George O. Smith – Gift aus dem Weltraum

Raumpilot Farradyne lässt sich undercover in eine Bande skrupelloser Rauschgiftschmuggler einschleusen, die sich als Invasoren entpuppen, die es auf die Erde abgesehen haben. Meist im Alleingang stellt Farradyne den Feinden nach, um ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen … – Turbulentes, immer neue Handlungshaken schlagendes Weltraum-Abenteuer, über dessen ‚Logik‘ kein Augenblick nachgedacht werden darf. Die Figuren sind flach, die ‚Hightech‘ fußt höchstens auf der Dampfmaschine: „Pulp“-Science-Fiction aus alter Zeit.

Das geschieht:

Vor vier Jahren ist Raumpilot Charles Farradyne mit der „Semiramide“ über der Venus abgestürzt. 33 Passagieren kostete es das Leben, was die Behörden als fehlgeschlagenes Kunststück des als Draufgänger bekannten „Remmidemmi-Piloten“ deuteten. Obwohl Farradyne seine Unschuld beteuerte und behauptete, es seien Passagiere in die Steuerkanzel eingedrungen, die ihn abgelenkt hätten, wurde seine Pilotenlizenz eingezogen. Seither fristet er eine kümmerliche Existenz auf einer der venusischen Pilzfarmen.

Dort sucht ihn Howard Clewis vom „Solaren Anti-Narcotic Departement“ auf, um ihm ein Angebot zu machen, das Farradyne nicht ablehnen kann. Die Behörde kämpft seit Jahren gegen ein Rauschgift, das seine Opfer sofort süchtig macht. Der „Liebeslotos“ oder die „Höllenblume“ überreizt das Gefühlszentrum des Gehirns, bis es ‚ausbrennt‘. Zurück bleiben Menschen, die nur noch der Hass beseelen kann. Der als Krimineller gebrandmarkte Farradyne soll sich dem Giftsyndikat anschließen, es unterwandern und dem „Departement“ Meldung erstatten. Dafür wird man ihn rehabilitieren.

Farradyne schlägt ein, zumal er die wiedergewonnene Lizenz nutzen will, um Ermittlungen in eigener Sache anzustellen. Dabei stellt er fest, dass der Absturz der „Semiramide“ und der Rauschgiftschmuggel zusammenhängen, Nach vielen Schwierigkeiten (und einer wahren Odyssee durch das Sonnensystem) gelingt es Farradyne, vom Syndikat angeheuert zu werden. Hilfreich ist dabei, dass sich die Tochter des Chefs in ihn verliebt. Geschickt nutzt Farradyne seine Chance bei der schönen Carolyn, doch zur wahren Erkenntnis dessen, was eigentlich vorgeht, kommt er durch einen Zufall: Entsetzt erkennt Farradyne, dass außerirdische Invasoren ihre Klauen nach der Erde ausstrecken …

Permanentes Staunen aufgrund stetigen Schwachsinns

„Hellflower“ erschien zunächst in der Mai-Ausgabe des Magazins „Startling Storys“. Für die Buchausgabe überarbeitete Smith sein Werk, ohne an dessen „Pulp“-‚Qualitäten‘ etwas zu ändern bzw. ändern zu können. Diese Herkunft erklärt außerdem das wüste Hin und Her einer Story mit (zu) vielen Höhepunkten und Wendungen, die den roten Faden in eine Knotenschnur verwandeln.

Nicht diese Strukturarmut bringt das Werk ins Trudeln, sondern die seltsame Entscheidung des Verfassers, eine triviale, aber funktionstüchtige SF-Kriminalstory mit einem Invasionsplot zu kreuzen, der selbst unter Berücksichtigung des Trash-Faktors keinerlei Sinn ergibt: So fragt sich der Leser nach der Plausibilität einer ‚zweiten‘ Menschheit, die in einem Lichtjahre entfernten Sonnensystem ohne Kontakt zu ‚unserer‘ Erde entstanden ist und sich so deckungsgleich entwickelt hat, dass Spion Farradyne sich nur als Einheimischer verkleiden und den Mund halten muss, um sich unerkannt unters außerirdische Volk zu mischen.

Fragwürdig bleibt die ‚Planung‘ der Invasion. Die Fremden müssten eigentlich ganze Raumschiff-Flotten mit ihren Rauschblüten beladen, um eine Menschheit zu vergiften, die sich über das gesamte Sonnensystem ausgebreitet hat. Tatsächlich gehen sie eher zaghaft vor und scheinen sich vor allem einen Kleinkrieg mit dem „Anti-Narcotic Departement“ zu liefern; jedenfalls dürfte es Jahrhunderte dauern, bis das „Gift aus dem Weltraum“ die gewünschte Breitenwirkung entfaltet.

Zukunft als Extrakt vergangener Gegenwart

Seinen eigentlichen Unterhaltungswert zieht dieses Garn heute aus der beträchtlichen Kluft zwischen ‚literarischer‘ und ‚tatsächlicher‘ Zukunft. Fortschritt definiert Autor Smith ausschließlich naturwissenschaftlich und technisch. Zwar ist das gesamte Sonnensystem besiedelt, doch gesellschaftlich hat sich seit ca. 1950 rein gar nichts getan; zwischen Merkur und Pluto sehen sich sogar die Kneipen zum Verwechseln ähnlich …

Bei nicht einmal näherer Betrachtung reizt auch die ‚Supertechnik‘ dieser Zukunft eher zum Schmunzeln. Smith lässt den Weltraum in den ebenso bekannten wie beliebten Raketen mit gewaltigen Schwanzflossen bereisen, auf denen sie stehen, wenn sie gelandet sind. In der Zentrale geht es hundertprozentig analog zu, weshalb Piloten wie Charles Farradyne buchstäblich an einem Steuer drehen. Darüber hinaus spähen sie durch eine ‚Windschutzscheibe‘ ins All, denn sie fliegen primär „auf Sicht“. Menschliche Unmittelbarkeit ist unverzichtbar, denn die durchaus vorhandenen ‚Computer‘ benötigen schon für eine simple Addition Minuten.

Seine Figuren hat Autor Smith aus der Klischeekiste gelockt, was in diesem Trivial-Umfeld nicht automatisch Negativ-Kritik provoziert. Pilot Farradyne ist als gebrochener Held, der einerseits mutig handelt, während er andererseits um die Wiederherstellung seines Rufes kämpft, ungeachtet seiner ansonsten teflonglatten Persönlichkeit erträglich; wir kennen Figuren wie ihn aus unzähligen Romanen und vor allem Filmen: Sie treiben die Handlung voran, ohne sich mehr als oberflächlich in Seelennöten zu aalen.

Ist das spannend oder obskur?

Emotionale Dramatik soll dem Geschehen durch die Possen einer lotossüchtigen Frau eingebläut werden, deren Bruder zu den Opfern des von Farradyne angeblich verschuldeten Absturzes zählt. Sie wird zum buchstäblich personifizierten schlechten Gewissen, denn wie jeder echte Held ist Farradyne zwar unschuldig, fühlt sich aber dennoch verantwortlich. Das ist in dieser dick aufgetragenen Sentimentalität heute nur noch schwer erträglich.

Die Vergangenheit der Zukunft manifestiert sich generell in einem – wertneutral ausgedrückt – antiquierten Frauenbild. Die schöne Carolyn gehört zu den Bösen, kann aber nicht aus ihrer – weiblichen – Haut, weshalb sie den hellhörig gewordenen Farradyne nicht umbringen kann, weil sie sich in den schmucken Erdmann verliebt hat. Hin und wieder lockt sie ihn zwar in eine Falle, doch letztlich ist Carolyn als ‚Geheimagentin‘ ebenso untauglich wie die anderen ‚Invasoren‘, die sich nur deshalb so lange halten können, weil ihre irdischen Kontrahenten noch dämlicher sind als sie.

Trash kann vergnüglich sein, doch er muss eine gewisse Plausibilität wahren. Diese Hürde reißt Smith mit „Gift aus dem Weltall“. Hier greift der Nostalgie-Trigger nicht, was sich schon in den Kritiken zu diesem Roman generationsübergreifend widerspiegelt. Gar zu offensichtlich stößt Smith seine Leser vor die Köpfe, statt sie unterhaltsam an den Nasen herumzuführen; ein Verstoß, der erkannt und nicht verziehen wird!

Autor

George Oliver Smith wurde am 9. April 1911 in Chicago, US-Staat Illinois, geboren. Er studierte 1929/30 an der „University of Chicago“ Elektrotechnik. Anschließend arbeitete Smith als Radiotechniker und -ingenieur. 1944/45 gehörte er als technischer Autor einem Team an, das für das „National Defense Research Council“ Handbücher für Sonargeräte schrieb. Nach Kriegsende kehrte Smith in seinen Beruf zurück und war bis 1974 als Ingenieur tätig.

Als Science-Fiction-Autor war Smith seit 1942 präsent. Eine erste Kurzgeschichte („QRM – Interplanetary“, dt. „QRM“/„Interplanetare Störungen“) erschien im Magazin „Astounding“. Dies war die erste einer ganzen Serie von Storys, die sich um eine Raum- und Funkrelais-Station rankten, die der Venus auf ihrer Umlaufbahn ‚folgte‘, sodass Erde, Venus und Sonne ein gleichseitiges Dreieck bilden. Smith spielte abenteuerlich (und sehr science-lastig) Zwischenfälle durch, die auf einer solchen Station auftreten könnten, und bemühte sich um möglichst überraschende Lösungen. Weniger wichtig war ihm die Figurenzeichnung, was aber seine Leser nicht störte; die „Venus-Equilateral“-Serie war sehr beliebt und wurde immer wieder aufgelegt.

Das sonstige Werk blieb schmal, zumal Smith ab 1960 kaum mehr schrieb. Am 27. Mai 1981 ist George O. Smith in Rumson (New Jersey) gestorben. Er wurde nur 70 Jahre alt; schon 1958 hatte er einen schweren Herzinfarkt erlitten.

Heftroman: 96 Seiten
Originaltitel: Hellflower (New York : Abelard Press 1953)
Übersetzung: N. N.
Cover: Carlo Jacono

Der Autor vergibt: (1.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)