen Abgründe, die sich da auftun: Nur Jackie wusste, wieviel ihm der Dachs bedeutete und wo sie ihn fände. Jackie glänzt durch Abwesenheit, aber Dinger tut es inzwischen auch leid, ein unschuldiges Wildtier getötet zu haben. Und was sollte das Kreuz? Na, wegen der Hexe und so.
Das Feuer
Ein Gewitter ist im Anzug, und die Blitze setzen erst einen Baum und dann eine ganze Wiese in Brand. Die Flammen rasen auf das weiße Hexenhäuschen zu, und um die Bewohnerin zu warnen, tritt Titch ungefragt ein. Er wird von einem Mann begrüßt, den er kennt: Es ist der alte Typ, der Amy Johnson gesucht hat. Und der will nicht etwa raus, sondern Titch etwas Wichtiges zeigen: Amy Johnsons Leiche – nach elf Jahren!?
Der Sprung
Von einer Hexe sieht Titch keine Spur, als er dem Alten ins Obergeschoss folgt. Der holt tatsächlich eine Leiche hervor. Aber es ist die von Oaky, so übel zugerichtet, dass sich Titch um ein Haar übergibt. Inzwischen haben die Flammen das Haus eingeschlossen, und an ein Entkommen ist nicht mehr zu denken. Titch schafft es durch eine Falltür auf den Dachboden, gefolgt von dem Alten, der seine Leiche nicht loslässt. Nun kommt es darauf an, lebendig aus dem Dachboden herauszukommen. Da kommt Titch die rettende Idee: der Teich hinterm Hexenhäuschen könnte ihn retten. Gesagt, getan. Während er hinabsegelt, betet er, dass dort nicht noch weitere Leichen versteckt sein mögen…
Mein Eindruck
Der in anschaulichen Bildern erzählte Roman ist teils Coming-of-Age-Biografie, teils Horror-Story mit einem doppelten Boden. Der erzählende Titch versucht als Elfjähriger seinen Platz in der Welt von Essex zu finden. In einer Landschaft, in der sich die Gezeiten bemerkbar machen, erscheint ihm die Vorstellung, es können hier Wasserhexen geben, gar nicht abwegig. Was weiß er denn schon von der Welt? Er ist ein Beinahe-Waisenknabe, dem von seinem Großvater ständig Lügengeschichten darüber erzählt werden, auf welch abenteuerliche Weise er sein Bein verloren habe. Und was Großmutter am Sonntagabend treibt, wissen nur die Götter. Seltsame Dinge widerfahren seiner Tante Elinor und seiner Kusine Jennifer. Mick, der wütende Hund der Nachbarn, ist jedoch definitiv ein Dämon.
Geheimnisse lauern überall. Es scheint auch etliche Anzeichen für die Existenz böser Geister in den Marschen zu geben. Da ist die vermisste Pilotin Amy Johnson, die mit ihrem Australienflug weltberühmt wurde. Und da ist jetzt das mysteriöse Verschwinden von Titchs bestem Freund Oaky. In einer Nacht des Schreckens, als das Feuer das Hexenhäuschen umzingelt, tauchen diese Geister wieder auf.
Jenny
Sicher, es gibt eine rationale Erklärung für die beiden Leichen, die der Mann im Hexenhäuschen hortet, doch was ist mit dem gekreuzigten Dachs? Dieses Symbol des Hasses und der Demütigung zerstört Titchs Glauben an das Gute in seinen Freunden: Die Freundesgruppe zerfällt. Deshalb hat er ein wenig Mühe, sich mit seiner Kusine Jennifer anzufreunden. Sie wurde wegen irgendeines Vergehens, das „das andere Geschlecht“ involvierte, ihres streng katholischen Mädcheninternats verwiesen. Nun muss sie sich bei anderen Internaten bewerben, die weniger streng eingestellt sind. Mit Jenny, die ihre eigene Welt-Anschauung einbringt, kann Titch seine Wasserwelt ein zweites Mal entdecken.
Hexenwasser
Doch es ist eine bedrohte Welt. Denn die Wasserhexe gibt es wirklich. Nicht etwa als quasi-menschliche Schreckensgestalt, sondern als Springflut. Es ist eine historische Tatsache, dass am 31. Januar 1953 eine Springflut sämtliche Küsten der südlichen Nordsee überflutete. Wie Margriet de Moor in ihrem ausgezeichneten Roman „Springflut“ (2005) schildert, kostete das Dämme zerstörende Hochwasser Tausende von Menschen das Leben, nicht nur in Holland, sondern auch in Essex.
In einer extrem dramatischen Szene steigt das titelgebende Hexenwasser immer weiter in den kleinen Häuschen, wo Oma und Opa wohnen – und alle ihre Nachbarn in der Straße. Doch wo sind nun die Helden? Die Polizisten und die Feuerwehrmänner sind es jedenfalls nicht. Ausgerechnet jetzt schlägt Großvaters Stunde, sich als Retter zu beweisen. In dieser Nacht wird Titch endgültig erwachsen.
Die Übersetzung
S. 83: „…bei Tante Elinor gar es das alles nicht.“ Statt „gar“ sollte es korrekt „gab“ heißen.
S. 105: „wie ich ich Dinger Bells Grausamkeit verstand.“ Ein „ich“ reicht völlig.
S. 121: Tante Elinor erzählt Titch, wie König Canute einst in Essex gegen den englischen König eine Schlacht schlug und sie dank eines englischen Überläufers gewann. In der Folge bekehrte er sich zum Christentum. Nun, das soll 1000 Jahre VOR Christi Geburt gewesen sein. Aber wie konnte es damals ein Christentum geben, wenn Christus noch gar nicht tot war? – Da dies alles von Elinor erzählt wird, kann man ihr einen Irrtum zugestehen. Aber ein schlauer Junge Titch hätte den Fehler bemerken müssen.
S. 182: „doch sobald ich al[l]ein war“: Das zweite L fehlt.
Unterm Strich
Ich habe diesen Jugendroman sehr gern und mit wachsendem Interesse gelesen. Einen eigentlichen Konflikt, wie er von einer Tragödie erwartet wird, gibt es zwar nicht, aber dafür gibt es in der Figur des Erzählers selbst eine dramatische Entwicklung. Innerhalb einer Wasserwelt, die anfangs magisch erfahren wird, müssen sich die Menschen behaupten. Es gibt viele geheimnisse zu entdecken, gute wie schlimme. Der Sprung aus dem Hexenhäuschen bildet den Abschluss der ersten Hälfte.
Danach nimmt die Geschichte einen neuen Anlauf. Nun teilt sich Titch, der seine Freundesgruppe verloren hat, die Welt mit Jenny, seine Welt und Weltanschauung bereichert. Auch sie berichtet von Geheimnissen, und Tante Elinor scheint irgendetwas Makabres mit dem Friedhof der alten Kirche zu tun zu haben. Den Höhepunkt dieses zweiten teils bildet die historische Springflut vom Januar 1953. Die Schilderung dieser Katastrophe ist an Dramatik kaum zu überbieten.
Dieses Hexenwasser verleiht dem Roman seinen Titel zu recht: Es verkörpert Vorläufigkeit und Unsicherheit im Übergang zwischen Land und Wasser. Dieser Zustand ist passend für die Flüchtlinge, die sich hier angesiedelt haben. Es ist auch eine Scheinwelt: Tante Elinor und Jenny mussten ihren Preis zahlen, als ihre Geheimnisse ruchbar wurden. Großmutter verheimlicht ihre Liebesaffäre, bis Titch sie entdeckt, und Onkel Daves Freundin Cathy zieht es vor, ihr Leben nicht mit dem eines Seemanns zu verknüpfen. Titch fragt sich zu Recht, wem und worauf er in einer solchen Welt vertrauen kann. Und dies deutlich zu machen, ohne zu predigen, ist das Verdienst dieses ausgezeichneten Jugendromans.
Hinweis
Die Geschichte, die Tante Elinor unserem jungen Chronisten erzählt, zitiert die LEGENDE, die sich bis heute um König Canute, den sie erwähnt, rankt:
„Knut der Große wird im englischen Sprachraum heute vor allem mit der Legende verbunden, er habe vergeblich die Flut aufhalten wollen. Sie geht zurück auf eine Geschichte von Heinrich von Huntingdon aus dem 12. Jahrhundert. Darin sitzt Knut auf einem Thron am Strand und lässt sich von der Flut überspülen, um gegenüber seinen Höflingen auf die Machtlosigkeit auch eines großen Königs gegenüber den Kräften Gottes und seiner Schöpfung hinzuweisen.
In vielen späteren Interpretationen dagegen wird Knuts Versuch als Größenwahn dargestellt und wird sprichwörtlich für vergebliche Unterfangen verwendet.“
Taschenbuch: 266 Seiten
Originaltitel: Witchwater Country
Aus dem Englischen von Ingrid Herrmann
ISBN-13: 9783453050327
www.heyne.de
Der Autor vergibt: