Oliver Graute / Oliver Hoffmann / Kai Meyer – Engel – Grundregelwerk 2.0

„In einer Zeit, die weit entfernt in unserer Zukunft liegt, ist die Erde zum gigantischen Schlachtfeld der Mächte von Gut und Böse geworden. Gewaltige Fegefeuer brennen dem Planeten ihr dunkles Zeichen ein, und die Streiter des Einen führen einen scheinbar aussichtslosen Kampf gegen die unheiligen Kreaturen des Herrn der Fliegen – die Traumsaat.“ (Auszug aus dem Regelwerk)

Über die Welt von Engel

„Engel“ ist ein Rollenspiel, oder besser gesagt ein Erzählspiel, das in ferner Zukunft im Jahre 2654 angesiedelt ist, nachdem die Engel des Herrn auf die Erde gekommen sind, um die Menschheit zu beschützen. Doch in dieser Welt hat sich im Vergleich zu heute einiges verändert:

Bis zu Beginn des Jahres 2163 kamen drei Wellen einer bislang unbekannten Seuche, großer Veitstanz genannt, über die Menschen, die jeden tötete, der die Schwelle zum Erwachsenwerden überschritten hatte. Mit diesem Verlust der Erwachsenen ging auch ein Verlust an Wissen einher, der die Welt in eine Art Neomittelalter stürzte.

Doch damit nicht genug, denn an den Polarkappen entstanden riesige Feuersäulen (Fegefeuer), die innerhalb eines Jahres das gesamte Eis zum Schmelzen brachten. Dadurch kam es zu einer noch nie dagewesenen Überflutung, die die Niederlande, Nordfrankreich und Norddeutschland überschwemmte. In diesem Chaos handelte die neu gegründete Angelitische Kirche am schnellsten und sicherte sich die alleinige Herrschaft über das noch bekannte Europa. Diese Kirche propagierte, die Technik sei schuld am Zorn Gottes, der über die Menschen kam, denn sie sei eine Verführung des Herrn der Fliegen. Dadurch kam es zu Bücher- und Technikpogromen, die auch das letzte bisschen Fortschritt zerstören sollten.

Einige Städte widersetzten sich diesen Anweisungen, und es kam zum Krieg zwischen der Angelitischen Kirchen und den so genannten Schrottbaronen. Und als die Kirche zu unterliegen drohte, schickte der Herr seine Heerscharen, die Engel, auf die Erde, mit deren Hilfe die Kirche die Kriege gewann.

Doch war auch der Herr der Fliegen nicht untätig. Die Fegefeuer setzten sich in Bewegung, zwar langsam, aber stetig. Überall dort, wo sie vorbeizogen, hinterließen sie verbranntes Land, in dem nichts überleben konnte. Außerdem kamen aus diesem Brandland schreckliche insektoide Monster: die Traumsaat.

Der Spieler übernimmt einen Engel aus einem der fünf Engelsorden, welche da wären:

Michaeliten: Anführer der Engel

Gabrieliten: Todesengel und Krieger

Raphaeliten: Himmlische Heiler

Urieliten: Kundschafter und Wildniskundige

Ramieliten: Bewahrer des Wissens

Normalerweise besteht eine Spielgruppe auf fünf Spielern, da ein Engel aus jedem Orden in der Schar (so wird eine Gruppe Engel genannt) vorhanden sein sollte.

Die Engel besitzen sowohl flugfähige Schwingen als auch besondere Kräfte, |Mächte| genannt. Diese Mächte sind je nach Orden unterschiedlich; so können die Raphaeliten durch Handauflegen heilen, während die Gabrieliten ein Flammenschwert besitzen. Das „Engel“-Grundregelwerk ist darauf ausgelegt, einen Engel zu spielen, doch wird es mit dem Quellenband „Mater Ecclesia“ auch möglich sein, einen menschlichen Charakter zu verkörpern.

Aufmachung

Das Grundregelwerk besitzt ein edel aufgemachtes und mit goldfarbenem Druck verziertes Hardcover, auf dessen Innenseite sich eine Karte der von Überschwemmungen veränderten Welt befindet.

Auch im Inneren wurde viel Wert auf Details bei der Gestaltung gelegt. So wurde eigens eine spezielle Schriftart für Überschriften und bestimmte Textstellen kreiert. Bei der Gestaltung hat der |Feder & Schwert|-Verlag wieder ganze Arbeit geleistet. Besonders gelungen sind die Illustrationen. Neben sehr detailierten und wunderschönen Engelsbildern und schrecklichen Traumsaatkreaturen sind eine Vielzahl von Zeichnungen im „Engel – Grundregelwerk 2.0“ vorhanden, die das Flair des Spiels äußerst interessant zu vermitteln verstehen.

Auch die Arkana-Karten, zu deren Bedeutung ich gleich kommen werde, sind von gleich hoher Qualität wie das restliche Regelwerk.

Regeln

Die Regeln dieses Spiels sind, selbst für erfahrene Rollenspieler, etwas ganz Besonderes. Und das liegt daran, dass „Engel“ gleich zwei Regelwerke besitzt. Zum einen ein System, das sich Arkana-System nennt, und zum anderen ein W20-System nach guter alter „Dungeons & Dragons“-Manier.

Ich möchte hauptsächlich auf das Arkana-System eingehen, da es dieses System ist, das „Engel“ so von anderen Regelwerken unterscheidet. In diesem System werden nämlich keine Würfel benutzt, sondern die im „Engel – Grundregelwerk“ enthaltenen Arkana-Karten.

Auch ist „Engel“ nicht im klassischen Sinne ein Rollenspiel, sonder eher ein Erzählspiel. Ich erläutere das am besten kurz an einem allgemein gehaltenen Beispiel: In einem „normalen“ Rollenspiel würfelt der Spieler eine Probe und der Spielleiter interpretiert dann diesen Wurf, indem er feststellt, ob die Aktion gelungen ist oder nicht, und sie genau beschreibt. Bei „Engel“ ist das nicht der Fall. Bei besonderen Aktionen wird eine Arkana-Karte gezogen. Sie wird verdeckt vor den Spieler gelegt. Jede dieser Karten hat zwei Bedeutungen, eine Gute und eine Schlechte. Je nachdem, welche der Spieler aufdeckt, weiß er, ob er die Aktion geschafft hat oder nicht. Das Besondere ist aber: Der Spieler beschreibt seine Aktion danach selber, und der Spielleiter übernimmt erst nach Ende dieser Aktion wieder das Geschehen. Das mag am Anfang etwas schwierig anmuten, macht aber schon nach kurzer Dauer richtig viel Spaß. Wer allerdings überhaupt nicht damit zurecht kommt, kann auf das W20-System zurückgreifen oder die beiden Systeme miteinander kombinieren.

Fazit

„Engel“ ist ein anspruchsvolles System. Gerade Neueinsteigern in das Rollenspiel-Genre sei zum Beginn eher ein anderes Rollenspiel ans Herz gelegt. Das Erzählen mit Hilfe der Arkana-Karten, kann gerade bei einer jungen Gruppe in endloses Gemetzel und Übertreiben abdriften, das dann keinem mehr Freude bereitet.

Doch gerade erfahrenen Rollenspielern kann ich „Engel“ nur wärmstens empfehlen. Durch die Arkana-Karten und das Erzählsystem wird das Rollenspiel auf den interessantesten Teil reduziert und entfernt sich dadurch vom Tabellenwälzen oder dem endlosen Zusammenzählen nerviger Schadensboni von manch anderem Rollenspiel. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit macht „Engel“ einfach wirklich Freude und ist einfach mal etwas Neues auf dem Rollenspielmarkt, das man unbedingt ausprobieren sollte.

www.engel-net.com/ (in Überarbeitung)
www.feder-und-schwert.com