Gülzow, Susa – Scotland Yard jagt Dr. Mabuse

_Spannend: Verbrechergenie greift die Regierung Ihrer Majestät an_

Dr. Mabuse ist tot, nicht aber sein Geist: Besessen von dem einstigen Superverbrecher stiehlt der Irrenarzt Prof. Pohland ein Gerät, mit dem man Leute hypnotisieren kann. Es gelingt ihm, 13 Menschen an den Schaltstellen der Macht unter seine Kontrolle zu bringen, doch Major Bill Tern ist ihm bereit auf der Spur. Gelingt es ihm, Mabuses Welteroberungspläne zu durchkreuzen? (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Susa Gülzow arbeitet seit 1988 als Autorin, Regisseurin und Sprecherin. Aus ihrer Feder stammen beispielsweise die Hörspielfassungen von „Lucky Luke“, diversen Heinz-Erhardt-Filmen und „Dr. Mabuse“ sowie zahlreiche Synchronbearbeitungen.

|Die „Dr. Mabuse“-Reihe nach dem Krieg:|

1) Die 1000 Augen des Dr. Mabuse (1957)
2) Im Stahlnetz des Dr. Mabuse
3) Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse
4) Das Testament des Dr. Mabuse (1962)
5) Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (1963)
6) Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse (1964)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Regie führte 1963 Paul May, die Musik lieferte Rolf Wilhelm, das Drehbuch stammt von Ladislas Fodor nach der Figur von Norbert Jacques und nach einem Roman von Bryan Edgar Wallace.

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Major Bill Tern: Peter van Eyck
Mrs. Tern: Agnes Windeck
Nancy: Sabine Bethmann
Cockstone: Dieter Borsche
Inspektor Vulpius: Werner Peters
Sowie Walter Rilla als Prof. Pohland
u. v. a.
Erzähler: Wolf Frass

_Handlung_

Dr. Pohland, der frühere Irrenarzt, der Mabuse, das Genie des Bösen, betreute, glaubt sich nun selbst von Mabuse besessen, nachdem dieser angeblich gestorben ist. Deshalb ist Pohland auch von der Möglichkeit der Übertragung von Gedanken und Willen geradezu besessen. Um diese Idee in die Realität umsetzen zu können, lässt er den wissenschaftlich vorgebildeten Sträfling George Cockstone bei einem Zugüberfall nahe Hamburg befreien.

Von einem alten Kameraden namens Hillyard zu Mabuse gebracht, findet dieser Cockstone nützlich und überträgt ihm eine besondere Aufgabe – die Erfindung von Prof. Laurenz zu stehlen und einzusetzen. Dieses Gerät verändert das Gehirn des Opfers so, dass es für Gedanken- und Willensübertragung empfänglich wird. Um unerkannt bei Laurenz arbeiten zu können, bekommt Cockstone ein neues Gesicht, ein neues Diplom und selbstverständlich einen neuen Namen: Ranke.

Inspoktor Vulpius von der Hamburger Kripo telefoniert mit Cockstones Betreuer bei Scotland Yard, einem gewissen Major Bill Tern. Zuerst bekommt Vulpius nur dessen alte Mutter an die Strippe, die eine begierige Krimileserin ist, doch dann meldet sich Tern selbst. Er beschließt, nach Hamburg zu kommen. Hier informiert er Vulpius über Cockstones wissenschaftlichen Hintergrund und stellt die entscheidende Frage: welche große Organisation schaffte es, diesen Zugüberfall generalstabsmäßig vorzubereiten und auszuführen? Und wozu braucht sie Cockstone überhaupt?

Wenige Tage später ermordet der bis dato unbescholtene Briefträger Schröder Professor Laurenz. Nach einem Gespräch mit Laurenz‘ Mitarbeiter Ranke, der unverdächtig genug erscheint, vernimmt Vulpius den völlig verstörten Briefträger. Der sagt immer wieder, er habe unter Zwang gehandelt, als er den Stößel aus einem Mörser nahm und damit den Professor erschlug. Weil Bill Terns Mamachen diese Tat verdächtig erscheint, kommt Tern nochmals nach Hamburg, um sich diesen Ranke mal anzusehen. Doch bevor er das Labor erreicht, fliegt dieses in die Luft! Die verbrannte Leiche, die man zunächst für Ranke gehalten hat, wird von einer Italienerin als die eines plastischen Chirurgen identifziert. Tern kombiniert: Ranke ist Cockstone, mit einem neuen Gesicht. Na, prächtig!

Dr. Mabuse verteilt neue Aufgaben. Das Gerät, das ihm Cockstone geliefert hat, ist zu verbessern, damit die Befehle nicht mehr nur 24 Stunden vorhalten. Außerdem müssen mehr Edelsteine besorgt werden, um weitere Geräte bauen zu können. Für all dies ist natürlich eine Menge Geld nötig. Mabuse befiehlt den Überfall auf einen Postzug. Wenig später erschüttern der Skandal um eine bestohlene und entführte Prinzessin sowie eine Millionenbeute unbekannter Räuber Großbritannien.

Und doch ist dies erst der Anfang: Mabuse greift die britische Regierung direkt an …

_Mein Eindruck_

Lange Zeit sieht es so aus, als könne Dr. Mabuse die britische Regierung in die Knie zwingen, schließlich hat er ja eine Prinzessin in seiner Gewalt. Doch er hat nicht mit Mamachens Einfallsreichtum gerechnet sowie einer ganz speziellen Eigenschaft: Sie trägt ein Hörgerät, von dem ihr Sohnemann Bill bislang nichts gewusst haben will. Und durch dieses Hörgerät – so eines trägt übrigens auch Vulpius – ist sie immun gegen die Strahlung des Gedankentransmitters, den Mabuse von seinen Leuten einsetzen lässt. Dabei tauchen hie und da freundliche Fotografen auf, drücken auf den Auslöser ihrer Kamera, doch statt des erwarteten Bildes entsteht ein Zwang, der den „Geknipsten“ willfährig macht.

Dass es weder ein Telepathiegerät gibt, noch eine Abschirmung mittels Hörgerät, ist eh klar. Aber solche futuristischen Gimmicks gehören mit zum Charakter der Serie. So finden auch schon mal Todesstrahlen Einsatz in einer Folge. Auf dieser Weise versuchten es die deutschen Produzenten mit den technischen Spielereien der neuen „James Bond“-Reihe aufzunehmen, während bei den frühen „Mabuse“-Folgen noch Telepathie und Hypnose völlig ausgereicht hatten. Mit ihren begrenzten Mitteln kamen die Deutschen auch recht weit, spannten diesmal aber des internationalen Flairs wegen auch britische Figuren ein.

Auf einer zweiten Ebene lässt sich das Verbrechergenie Dr. Mabuse – oder dessen Nachfolger – politisch auch als Schatten der Vergangenheit interpretieren, als Schreckensbild, das aus dem Bewusstsein der Massen verdrängt worden ist. „Der braune Spuk“, wie das der BKA-Beamte nennt, ist im Jahr 1957, in dem die Handlung des ersten „Mabuse“-Films nach dem Krieg spielt, erst zwölf Jahre zuvor vertrieben worden – und zwar keineswegs vom deutschen Volk selbst. „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“ – gilt dieses Zitat weiterhin? Diesmal treffen Dr. Mabuses Machenschaften die Briten – dies ist allemal unverfänglicher als der Schauplatz Berlin, der in Fritz Langs Klassiker „Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ den Zuschauer verunsicherte.

Was wir also zu hören bekommen, ist ein Gruselkrimi bekannter Machart. Wir haben eine Reihe von Männern, die alles Mögliche sein können. Wir haben zwei aufrechte Polizisten, der ihr Möglichstes versucht, erstens am Leben zu bleiben, und zweitens, ein Genie des Verbrechens zu fangen. Wir haben mehrere Gegner, die die beiden ausschalten wollen. Die besondere Raffinesse dieser Gegner besteht darin, dass sie den „Guten“ ihren Willen aufzwingen können (es sei denn, diese haben eine Abschirmung dabei). Wir haben ein actionreiches Finale, indem geballert wird, was die Platzpatronen hergeben. Doch am Schluss steht wieder die Frage im Raum, ob sie den echten Dr. Mabuse erwischt haben.

Einen Verbrecher in der englischen Pampa zu jagen, wäre aber viel zu reizlos. Nein, Bill Terns neue Freundin Nancy, die schutzbedürftige Tochter des ermordeten Prof. Masterson, wurde von Mabuses Schergen ebenfalls entführt. Bills ritterliche Aufgabe besteht natürlich darin, die Maid in Not zu befreien – und hinterher zu freien. Wenn sein Mamachen nichts dagegen hat.

_Der Sprecher/Die Inszenierung_

Nach einer Fanfare in einem schrecklich miesen Sound, die zum Glück nur 30 Sekunden dauert, geht der Hör-Film sofort los. Es gibt keine Einleitung, lediglich eindringliche Musik, wie man sie aus den 1959 gestarteten Edgar-Wallace-Verfilmungen kennt. Die Musik dirigiert die Emotionen, die den Zuhörer (so wie einst den Zuschauer) erfüllen sollen: Beklemmung, Furcht, Entsetzen, aber auch romantische Gefühle, nach dem Finale schließlich Triumph und Erleichterung.

Schon nach wenigen Minuten gibt es die erste Leiche. Einige weitere werden folgen. Die Geräuschkulisse entspricht dem Niveau eines Edgar-Wallace-Krimis. Was mich jedoch völlig enttäuscht hat, ist die mickrige Qualität der Schüsse, Hier wurden offensichtlich nur Platzpatronen benutzt, deren Geräuschentwicklung doch sehr begrenzt ist. Aber es klingt einfach nach den Spielzeugpistolen, die wir Jungs beim Räuber-und-Gendarm- oder Cowboy-und-Indianer-Spielen benutzten (ich war immer der Indianer, logo!). Auch die Explosionen klingen eher nach einem zusammenkrachenden Haus als einer hochgehenden Ladung Sprengstoff.

Die Sprecher entsprechen den damaligen Schauspielern ist ja klar. Herausragend fand ich Peter van Eyck als Bill Tern, Werner Peters als Vulpius, Agnes Windeck als Mamachen Tern und ganz besonders der kühle, beherrschte Dieter Borsche als George Cockstone. Borsche ist ein Edelmime, der schon preußische Könige, Generäle und Prinzen spielte. Warum er sich für diese Produktion hergab, ist mir schleierhaft. Vielleicht lag es am Charme des Produzenten Atze Brauner.

Immerhin ist die Geräuschkulisse ziemlich realistisch, besonders in den Interieurs, aber auch auf der Straße. Schade, dass für den Effekt des Telepathiegeräts kein besonderer Sound gefunden wurde. Da der Mono-Sound keineswegs dem Dolby-Digital-5.1-Standard entspricht, knarren auch die Stimmen der Darsteller recht kernig und obertonlastig daher. Diese Qualität ist jedoch offenbar die des Originals, denn das Hörspiel wurde durchgehend, wie die DDD-Signatur auf der Hülle verrät, mit digitalen Mitteln hergestellt. Um mehr aus dem Original herauszukitzeln, wäre wohl ein teures Remastering nötig. Und das können sich meines Wissens nur die großen Studios leisten.

|Das Booklet|

Das Booklet umfasst zwölf Seiten, die sich sehen lassen können. Neben einem historischen Zeitungsartikel über die Dreharbeiten im Berliner Grunewald sind hier nicht nur die Macher des Film detailliert vorgestellt, sondern auch die Verantwortlichen des Hörbuchs. Natürlich fehlt auch Produzent Sven Michael Schreivogel nicht. Er dankt mehreren Quellen, ohne deren Unterstützung das Produkt wesentlich magerer ausgefallen wäre, darunter der Tochter von Filmproduzent Artur Brauner, sowie den Erben von Norbert Jacques, dem Schöpfer der Figur des Dr. Mabuse.

Im Booklet sind zahlreiche Filmfotos in ausgezeichneter Qualität abgedruckt. Zu sehen sind:

Major Bill Tern: Peter van Eyck, teetrinkend
Mrs. Tern: Agnes Windeck, Bill und Vulpius vernehmend
Nancy Masterson: Sabine Bethmann (oho, im superknappen Höschen!)
Cockstone: Dieter Borsche, mit Hypnotisiergerät
Inspektor Vulpius: Werner Peters, neben Peter van Eyck
Sowie Walter Rilla als Prof. Pohland, mit Spezialbrille

Die letzte Seite führt die Trackliste auf.

_Unterm Strich_

Das Hörspiel weiß auf spannende und ironische Weise zu unterhalten, ohne dass weder die Intelligenz noch die Romantik oder der Humor zu kurz kommen. Allerdings heißt es angesichts der Fülle der Dialogtexte aufpassen. Ich musste das Hörspiel in aller Ruhe zweimal anhören, um die zahlreichen versteckten Hinweise, falschen Fährten und Doppelidentitäten zu verstehen und auf die Reihe zu bekommen.

Das Drehbuch ist schon ziemlich ausgetüftelt. Doch auch beim ersten Anhören ist die Essenz leicht zu kapieren: Grusel, Spannung, Romantik und Terrorismus gehen hier eine bemerkenswerte Verbindung in einem Thriller ein, der heute leider schon wieder vergessen ist. Die antifaschistischen Untertöne des Fritz-Lang-Films von 1957 fehlen in den Fortsetzungen, dafür kamen Action und Humor besser zum Zuge, Letzteres insbesondere durch die Frauenfiguren.

Das Booklet zu der qualitativ hochstehenden Hörbuchproduktion wartet mit schönen Fotos zum Film sowie mit einem aufschlussreichen Zeitungsartikel zum Dreh in Berlin auf. Die Filmfotos ergänzen die Informationen zu zahlreichen Mitwirkenden damals und heute. Wenn der Rest der Reihe ebenso gut produziert wird, könnte das Thema „Dr. Mabuse, der Staatsfeind Nr. 1“ eine Wiederauferstehung mit Langzeitwirkung feiern. Der Käufer erhält für sein Geld einen reellen Gegenwert. Der Preis erscheint mir der Ausstattung angemessen.

|1 CD mit 61:47 Spielminuten
ISBN-13: 978-3821853253|
[www.eichborn-lido.de ]http://www.eichborn-lido.de/

_Susa Gülzow bei |Buchwurm.info|:_
[„Die 1000 Augen des Dr. Mabuse“ (Hörspiel) 945
[„Im Stahlnetz des Dr. Mabuse“ (Hörspiel) 1717
[„Die unsichtbaren Krallen des Dr. Mabuse“ (Hörspiel) 1738
[„Kommissar X: Der Panther aus der Bronx“ (Hörspiel) 1757
[„Dämonenkiller: Im Zeichen des Bösen“ (Hörspiel-Edition 21) 4906
[„Kommissar X: Eine Kugel für den Richter“ (Hörspiel) 5053
[„Wiedergeburt des Bösen (Das magische Amulett, Folge 1) (Hörspiel) 5311
[„Die schwarze Witwe, Die (Das magische Amulett, Folge 2) (Hörspiel) 5417
[„Die Todesstrahlen des Dr. Mabuse“ (Hörspiel) 6040
[“ Das Testament des Dr. Mabuse“ (Hörspiel) 6086