H. P. Lovecraft – Der Ruf des Cthulhu (Teil 1+2. Gruselkabinett 114+115)

Gruselchronik mit Action-Finale

Providence, Rhode Island, November 1926. Francis Wayland Thurston wird zum Nachlassverwalter seines Großonkels bestimmt. Dieser war zu Lebzeiten Professor für semitische Sprachen an der Brown-Universität. Aus den zu sichtenden Unterlagen erfährt der Großneffe Erschreckendes über den eigentlichen Forschungs-Schwerpunkt seines Verwandten.

Thurston besucht einen befreundeten Wissenschaftler und stößt dabei eher zufällig auf weiteres erschütterndes Material den unheimlichen Cthulhu-Kult betreffend … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt sein Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor

Howard Phillips Lovecraft (1890-1937) wird allgemein als Vater der modernen Horrorliteratur angesehen. Obwohl er nur etwa 55 Erzählungen schrieb, hat sein zentraler Mythos um die Großen Alten, eine außerirdische Rasse bösartiger Götter, weltweit viele Nachahmer und Fans gefunden, und zwar nicht nur auf Lovecrafts testamentarisch verfügten Wunsch hin.

Aber Lovecrafts Grauen reicht weit über die Vorstellung von Hölle hinaus: Das Universum selbst ist eine Hölle, die den Menschen, dessen Gott schon lange tot ist, zu verschlingen droht. Auch keine Liebe rettet ihn, denn Frauen kommen in Lovecrafts Geschichten praktisch nur in ihrer biologischen Funktion vor, nicht aber als liebespendende Wesen oder gar als Akteure. Daher ist der (männliche) Mensch völlig schutzlos dem Hass der Großen Alten ausgeliefert, die ihre Welt, die sie einst besaßen, wiederhaben wollen.

Das versteht Lovecraft unter „kosmischem Grauen“. Die Welt ist kein gemütlicher Ort – und Einsteins Relativitätstheorie hat sie mit in diesen Zustand versetzt: Newtons Gott ist tot, die Evolution eine blinde Macht, und Erde und Sonne nur Staubkörnchen in einem schwarzen Ozean aus Unendlichkeit. Auf Einstein verweist HPL ausdrücklich in seinem Kurzroman „Der Flüsterer im Dunkeln“.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher:

Chronist: Detlef Bierstedt
Prof. Angell: Horst Naumann
Farbiger Matrose: Fabian Oscar Wien
Mann: Julian Tennstedt
Algernon Blackwood: Joachim Tennstedt
Francis Wayland Thurston: Christian Stark
Mr. Douglas: Sascha von Zambelly
Butler Carter: Axel Lutter
Henry Anthony Wilcox: Roman Wolko
Dr. Tobey: Wilfried Herbst
John Raymond Legrasse: Bernd Rumpf
Prof. William Channing Webb: Peter Weis
Deputy Conners: Peter Reinhardt
Ein Orgiast: Dirk Petrick
Der alte Castro: Jochen Schröder
Weitere Orgiasten: Johannes Bade, Marcel Barion, Kai Naumann
Und weitere auf CD 2.

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand bei Titania Medien Studio und in den Planet Earth Studios statt. Die Illustration stammt von Ertugrul Edirne.

Hörprobe: http://www.titania-medien.de/audio/hoerspiele/ (ohne Gewähr)

Handlung

Als er von einer Schiffsreise zurückkehrt, nimmt Professor George Angell den kürzesten Weg durch die Docks, um zu seinem Haus in Providence, Rhode Island, zu gelangen. Es ist Anfang November und kühl. Da wird er von einem dunkelhäutigen Matrosen aufgehalten, zusammengeschlagen und ausgeraubt. Als ein junger Mann zu Hilfe eilt, kann Prof. Angell nur noch die Worte „der Ruf des Cthulhu“ flüstern, bevor er stirbt. Er war immerhin schon 92 Jahre alt.

Angells Großneffe ist Francis Wayland Thurston. Er wird zwei Tage später in Boston angerufen, von einem Notar namens Douglas, der ihm mitteilt, dass sein Großonkel gestorben sei, ihm all seinen Besitz vermacht habe und ihn zum Nachlassverwalter eingesetzt habe – er starb verwitwet und kinderlos. Francis ist ob der Umstände des Todes seines Großonkels bestürzt: Könnte es sich um Mord handeln? Der Leichenbeschauer hat indes keine Wunde gefunden. Ein Herzanfall möglicherweise.

Francis reist mit dem nächsten Zug nach Providence, wo ihn erst Mr. Douglas, dann der Butler Carter empfangen. Der Butler sieht mitgenommen aus und wundert sich über den Tod seines Arbeitgebers. Mord? Der gelehrte war ein Experte für semitische Sprachen – recht harmlos, sollte man meinen. Das Arbeitszimmer ist ein Durcheinander und Carter weiß nicht, woran Angell zuletzt arbeitete. Allerdings gibt es da ein verschlossenes Kästchen, zu dem Francis jetzt die Schlüssel hat – vom Notar.

Das Kästchen

In dem geheimnisvollen Kästchen befinden sich diverse Aufzeichnungen sowie ein Flachrelief aus Ton. Es zeigt ein monströses Fabelwesen, einen Drachen mit Oktopusarmen, der auf einem Sockel hockt, in den merkwürdige Schriftzeichen geritzt sind. Was mögen diese wohl bedeuten, fragt Francis den Butler. Der berichtet ihm von dem jungen Kunststudenten Wilcox, der das Relief im Frühjahr 1925 unter höchst sonderbaren Umständen hergestellt hatte.

Wie sich aus anderen Quellen ergibt, ist dies der träumende Gott Cthulhu (sprich: k’tulu), einem der Großen Alten Götter. Aus den Aufzeichnungen geht hervor, dass sich prof. Angell schon 1908 mit dem Cthulhu-Kult beschäftigte. Diese unstoffliche, aber offenbar gefährliche Kreatur wird in Westgrönland ebenso wie in den Sümpfen Louisianas verehrt, wo man ihm Menschenopfer darbringt. Das zumindest hat Angell ein veritabler Polizeiinspektor namens Legrasse, der in New Orleans arbeitet, berichtet.

Bei einem Besuch in New Jersey trifft Francis einen alten Bekannten wieder, der nun Museumskurator ist. In den Archiven des Museums stößt Francis zufällig auf einen weiteren Baustein für das Cthulhu-Puzzle. Ein Zeitungsausschnitt aus Australien: Demnach ist ein norwegischer Matrose namens Gustaf Johansson im Südteil des Pazifiks auf eine bis dato unbekannte Insel gestoßen – genau zu jenem Zeitpunkt, als Angells junger Bildhauer Wilcox verrückt wurden. Bei der Erkundung dieser Insel starben sechs der acht Besatzungsmitglieder – wodurch?

Mein Eindruck

Der Erzähler hat alle Beweise für eine ebenso tollkühne wie furchteinflößende Theorie zusammen: Cthulhu und seine unsichtbaren Brüder warten darauf, die Erde durch telepathische Befehle zu übernehmen, alle Gesetze beiseite zu fegen und eine Herrschaft totaler Gewalt und Lust zu errichten. Man brauche sie nur zu rufen, und sie würden in unseren Träumen zu uns sprechen, sagen die Berichte immer wieder, ganz besonders der des jungen Künstlers Wilcox.

Wilcox und etliche andere Kreative fallen unter den Bann dieses uralten Gottes während einer genau abgegrenzten Periode, nämlich zwischen dem 22. Februar und dem 2. April. Wie ein richtiger Ermittler muss Thurston, der eine Art Journalist zu sein scheint (aber nach seiner Erbschaft wohl ausgesorgt hat), die Fakten, Berichte und Indizien zusammenstellen und quasi die Punkte verbinden. Den Schlussstein in seinem Theoriegebäude bildet das Tagebuch jenes norwegischen Matrosen, das ihm dessen Witwe in Oslo übergibt.

All dies sind lediglich trockene Texte, die Aufgabe eines Hörspiel ist aber die Dramatisierung von Geschehnissen, in deren Mittelpunkt Menschen stehen – sonst interessieren sie uns nicht, noch bewegen sie uns zu Gefühlen. Deshalb greift das Hörspiel auf das Stilmittel der Rückblende zurück. Doch welche Szene wählen? Die Wahl von Regisseur und Skriptautor scheint mir richtig zu sein: der Angriff auf den Cthulhu-Kult in den Sümpfen von Louisiana – und der Gegenangriff des riesigen Gottes auf der Südseeinsel. Der Trick dabei: Es handelt sich um zweifach versetzte Rückblenden.

Louisiana

Der Angriff auf den Cthulhu-Kult in den Sümpfen von Louisiana wird von Inspector Legrasse aus New Orleans erzählt, aber nicht etwa gegenüber Thurston, sondern auf einem Kongress der Altertumsforscher, dem Prof. Angell beiwohnt – also quasi aus erster Hand eine umwerfende Revolverstory hört. Den Hauptbeweis für seine Story bleibt Inspector Legrasse nicht schuldig: eine grässliche Statue von Cthulhu, die geradewegs aus den Händen von Student Wilcox stammen könnte – oder aus dem westlichen Grönland oder aus der Südsee.

Durch die zweifache Distanzierung und die Vermittlung durch einen glaubwürdigen Gewährsmann gewinnt die unglaubliche und schaurige Szene erst Plausibilität. Denn hier geht es um nichts anderes als um eine Orgie, bei der Menschen geopfert werden. „Orgiasten“ steht auf der Liste der Rollen im Booklet – das klingt zunächst recht skurril und vielleicht sogar lustig. Aber sobald man die Szene einmal in aller Schaurigkeit gehört hat, wirkt nichts mehr an dieser Bezeichnung lustig, sondern nur erschreckend.

Die zweite Rückblende verfährt ebenso. Thurston liest das von der Witwe des Norwegers erhaltene Tagebuch des letzten Überlebenden der Expedition der Yacht „Alert“ (= Alarm, Benachrichtigung). Dann kommt dieser quasi zu Wort, was den Übergang zu der eigentlichen Szene bildet. Der Autor macht alles genau so, wie es ihm Jules Verne über 50 Jahre zuvor vorgemacht hat: zuerst die grässlichen Anzeichen und Vorboten schildern, dann die schreckliche Ankündigung des Gottes, schließlich dessen Erscheinen.

Natürlich kann sich ein Beckmesser schon mal die Frage stellen, warum es ein unstofflicher, „träumender“ Gott für nötig hält, halbwegs physische Gestalt anzunehmen und an der Oberfläche unbekannte Wesen zu erschrecken. Dieses Fehlverhalten, so könnte man meine, erweist sich als Schuss in den Fuß: Die Menschen kennen ein Mittel, um den Monstergott Mores zu lehren…

Wer nun an Godzilla denkt, liegt nicht weit daneben. Nur ist Cthulhu weitaus einflussreicher und daher schrecklicher als ein solches Mutantenbaby. Er und Seinesgleichen übernehmen im Schlaf die Träume der Menschen – Lovecrafts Erzählungen dürften ja Beweis genug sein… Thurston jedenfalls ist am Schluss ziemlich sicher, dass seine Tage gezählt sind: Er weiß zuviel. Viel zuviel, als dass ihn solch ein Gott am Leben lassen könnte. Genau wie Professor Angell.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Es gibt sehr viele Rollen in diesem 110 Minuten langen Hörspiel, aber zum Glück nur eine Perspektive, die alle Beiträge und Stimmen zusammenhält: die von Francis W. Thurston. Sein Sprecher Christian Stark muss sehr viel Dialog bestreiten und dabei sowohl glaubwürdig als auch zurückhaltend sein – ein neutraler Berichterstatter.

Ihm sekundiert per Tagebuch sein Großonkel G. Angell. Horst Naumann spricht ihn mit großartiger Feinfühligkeit und beachtlichem Nuancenreichtum. Das wird besonders in den Wilcox-Szenen 1925 deutlich. In der Szene anno 1908 auf dem Kongress hat er leider wenig beizutragen – der Inspector stiehlt ihm die Show mit seinem Bericht von der grässlichen Orgie in Louisiana.

Alle Nebenrollen – keine einzige davon weiblich – werden kompetent ausgefüllt, mit einer Ausnahme: der alte Castro. Jochen Schröder ist eindeutig unterfordert, wenn er bloß seinen Text herunterleiern muss. Dabei ist die Story des alten Seebären durchaus hörenswert, wenn auch reichlich phantastisch: Götter von anderen Sternen, die sich unter der Erde verbergen, bis die Sterne richtig stehen, damit sie hervorkommen können? Klingt absurd, ist aber jeden Cthulhu-Fan geläufig. Weil das so absurd klingt, hätte man diesen Dialog anders inszenieren müssen. Denn er ist wichtig: Nur Castro stellt die Verbindung zu den Geschehnissen in der Südsee her.

Mit gefiel der schräge Humor, der zuweilen durchblitzt. So betreten beispielsweise die Matrosen der ALERT das finstere Eiland Cthulhus und werden sogleich von einem Lachkrampf erfasst, als ihr ängstlicher Kollege Briden etwas von Riesen und Außerirdischen Faselt. Wie lachhaft!

Wieder habe ich mich über den Aussprachefehler der Sprecher geärgert, den seinerzeit schon Joachim Kerzel in seiner Lesung machte: ALERT, der Name der unglückseligen Yacht, wird nicht „ällert“ ausgesprochen, sondern „a-löhrt“.

Geräusche

Eine gute Geräuschkulisse ist für jedes Abenteuergarn von größter Bedeutung. Dementsprechend ausgefeilt ist die Vielfalt der eingesetzten Geräusche, aber vor allem der Klangeffekte. Das Titania Studio verfügt seit ein paar Jahren über ausgefeilte Soundtechnik, die einen kompletten Tonmeister ersetzt – nur die Abmischung von Ton und Dialog muss noch hundertprozentig hinhauen.

Uhrenticken, Kaminfeuer, Telefonklingeln, Möwengeschrei, ein Nebelhorn – all das ist zwar noch harmlos, vermittelt aber den unabdingbaren Eindruck von Realismus und gewohnter Umgebung. Aber wie stellt man den Ausbruch eines gigantischen Gottes aus seiner tiefen Höhle dar? Nun, das Erscheinen des Rockstars der Show muss in jedem Fall sorgfältig vorbereitet werden, durch Berichte, Vorausverweise, Indizien wie die orgiastische Menschenopferungs-Party sowie durch den schleichenden Eindruck einer weltumspannenden Verschwörung. Diese besagt: „Du bist als nächster dran!“ Ein dumpfer Trommelschlag ist die angemessene Untermalung dafür.

Das eigentliche Finale ist für die zweite CD reserviert. Wer also nur die erste CD kauft, ist aufgeschmissen. Aber das Hörspiel wird eh nur im Doppelpack angeboten: die vollen 110 Minuten sind für diese Monster-Oper durchaus nötig. Der Höhepunkt, in dem das Monster erscheint, ist das Eintrittsgeld – und die Geduld – wert. Und dann setzt die Tonregie noch einen drauf…

Musik

Eine klassische Instrumentierung gibt es hier durchaus, ergänzt durch jede Menge Klänge und Soundeffekte aus dem Rechner. Mit diesen akustischen Mitteln lässt sich durchaus ein ganzes Hörspiel recht eindrucksvoll bestreiten. Die Musik steuert die Emotionen des Zuhörers, beispielsweise durch sehr tiefe Bässe, die im Unterbewusstsein des Hörers Furcht und Beklemmung auslösen.

Es gibt zwei Höhepunkt, nämlich die Orgie in Louisiana und das Erscheinen Cthulhus. Die Orgie ist begleitet von wilden Trommeln und dissonanter Musik, ergänzt von frenetischen Schreien der Feiernden. Dem folgt eine relativ ruhig-heitere Musik, die den Zuhörer beruhigt.

Das Finale steigert sich sachte, aber unausweichlich zu einem furiosen Finale empor. Zunächst erklingt Wellenrauschen von der Brandung, dann eine Schiffsglocke. Die Matrosen fühlen sich wie Schatzsucher und lachen. Doch die Heiterkeit schlägt in Entsetzen um, als sich plötzlich ein Tor in die Tiefe öffnet. Drohend-dramatische Orchestermusik erklingt und reißt den Zuhörer mit. Das hat mich durchaus an gewisse Passage aus dem Score zu „Der Herr der Ringe“ erinnert.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

Das Booklet

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Ertugrul Edirne fand ich diesmal passend und stimmungsvoll. Der längst verblichene Cover-Künstler Firuz Akin macht immer noch Werbung für sein Buch „Illustration“, das im Heider Verlag erschien.

Diesmal sind im Booklet Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 111: Poe: Die Grube und das Pendel
Nr. 112: Edith Nesbit: Der Ebenholzrahmen
Nr. 113: Amelia B. Edwards: War es eine Illusion?

Ab Herbst 2016

Nr. 114/115: Lovecraft: Der Ruf des Cthulhu 1+2
Nr. 116: R.E. Howard: Der schwarze Stein
Nr. 117: Ewige Jugend
Nr. 118/119: Verne: 20.000 Meilen unter dem Meer

Ab Frühjahr 2017:

Nr. 120/121: Wells: Der Unsichtbare
Nr. 122: Wells: Die Insel des Dr. Moreau
Nr. 123: Wells: Die Zeitmaschine
Nr. 124/125: Wells: Der Krieg der Welten

Unterm Strich

„Der Ruf des Cthulhu“ ist die grundlegende Erzählung, die jeder kennen muss, der sich mit Lovecrafts Cthulhu-Mythos und seinem Geschichten-Zyklus von den Großen Alten, die von den Sternen kamen, beschäftigt. Dies ist beileibe kein Privatmythos: Seit den 30er Jahren schreiben andere Autoren an diesem Mythos weiter, ähnlich wie an den Geschichten um Sherlock Holmes.

Die Handlung springt zwischen den Jahren 1926, 1925 und 1908 hin und her, doch die Spannung steigt trotzdem stetig an. Die Geschichte ist trotz ihres recht verschachtelten Aufbaus durchaus dazu angetan, die Phantasie des Hörers anzuregen und ihn schaudern zu lassen. Der Schrecken wird zunächst nur langsam angedeutet, bis man merkt: Dieses Phänomen ist überall auf der Welt.

Das Erzählverfahren ist überzeugend, denn zuerst werden von der Hauptfigur Thurston mehrere Berichte eingesammelt und überprüft, bevor im Hauptstück, dem Augenzeugenbericht eines Matrosen, das Monster endlich selbst auftreten darf, um seinen langen Schatten durch die Geschichte/Historie zu werfen.

Durch doppelt zurückversetzte Rückblenden gelingt es dem Hörspiel, den Hörer behutsam an den eigentlichen Horror heranzuführen. So entpuppt sich die Orgie in den Sümpfen keineswegs als Freizeitparty, sondern als Menschenopferritual. Wehe uns Menschlein, wenn Cthulhu durchbricht und solche Sitten auf der ganzen Welt um sich greifen. Cthulhu steht für das ungezügelte Es, wie es Sigmund Freud postulierte. Es fegt im Ritual das Ego beiseite und schickt sich an, das kontrollierende Über-Ich, die sozialen Konventionen sowie Gesetze jeder Art außer Kraft zu setzen.

Was der Geschichte fehlt, ist der Sieg über das Monster. Nein, das Grauen dauert vielmehr an, und sogar unser wackerer Chronist Thurston ist überzeugt, dass er demnächst das gleiche Schicksal wie sein Großonkel erleiden wird. Es gibt also kein Entkommen. Oder?

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Das Warten auf den Auftritt des titelgebenden Monsters lohnt sich: Dieses Finale sollte keiner verpassen – auf CD 2.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Ich glaube, Horst Naumann und Jochen Schröder haben einige ziemlich bekannte Hollywood-Schauspieler synchronisiert.

Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen. Die Hörbücher der „Necroscope“-Reihe von Brian Lumley dürften eine ausreichend starke Grusel-Dosis verabreichen. Schade, dass sie längst eingestellt worden ist.

2 Audio-CDs im Schuber
CD1: 71 Min.
CD2: 38 Min.
Originaltitel: The Call of Cthulhu, 1928
ISBN-13: 978-3-7857-5377-4
www.titania-medien.de

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