Tess Gerritsen – Totengrund. Ein Rizzoli & Isles-Thriller (Lesung)

Die Maura Isles & Jane Rizzoli-Serie:

Band 1: [„Die Chirurgin“
Band 2: [„Der Meister“
Band 3: [„Todsünde“
Band 4: [„Schwesternmord“ (Lesung)
Band 5: [„Scheintot“ (Lesung)
Band 6: [„Blutmale“
Band 7: [„Grabkammer“
Band 8: „Totengrund


Massengrab auf Sektengrund: Wer wars?

In einem Dorf in den tief verschneiten Bergen Wyomings ist etwas Schreckliches passiert. Die Fenster der Häuser sind offen, das Essen steht noch auf den Tischen, doch keine Menschenseele ist zu sehen. An diesem verlassenen Ort haben Maura Isles und ihre Freunde während eines Schneesturms Zuflucht gesucht. Und sind seitdem spurlos verschwunden. Nur ein einziger Fußabdruck zeigt, sie waren nicht allein in diesem einsamen Tal …

Als Jane Rizzoli Tage später erfährt, dass ihre Freundin nicht von einer Pathologenkonferenz in Wyoming zurückgekommen ist und ein Autowrack mit vier Toten gefunden wurde – darunter eine verbrannte Frauenleiche in Mauras Alter -, stellt sie sich nur noch eine Frage: Lebt Maura noch? (Verlagsinfo)

Die Autorin

Tess Gerritsen war eine erfolgreiche Internistin, bevor sie mit dem Medizinthriller „Kalte Herzen“ einen großen Erfolg errang. Es folgten mehrere mittelmäßige Thriller wie „Roter Engel“, die durchaus spannend zu unterhalten wissen.

Mit dem Bestseller „Die Chirurgin“ ist ihr auch der Durchbruch in Deutschland gelungen, denn dieser Thriller ist noch eine ganze Klasse härter: Der Mörder entfernt seinen weiblichen Opfern die Gebärmutter. Die Fortsetzung trägt den Titel „Der Meister“, und „Todsünde“ ist der dritte Roman mit Detective Jane Rizzoli vom Boston Police Department. „Body Double“ trägt in der Übersetzung den treffenden Titel „Schwesternmord“. „Blutmale“ war der sechste Roman in ihrer Serie um Detective Jane Rizzoli und die Rechtsmedizinerin Dr. Maura Isles.

Gerritsen lebt mit ihrem Mann, dem Arzt Jacob Gerritsen, und ihren beiden Söhnen in Camden, im US-Bundesstaat Maine.

Handlung

Dr. Maura Isles, die Pathologin aus Boston, verabschiedet sich von Pfarrer Daniel Brophy, ihrem Geliebten, und damit von einer problematisch gewordenen Beziehung: Er kann sich niemals öffentlich zu ihr bekennen. Nur Mauras beste Freundin Lt. Jane Rizzoli vom Boston Police Department weiß davon.

Die unglückliche Pathologin besucht einen Kongress, der in Wyoming stattfindet, also wirklich am Arsch der Welt. Sie ist erstaunt, dass jemand sie wiedererkennt – und das nach 20 Jahren. Doug Comley war ihr Kommilitone an der Stanford University und stets ein California Sonnyboy. Weil sie so unglücklich ist, lässt sie sich von ihm überreden, mit ihm, seiner Tochter Grace (13) und seinen Freunden Arlo und Elaine übers Wochenende in eine Berghütte zu fahren. Sie denkt, dabei kann ja nichts schiefgehen.

Sie hat sich getäuscht. Schon am Morgen des Abfahrtstages fängt es an zu schneien. Zu Mittag machen sie an einer Tankstelle Rast. Der Tankwart warnt sie noch vor einem Ort namens Kingdom Come, aber sie ignorieren die Warnung. Maura liest in der Zeitung, dass ein Schneesturm im Anzug ist. Wieso ist sie bloß mitgefahren?

30 Meilen weiter stoppt Doug voller Zweifel: Keine Berghütte in Sicht. Als er umdrehen will, fährt er seinen Van derart in den Graben, dass der Wagen auf der Seite liegt. Maura entdeckt das Schild, das auf eine Privatstraße hinweist. Wenig später entdecken sie auch ein Ortsschild: „Kingdom Come“. Zwei Meilen weiter stoßen sie auf eine verlassene Siedlung aus Holzhäusern, die ohne Ausnahme verlassen sind. Seltsamerweise gibt es keinerlei Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts, ja noch nicht einmal Strom, von einem Funkempfang ganz zu schweigen.

In jedem der identischen Häuser hängt das Foto eines bärtigen Propheten, der gen Himmel blickt – für Maura der Hinweis, dass dies hier mal eine religiöse Gemeinschaft gewesen sein muss. Aber warum sind die Familien so unvermittelt aufgebrochen, dass sie sogar noch das fertige Essen auf dem Tisch stehenließen? Als Maura den gefrorenen Schäferhund vor einem Holzstapel findet (indem sie darüber stolpert), ahnt sie, dass hier etwas Furchtbares passiert sein muss. Und ein fremder Fußabdruck auf der Schwelle ist der erste Hinweis (den sie verschweigt), dass die fünf im Dorf nicht allein sind …

Unterdessen

In Boston findet Lt. Jane Rizzoli eine tiefgefrorene, zerstückelte Männerleiche in einem privaten Lagerraum, dessen Mieterin verstorben ist. Als die Vermieterin den Inhalt des Lagerraums versteigern wollte, stieß sie auf die Leiche. Jetzt wird Jane erstmals von Daniel Brophy angerufen, weil er sich Sorgen um Maura macht. Sie ist nicht per Telefon erreichbar.

Wenige Tage später ist beiden klar, dass Maura, die nicht mit dem Flieger zurückgekehrt ist, etwas zugestoßen sein könnte. Zusammen mit Janes Mann, den FBI-Agenten Gabriel Dean, machen sie sich auf den Weg ins bergige Wyoming.

Dort werden sie zunächst an einen Tatort gerufen, an dem ein Pärchen in einem Motelzimmer erschlagen wurde. Wenige Tage später ruft man sie, weil ein ausgebrannter Van gefunden, in dem vier verkohlte Körper liegen. Und einer der Koffer gehört eindeutig Dr. Maura Isles …

Mein Eindruck

Wie schon in vielen ihrer Thriller zuvor spielt die Autorin virtuos mit den Erwartungen des Lesers, um ihn und vor allem sie so lange und so gespannt wie möglich bei der Stange zu halten. Dazu gehört auch, dass Maura sich einmal kurz per Festnetztelefon (in den Bergen gibt’s kein Funknetz) bei Jane melden kann. Doch sogleich wird dadurch der Feind alarmiert und Maura gerät in eine extrem brenzlige Situation.

Doch wer ist der Feind? Wer schleicht spät noch um die gespenstischen Häuser von Kongdom Come? Wer zündet sie alle an und brennt sie völlig nieder? Bange fragen wir uns, ob wirklich die Sekte des Patriarchen Jeremiah Goode dahintersteckt – oder nicht doch noch andere Personen.

Schreckensbilder

Jane erfährt zahlreiche furchterregende Einzelheiten über Jeremiah von einer jungen Sozialhelferin, die sich als Cathy Weiss vorstellt. Demzufolge funktioniert die patriarchalisch organisierte Sekte genau wie viele andere Sekten, die Schlagzeilen gemacht haben, sei es die von Charles Manson, von Reverend Jones in Guayana oder die der Davidianer in Waco, Texas: Die Männer werden für ihre Loyalität mit jungen „Bräuten“ belohnt, minderjährigen Mädchen, die schon mit 13 Jahren zum Sex und Kinderkriegen gezwungen werden. Die jungen Männer werden verjagt, und die Gattinnen und Mütter, voller Verehrung für den Propheten, haben eh nichts zu melden.

Dies ist der eine Schwerpunkt der Kritik der Autorin. Im Hauptquartier des Propheten kommt es daher folgerichtig zu einem längst erwarteten Showdown zwischen der Sekte einerseits und den Kräften der Polizei, auf deren Seite sich auch Jane Rizzoli und Cathy Weiss befinden. Doch dann kommt es zu einem unvorhergesehenen Zwischenfall mit schweren Folgen …

Die Prüfung der Wildnis

Maura Isles ist mit einem jungen Mann namens Julian Perkins auf der Flucht vor unsichtbaren, aber sehr schießwütigen Verfolgern. Julian, der sich selbst „Rat“ (Ratte) nennt, ist einer der vom Porpheten ausgestoßenen jungen Männer. Mit seinen 16 Jahren ist er aber noch ein halber Junge, wie Maura erkennt. Von seiner Mutter früh im Stich gelassen, wuchs er bei seinem Großvater auf, einem berühmten „Mountain Man“ à la Jeremiah Johnson.

Nur Julians Wissen verdankt Maura ihr Überleben. Am Schluss der Geschichte bedankt sie sich auf ihre Weise. Denn die Tage mit Julian sind eine Feuertaufe, ein „rite of passage“, der in Maura ein neues Bewusstsein für ihr eigenes Leben weckt … Diese Szenen in der feindlichen Natur waren mir die liebsten. Und auch hier findet ein Showdown statt.

Die Autopsie

Eine der wichtigsten Aufgaben, die erst Jane und dann Maura zu bewältigen haben, ist die Aufklärung der vielen Tode in Jackson Hole, Sublette County und schließlich auch Kingdom Come. Kann es sein, dass stets nur die Sekte Goodes dahintersteckt? Als Jane nach Kingdom Come fährt und die niedergebrannten Hütten ebenso bemerkt wie die vielen toten Coyoten ringsum, kommt ihr dies reichlich merkwürdig vor. Da wird am Ende des Dorfes ein flaches, von den wilden Tieren geöffnetes Massengrab entdeckt. Das Sheriffbüro und sein Leichenbeschauer bergen nicht weniger als 41 Leichen – sämtliche Bewohner des Dorfes, darunter auch kleine Babys. Doch woran und warum mussten sie sterben?

Die Antwort hat die Forensik zu liefern, das Spezialgebiet Mauras. Zugleich mit der Todesursache, hofft sie einen Hinweis auf den Zweck dieser Tode zu finden. Dienten sie wie einst in Jonestown (Zyanid in der Limonade) und San Diego (Schlaftabletten und eine Plastiktüte übern Kopf) einem schaurigen Massenselbstmord? War es Mord – doch durch welches skrupellose Monster? Oder könnte es sich doch nur um einen unglücklichen Zufall handeln? Aber wer hat dann die Leichen vergraben?

Zusammen mit dem Pathologen Fred Gruber und seinem Assi macht sich Maura daran, die Todesursache anhand eines jungen weiblichen Opfers herauszufinden. Äußerlich sind keinerlei Anzeichen von Gewalteinwirkung zu finden. Bleibt nur Gift als Todesursache. Maura warnt vor Insektenvertilgungsmitteln, die sich im Magen angesammelt haben könnten.

Gruber, geschützt durch ein Atemgerät, schneidet in den Magen, doch nichts passiert. Auch der Gasmelder zeigt nichts an. Merkwürdig, findet Maura. Gruber nimmt erleichtert seine lästige Maske ab. Und dann kippt er um, sein Körper verkrampft sich. Maura löst den Gas-Alarm aus …

Schwächen

Wie man sieht, bleibt der Thriller bis zum Schluss voller Überraschungen und Höhepunkte. Dabei fällt es nicht mehr so sehr ins Gewicht, wenn der Leser merkt, dass die Autorin ein paar Abkürzungen genommen hat, um ihre Story spannend zu erzählen.

So müssen wir es beispielsweise hinnehmen, dass Maura eben noch mit drei überlebenden Begleitern in einer der Hütten um das Leben eines Schwerverletzten kämpfte (Doug Coley ist schon vor Tagen aufgebrochen, um Hilfe zu holen), dass in einer der nächsten Szenen eben diese drei Gefährten verkohlt in einem Lieferwagen liegen – von Maura wenigstens wissen wir, dass sie höchstwahrscheinlich überlebt hat. Wer ist aber dann der vierte Tote im Wagen?

Der Punkt meiner Kritik ist nicht die Zahl der Toten, sondern dass wir unser Interesse und unsere Anteilnahme nutzlos investiert haben. Eben lebten sie noch, dann sind sie tot. Die Autorin fährt hier einen ziemlich schonungslosen Kurs.

Eine Abkürzung nimmt sie, als sie einen Anruf eines Polizisten in seiner Zentrale nicht weiterverfolgt: Er hat die Zentrale angelogen. Aber dieser Punkt ist angesichts dessen, was Jane und Cathy Weiss in der Garage des Cops finden, auf einmal recht bedeutungslos … Es ist klar, dass er was auf dem Kerbholz haben muss. Die Frage ist nur noch, was genau.

Unterm Strich

Ich habe den spannenden und bis zum Schluss wendungsreichen Thriller in nur drei Tagen gelesen. Es lässt sich flüssig lesen, wartet mit der interessanten Figur des Julian Perkins auf und befasst sich mit zwei Themen, die manchmal auch für uns relevant werden: sanktionierter Kindesmissbrauch in einer Sekte oder abgeschlossenen Gemeinschaft sowie Giftgas aus Altbeständen (da liegt in der Ex-DDR noch einiges vergraben).

Ganz nebenbei erfährt auch das Leben der unglücklich verliebten Maura Isles eine heftige Wendung – für sie hält das Buch eine Feuertaufe bereit. Hier findet man den meisten psychologischen Tiefgang der Geschichte. Sie muss sich auch gegen den stets optimistischen Mediziner Doug Comley durchsetzen, so etwa bei einer der packendsten Szenen, einer Notoperation an einem Schwerverletzten.

Die TV-Serie

Inzwischen ist die Reihe um Maura Isles und Jane Rizzoli zu einer TV-Serie umgearbeitet worden. Deren zehn Teile dürften früher oder später auch ihren Weg zu uns finden, beispielsweise auf ZDF-neo, wo auch die „Jesse Stone“-Reihe lief. Die Vorlagen zu diesen Thrillern gehören zum besten und lesbarsten, was das Thrillergenre für weibliche Spannungs-Fans bereithält.

Gebunden: 416 Seiten
Originaltitel: Killing Place (UK) / Ice Cold (USA)
ISBN-13: 978-3809025764

https://www.penguinrandomhouse.de/Verlag/Limes/23000.rhd

_Tess Gerritsen bei |Buchwurm.info|:_
[„Roter Engel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1783
[„Akte Weiß: Das Geheimlabor“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2436
[„Girl Missing“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6757

Schreibe einen Kommentar