H. G. Wells – Die Zeitmaschine (Teil 1 und 2, 2017)

Der Klappentext:

Oliver Dörings Adaption von H. G. Wells Science-Fiction-Klassiker „Die Zeitmaschine“ ist ein Hörspiel-Erlebnis der besonderen Art. Nie wurde die packende Geschichte um einen Mann, der in eine ferne Zukunft reist und dort das Grauen erlebt, aufwendiger inszeniert. Mit herausragenden „Hollywood-Stimmen“, einem phantastischen Sounddesign und filmreifer Musik wird Wells visionäres Werk zum Kopfkino.

Mein Eindruck:

Wieso bringt derzeit gefühlt jeder bekannte Hörverlag Hörspiel- und Hörbuchfassungen der Klassiker von H. G. Wells raus? Weil sie lizenzfrei geworden sind, deshalb! Da kann mir gern jeder Produzent erzählen, dass er die Sachen schon immer umsetzen wollte … yada, yada, yada … warum hat ers dann nicht gemacht? Weils was gekostet hätte. Jetzt ists gratis und schon gehts los.

Zum Glück ists kein Schund, den der Herr Wells damals geschrieben hat und die Storys sind genauso zeitlos wie die von Jules Verne, von dem er sich mutmaßlich inspirieren ließ. Außerdem hat Oliver Döring hier keine direkte Umsetzung des Originals verhörspielt, er hat seine eigenen Ideen mit eingebracht … wenige und harmonisch gut eingefügte.

Interessanterweise hatte das hier auch beteiligte Label IMAGA bei Facebook im Mai 2016 verkündet, dass sich zuerst die Welten bekriegen würden und dann gezeitreist wird. Wer allerdings eine Zeitmaschine hat, der kann die Termine selbst bestimmen … Außerdem war damals auch noch die Rede von „Die Insel des Dr. Moreau“ und „Der Unsichtbare“, die aber wohl beide erst mal hintenan gestellt wurden. Bei 63 nun „kostenlosen“ Wells-Romanen ist die Auswahl ja recht groß.

In Dörings „Zeitmaschine“ spielt die Handlung jetzt nicht mehr am Ende des 19. Jahrhunderts, sondern in den 1970ern. Ob die Gründe für diese Entscheidung nun jedem Hörer einleuchten oder nicht … der Produzent mochte die Jahre seiner eigenen (und meiner) Kindheit offenbar am liebsten … Davon ab, fällt während des Hörspiels nur selten auf, wann die Story spielt. Es hätten problemlos auch die 1980er sein können.

Was also erwartet den geneigten Hörer denn nun und wie gut kann uns das bespaßen?

Teil 1

Nach einer clever gemachten akustischen Verneigung vor dem Original gehts in die Döring-Geschichte. Unser Zeitreisender doziert an einer Universität. Das tut er mit lockerer Zunge und lässigem Umgangston, um die Studierenden bei Laune zu halten. Dazu passen aber Formulierungen wie „du seist“ nicht … das und jede Menge andere Schriftsprache, die hier teilweise gesprochen wird, passten für mich nicht so recht. Außerdem soll er für seine Forschungen Uni-Gelder veruntreut haben … interessantes Setting.

Um einen kleinen Beweis dafür abzuliefern, dass dem nicht so ist … oder zumindest nicht ganz so, bekommen zwei seiner Freunde eine Vorführung seines Zeitmaschinenprototypens. Für ihn ein Erfolg … seine Zuschauer bleiben skeptisch. Eine Woche bleibt dem Zeitreisenden, der hier im Gegensatz zum Original sogar einen Namen hat, um Handfesteres zu präsentieren. Behaupten kann schließlich jeder alles …

Und dann … nein, dann erleben wir nicht die erste Zeitreise mit menschlichem Passagier, sondern wir befinden uns wieder im Wohnzimmer des Zeitreisenden … eine Woche später … wo der Besuch auf die Fakten wartet und einen Schreck bekommt.

Jetzt wird ihnen und uns erzählt, was am Vorabend passiert ist … Was ich dabei aber nicht nachvollziehen konnte: Er erfindet eine Zeitmaschine, legt den Hebel auf ZUKUNFT und wundert sich dann, dass er in der Zeit vorangereist ist. Das ist es doch, was er wollte und hätte erwarten sollen, oder nicht?

Prima fand ich allerdings die Idee, dass jetzt endlich die zum Setting passende Technik zum Einsatz kommt … hat der Zeitreisende doch einen Kassettenrekorder mitgenommen, um hörbare Beweise mitzubringen. Der erste große Unterschied zum literarischen Vorbild. Warum er aber keine Super-8-Kamera mitgenommen hat, habe ich mich schon gefragt. Die gabs in den 1970ern und sie waren weit verbreitet. Bilder sagen mehr als tausend Meter Band(salat).

Bei seinen Schilderungen hat der Zeitreisende erwartungsgemäß einen großen Wortanteil. Die tolle Sprecherleistung, die Geräusche und der immer mal wieder eingestreute Dialog mit seinen Zuhörern führen allerdings dazu, dass sich auch der Hörer vor dem Lautsprecher als Teil dieser Runde fühlt und an seinen Lippen hängt. Auch ich, der ich die Originalgeschichte schon kenne.

Wir bekommen erzählt, was der Zeitreisende in der relativ nahen Zukunft gesehen hat … ausführlich aber interessant. Das hat mich ein wenig an ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT 2 erinnert, was da zu sehen und hören ist, war, sein wird … Dramatisch ists und spannend, neu und anders. Warum er das nicht mit seinem Rekorder aufgenommen hat? Hat er … nach eigener Aussage, aber wir kriegen es nicht zu hören … warum? Keine Ahnung.

Stattdessen soll die Zuhörer eine Blume überzeugen, die er aus dem Jahr 802701 mitgebracht hat. Tuts aber nicht. Also erzählt er weiter … es ist halt ein Roman, der viel von der Bildsprache und den Beschreibungen lebt und das lässt sich in einem Hörspiel kaum anders vermitteln, als dass es uns jemand erzählt.

Also erfahren wir, was der Zeitreisende im Jahr 802701 erlebt hat, wen er getroffen hat und wer was warum tut … oder nicht tut. Dass sein gefundener Garten Eden keiner ist, das wird ihm am Ende des ersten Teils klar.

Teil 2

Nur gut, dass wir gleich die nächste CD zur Hand haben, denn der Cliffhanger am Ende der letzten Scheibe war ja kaum zu ertragen. Klar muss Jack irgendwie wieder nach Hause gekommen sein, schließlich erzählt uns der Zeitreisende ja im Nachhinein von seinen Erlebnissen, dennoch ist auch beim Hörer die Panik zu spüren, die er in ferner Zukunft gefühlt hat. Im Gegensatz zu den Bewohnern seines Paradieses, die gleichgültig gegenüber allem zu sein schienen … und irgendwie dümmlich.

Es folgen weitere Beschreibungen des sozialen Umfelds, in dem er gelandet ist. Wir hören das erste Mal die Bezeichnung für die Bewohner dieses Paradieses … Eloi und Morlocks … und wieder gibts hier und da Abweichungen zum Originalroman.

Aber auch hier hat jemand dem Zeitreisenden seine Zeitmaschine gemopst und er muss einen Weg finden, sie zurückzubekommen. Dazu muss er unter die Erde … zu den Morlocks … und die sind nicht so dümmlich und friedfertig wie die Eloi von oben. Teilweise sind aber auch Eloi hier … Und jetzt wird dem Zeitreisenden klar, welche Rolle hier welche Rasse spielt.

Die folgenden Schilderungen erinnerten mich ein wenig an das PLANET-DER-AFFEN-Franchise, in dem wir auch vor Augen geführt bekommen, was von unserer Welt übrig bleibt … oder bleiben könnte. Obs das jetzt gebraucht hätte, sei dahingestellt. Für die Haupthandlung hat es wenig Bedeutung, für den Unterhaltungswert ists ein weiterer Mehrwert, zudem war noch reichlich Platz auf der CD. Außerdem kann der Hörer so noch weiter in die Gefühlswelt von Jack eintauchen … und auch in die von Weena, dem Eloi-Mädchen.

Bevor die Geschichte aber einen übermäßig unpassenden Romantikanteil bekommt, wirds wieder dramatisch … denn nachts können die Morlocks auch an der Planetenoberfläche ihr Unwesen treiben …

Die Sprecher und ihre Rollen:

Teil 1

Jack – Hans-Georg Panczak
Cabbs – Bernd Rumpf
Peter – Udo Schenk
Mr. Blank – Oliver Stritzel
Mr. Chose – Reinhard Kuhnert
Mrs. Watchett – Susanna Bonaséwicz

sowie Alexander Doering, Sascha Rotermund, Peter Groeger, Roland Wolf, Asad Schwarz, Nico Sablik, Jaron Löwenberg, Christina Puciata, Hans Bayer, Berenice Weichert, Marieke Oeffinger, Matthis Schmidt-Foß, Antje von der Ahe und Joachim Kerzel

Teil 2

Jack – Hans-Georg Panczak
Cabbs – Bernd Rumpf
Peter – Udo Schenk
Weena – Luisa Wietzorek
Mr. Blank – Oliver Stritzel
Mr. Chose – Reinhard Kuhnert

sowie Marianne Groß, Maximiliane Häcke, Juliane Ahlemeier, Nico Sablik, Marcus Staiger, Annika Gausche und Joachim Kerzel

Technik-Credits:

Ein Hörspiel von Oliver Döring nach dem Roman „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells
Produktion: IMAGA – Alex Stelkens & Oliver Döring
Produktionsleitung und Regieassistenz: Ila Panke
Tontechnik: Thomas Nokielski
Buch, Schnitt und Regie: Oliver Döring

Die Ausstattung:

Die CDs stecken in Jewel-Cases und sind mit dem jeweiligen Cover bedruckt … unglaublich dunkel übrigns. Das Booklet-Faltblatt enthält die entsprechenden Sprecherlisten und Technik-Credits sowie etwas Eigenwerbung für die restlichen Wells-Umsetzungen, die geplant sind: „Das Imperium der Ameisen“ auf einer CD und „Krieg der Welten“ auf drei CDs.

Der Autor der Ursprungsgeschichte:

H(erbert) G(eorge) Wells wurde am 21.9.1866 in Bromley/Kent geboren und starb am 13.8.1946 in London. Nach einer Kaufmannslehre absolvierte er ein naturwissenschaftliches Studium mit Prädikatsexamen; nach nur wenigen Jahren als Dozent lebte er als freier Schriftsteller. Sein Gesamtwerk umfaßt etwa hundert Bände. Zu Weltruhm gelangte er mit seinen Romanen und Erzählungen, die ihn als Begründer der modernen Science-fiction, als genialen phantastischen Utopisten und als kritisch-humorvollen Gesellschaftssatiriker ausweisen. (Verlagsinfo, dtv)

Mein Fazit:

Ein Hörspiel zum Preis von zweien? Warum keine Doppel-CD? Könnte man meckern. Auf der anderen Seite ist der Produktions- und vor allem der Unterhaltungswert dieses Zeitabenteuers, wie von Oliver Döring gewohnt, sehr hoch. Hätte man die zwei Teile im Abstand von Wochen oder Monaten veröffentlicht, wie es die Mitbewerber bei ihren Mehrteilern gern machen, hätte sich niemand aufgeregt. Seien wir also froh, dass wir nach der ersten CD direkt die zweite zur Hand haben und uns nicht in ein paar Wochen wieder neu in die Story reinfühlen müssen.

Und das wäre schade, denn obwohl der Zeitreisende hier aufgrund der überwältigend vielen Beschreibungen einen extrem hohen Wortanteil hat … fast wie bei einer inszenierten Lesung … ist dieses Abenteuer unglaublich spannend. Selbst für Hörer, die die Romanvorlage kennen oder die Verfilmungen gesehen haben.

Die Story, die Sprecherleistung, die Effekte, die Musik … alles passt perfekt zusammen und lässt einen Kopfkinoblockbuster entstehen, bei dem die Zeit nur so dahinfliegt. Ein zeitloses Abenteuer, atmosphärisch überragend umgesetzt.

2 Audio-CDs
CD1: 58:49 Min., 7 Tracks
CD2: 58:47 Min., 8 Tracks
Empfohlen ab 12 Jahren

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Teil 1:

Teil 2: