Guy Burt – The Hole. Der Roman zum Film

Verrückter Student als „Herr der Fliegen“?!

„Hinein treibt sie die Neugier. Hinaus führt sie der Tod.“ Fünf Teenager wagen ein Experiment: Sie lassen sich drei Tage in einem abgelegenen Keller der Schule einsperren, aus dem es kein Entkommen gibt. … Doch als die drei Tage um sind, tauch Martyn nicht auf – und niemand weiß etwas von dem Experiment… (Verlagsinfo)

Wenn vier (oder fünf?) junge Menschen in einem Bunker (Romanversion: im Keller) eingesperrt sind und dort ausflippen, wird daraus schon ein „Kultbuch“? Behauptet jedenfalls der Verlag. Richtig ist jedenfalls, dass es zahlreiche Unterschiede zwischen dem Buch und der Verfilmung gibt. Mal sehen, was dabei besser abschneidet. Und ob man sich für diese Geschichte überhaupt interessieren sollte.

Der Autor

Guy Burt (* 1972) ist ein englischer Romanschriftsteller. Mit seinem ersten Roman „After the hole“, der später unter dem Titel „The Hole“ verfilmt wurde, gewann er den Betty Trask Award der britischen Schriftstellergewerkschaft Society of Authors. Danach folgten zwei weitere Romane.

1993: Nur für drei Tage/The Hole (After the hole)
1994: Das Haus der Lügen (Sophie)
1999: Das Geheimnis der Zeit (A Clock without hands bzw. The Dandelion Clock)

Handlung

Martyn ist verrückt. Das ist nicht offensichtlich, aber die junge Lisa merkt es nach einiger Zeit, seit sie seine Freundin geworden ist. Martyn liebt es, Menschen Streiche zu spielen. Nicht jedem Menschen, sondern nur solchen, die seiner Ansicht nach eine höhere Dosis Lebendigkeit vertragen könnten, gewisse Lehrer beispielsweise. Ironisch ist dabei, dass Martyn als Musterschüler gewertet und ihm eine „große Zukunft“ vorausgesagt wird. Allmählich erkennt Lisa, wie weit Martyns Verrücktheit wirklich geht. Doch da ist es bereits zu spät, das verhängnisvolle Experiment zu verhindern.

Die Erzählerin

Lisas Geschichte erfährt Liz, eine junge Schriftstellerin, die zurückgezogen in einer Mansarde während eines „traumhaften Sommers“ die eigentliche Geschichte erzählt. In einem kunstvollen Geflecht von Szenen, die zeitlich keineswegs aufeinander folgen, schildert der Autor anhand von Liz‘ Nacherzählung, Lisas Tonbandaufnahmen und den Szenen im Keller, wie es zu dem Drama kam und welche Folgen es für sie hatte. Dieses Erzählverfahren ist spannender als das einfache Herunterrattern der Chronologie der Ereignisse.

Das Experiment

Da scheinen also fünf Teenager – drei Mädchen, zwei Jungs – ein geheimes Experiment zu wagen, das natürlich Martyn eingefädelt hat. Während die restlichen Schüler auf einem Ausflug sind, lassen sich die fünf drei Tage lang in einem abgelegenen Keller ihrer Schule einsperren, aus dem es kein Entkommen gibt. Ihre Vorräte an Wasser, Licht und Nahrung reichen gerade für diese Tage. Abgesperrt hat die Tür der verrückte Martyn, und ausgerechnet er soll sie nach dem dritten Tag auch wieder öffnen. Der Leser wundert sich keineswegs, dass zu dem ausgemachten Zeitpunkt von Scherzkeks Martyn weit und breit nichts zu sehen ist.

Stunden später wird den Eingesperrten allmählich der Ernst ihrer Lage klar. Besonders Geoff erweist sich nun jedoch als recht realistisch. Auch die stille Liz, die sich ständig Notizen macht und auffällig nützliche Utensilien wie etwa eine Taschenlampe dabei hat, gerät nicht in Panik. Doch Mike, Frankie und Alex entwickeln erhebliche Probleme, mit der klaustrophobischen Situation fertig zu werden.

Die große Frage ist nun: Wie kommen die fünf – wenn überhaupt – wieder aus „dem Loch“ heraus und wer weiß etwas darüber, warum Martyn sie im Stich gelassen hat? Mit anderen Worten: Ist Martyn verrückt genug, das Leben seiner Freunde aufs Spiel zu setzen, um „realistische“ Ergebnisse seines psychologischen Experiments zu bekommen?

Der Film

Die etwas zwielichtige Liz wird im Film von Thora Birch gespielt, die im Oscar-gekrönten Drama „American Beauty“ eindrucksvoll die Tochter der Hauptfiguren (Kevin Spacey und Annette Benning) spielte. Desmond Harrington ist aus „Johanna von Orleans“ bekannt – er spielt Liz‘ Freund Mike. Embeth Davidtz tauchte in Spielbergs „Schindlers Liste“ auf. Sie spielt die Psychologin Dr. Philippa Horwood, die im Epilog für ein paar handfeste Überraschungen sorgt. Weitere Rollen: Laurence Fox spielt Geoff, Keira Nightley die Frankie und Daniel Brocklebank den „Musterschüler“ Martyn. Regisseur Nick Hamm verfilmte die Romanvorlage des ansonsten wenig bekannten Engländers Guy Burt.

Mein Eindruck

Dieser kurze Roman wäre ohne den überraschenden Epilog nicht der Rede wert. Die von Liz geschilderte Handlung bewegt sich weit entfernt von Erwartungen an Mord, Totschlag und Vergewaltigung. Liz erzählt uns vielmehr sogar von ihrem romantischen Sex mit Mike im Keller. Doch so allmählich trauen wir ihr nicht mehr recht. Sie begeht auch kleine Flüchtigkeitsfehler in ihren Beschreibungen. Doch dass wir es hier mit einem Roman im Roman im Roman zu tun haben, wird erst durch Dr. Philippa Horwoods Endnotizen klar – die ich hier leider um der Spannung willen nicht wiederholen darf.

Soviel nur ist klar: Der Autor erzählt von einer jungen Frau namens Elizabeth, die nach sechs Jahren psychiatrischer Behandlung endlich gewisse Ereignisse im „Loch“ erzählt. Ihre Erzählung umfasst sie selbst als Erzählerin (in der Mansarde) und Erzählte (im „Loch“). Lediglich die Tatsache, dass Elizabeth nach 16 Tagen im „Loch“ die einzige Überlebende des Experiments ist, vermittelt etwas von dem wahren Horror, von dem in ihrer Erzählung kaum etwas zu spüren ist.

Unterm Strich

Da der Epilog Horwoods die Schilderungen Elizabeths umkehrt, ist es ratsam, den Roman noch einmal unter anderen Vorzeichen zu lesen. Ich bin aber nicht sicher, ob sich das lohnen würde. Die Beschreibungen der Figuren sind recht flach, ihre Handlungen und Reaktionen relativ vorhersehbar. Auch Sprache und Stil sind unspektakulär, wenn auch nicht rundweg niveaulos – Elizabeth verwendet schöne Symbole und beschreibt einen erträumten „traumhaften Sommer“ in idyllischen Bildern: eine heile bzw. geheilte Welt. Doch der Leser, der sich in diese Bilder verliebt hatte, wird durch den Epilog, der sie als Erfindung entlarvt, düpiert.

Insgesamt bietet also das Buch weder Thriller noch Teenager-Drama noch Psychokrieg – oder allenfalls eine sanfte Variante der Mischung aus allem davon.

Ach ja: Einen ‚Martyn‘ oder eine ‚Lisa‘ hat es nie gegeben, wenn wir Dr. Horwood glauben dürfen. Aber irgendwo da draußen könnte es ihn geben…

Taschenbuch: 156 Seiten
O-Titel: After the Hole, 1993;
Aus dem Englischen übertragen von Andreas Brandhorst.
ISBN-13: 9783453197800


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