Mark Haddon – Boom!

Spadwetsch! Die Aliens sind unter uns

Das ziemlich eintönige Leben des 13-jährigen Jim ändert sich schlagartig, als er und sein Freund Charlie einer mysteriösen Verschwörung auf die Spur kommen. Warum reden die Lehrer in einer Geheimsprache miteinander? Als Jim und Charlie ihnen folgen, landen sie plötzlich in einer fremden Galaxie, auf dem Planeten Plonk. Und damit beginnt das Abenteuer: Denn sie müssen nicht nur ihre Lehrer retten, sondern die ganze Welt … (Verlagsinfo)

Der Autor

Der englische Autor Mark Haddon wuchs in Northampton auf und studierte in Oxford. Er arbeitete anschließend mit körperlich und geistig behinderten Menschen. Das Buch „Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone“ ist nur eines von 15 Kinder- und Jugendbüchern, die er verfasst hat. Es wurde zum internationalen Erfolg. Inzwischen erscheint das Buch in 24 Ländern, auch die Filmrechte sind verkauft.

Der Sprecher

Oliver Rohrbeck, geboren 1965 in Berlin, ist Schauspieler und Synchronsprecher. Er ist bekannt für seine Sprechrolle als Justus Jonas in der Hörspielserie „Die drei Fragezeichen“. Als Sprecher synchronisierte er Hauptrollen in vielen Filmen und ist die deutsche Stimmbandvertretung von Ben Stiller.

Rohrbeck liest eine von Antje Seibel gekürzte Fassung. Regie führte Frank Gustavus, die Aufnahme erfolgte im CSC Studio, Hamburg, im Mai 2010.

Handlung

Der 13-jährige Jim lebt mit seiner Familie irgendwo im Süden Englands. Seine Mutter ist berufstätig und erfolgreich, während sein arbeitsloser Vater vor der Glotze rumhängt – jedenfalls so lange, bis Jim ihm ein Kochbuch für Anfänger schenkt und Daddy sich zum wahren Küchenkünstler entwickelt. Und da wäre noch die sechzehnjährige Schwester Lizzy, die Jim nicht ausstehen kann, weil sie Heavy Metal hört, heimlich raucht und mit ihrem Freund, dem Biker „Kraterface“ Terry, um die Häuser zieht.

Eine gute Idee?

Damit fängt die ganze Sache an. Weil er Kraterface nicht ausstehen kann, lässt Jim sein Marmeladen-Sandwich auf Terrys Kopf fallen, was Lizzy fies werden lässt. Sie flunkert, dass sie in der Schule, in die sie und Jim gehen, Lehrer belauscht habe, wie sie Jim als totalen Versager beschrieben und berieten, dass sie ihn in die Sonderschule für schwer Erziehbare stecken wollten. Davor fürchtet sich Jim nun wirklich. Er strengt sich in der Schule an, aber das reicht nicht. Er bittet seinen besten Freund Charlie Brooks um Hilfe. Charlie ist wirklich clever und weiß Rat. (Charlies Mami hat das Temperament eines Flammenwerfers und sein Dad ist Polizeiarzt, eine oberfiese Kombination.)

Lausch-Aktion

Charlie besitzt zwei Walkie-Talkies. Damit lassen sich ganz leicht die Lehrer in ihrem Versammlungszimmer abhören. Gesagt, getan. Aus sicherer Entfernung können die beiden Jungs belauschen, was die Lehrkräfte bequatschen, aber meist ist es bloß langweiliges Zeug. Gähnend will Jim schon sein Gerät abschalten, als er auf einmal unverständliche Wörter vernimmt, die sich Mr Kidd, der Kunstlehrer, und Mrs. Pearce, die Geschichtslehrerin, an den Kopf werfen. Hat er was an den Ohren? Aber mitnichten! „Bretnick! Loi garting Dändel. Zorner mänd. Krass mo Plack! Spadwetsch!“ Jim ahnt, dass ein Abenteuer beginnt.

Alien-Augen

Charlie beschließt, diesem Rätsel auf den Grund zu gehen. Sind die beiden Lehrer Aliens in Menschengestalt oder nur Mitglieder einer Esperanto-Klubs? Belauschen bringt nichts, also stellen sie Mr Kidd und sagen einfach nur „Spadwetsch!“ zu ihm. Da passiert das Unheimlichste, was Jim je gesehen hat. Mr Kidd bleibt wie vom Donner gerührt stehen, und Jim würde seinen linken Arm verwetten, wenn da nicht tatsächlich ein BLAUES FUNKELN in Mr Kidds Augen aufgetaucht ist. Gleich darauf ist es verschwunden, und Mr Kidd erscheint wieder als normaler Lehrer, der nach Hause will.

Entdeckungen

Aber Charlie hat das blaue Funkeln ebenfalls gesehen. Er beschließt, auch Mrs Pearce einen Besuch abzustatten. Jim kriegt das Zähneklappern: Er soll bei fremden Leuten einbrechen? Aber klar doch! Und Charlie hat sogar bereits einen Nachschlüssel anfertigen lassen. Verwegen! Zusammen schleichen sie sich in Mrs Pearces Haus, das picobello aufgeräumt ist und verdächtig normal aussieht.

Aber auf dem Dachboden stoßen die beiden auf Unterlagen, die ebenfalls in dieser fremden Sprache geschrieben sind. Jim schreibt einen Zettel mit einer Zahlenkombination und dem Ortsnamen CORUISK ab. Da kommt die Hausbewohnerin zurück, und Jim rutscht das Herz in die Hose. Aber auch jetzt weiß Charlie Abhilfe: Er schafft eine Ablenkung – ein Dachziegel, der in ein Glashaus kracht, verursacht ordentlich Lärm – sodass sie unbemerkt verduften können.

Ernste Warnung

Als sie im lokalen Burger-Restaurant essen, setzt sich ungefragt ein älterer Mann zu ihnen. Er erscheint zunächst ganz harmlos, doch er richtet eine ernste Warnung an die Jungs, endlich mit dem Rumschnüffeln aufzuhören. Als kleine Demonstration seiner Fähigkeiten setzt er seinen Zeigefinger als Schneidbrenner ein und durchbohrt auf diese Weise den Resopaltisch. Die Jungs sind beeindruckt. Kaum ist der Erwachsene weg, zetert der Kellner los, was sie mit dem Tisch angestellt hätten. Sie verduften. Fortan sind Jimbos Nächte schlaflos, dafür pennt er am Tage.

Charlies Verschwinden

Als Jim wenige Tage später merkt, dass Charlie verschwunden ist, dreht er fast durch. Charlies Eltern sind ebenfalls am Boden zerstört, und seine Mutter heult wie ein Werwolf, findet er. Er gibt sich die Schuld, wem sonst. Er muss Charlie suchen, koste es, was es wolle. Als ein Kommissar ihn als Zeugen befragen will, wird er jedoch misstrauisch. Der Mann trägt genauso ein Kupferarmband wie Mr Kidd und Mrs Pearce. Ist er etwa einer von DENEN? Jim verduftet nach Hause.

In der Klemme

Aber der Kommissar folgt ihm auf dem Fuße; zusammen mit anderen verdächtigen Kerlen mit Kupferarmbändern belagert er Jims Haus. Die Eltern sind nicht da. Jim packt in aller Eile seine Sachen, aber wie soll er hier wegkommen? Jetzt ist guter Rat teuer. Doch als wären sie von den Göttern geschickt worden, treffen nun Lizzy und ihr Rockerfreund auf einem Motorrad ein. Bei dessen Anblick kommt Jim eine geniale Idee …

Mein Eindruck

Zunächst erinnert der Plot verblüffend an den des Thrillers „Die 39 Stufen“ des englischen Krimiautors John Buchan, den Alfred Hitchcock gleich zweimal verfilmte. Die Spur der seltsamen Sprache führt nämlich ebenfalls nach Schottland – den See Coruisk gibt es wirklich (und wird im Internet mit einigen sehr schönen Webseiten dokumentiert). Doch so sehr sich Lizzy und Jimbo umsehen, sie erblicken nichts als ein verfallenes Bauernhaus. Wie sich herausstellt, befindet sich darin verborgen die Bodenstation für den Fahrstuhl zu den Sternen.

Denn die Aliens, die in Menschengestalt auftreten, sind wirklich Aliens, die gerne Menschen wären (das könnte den Lehrern und Kommissaren so gefallen, nicht wahr?). Und an dem Ort, von dem die Aliens kommen, befindet sich das andere Ende des Fahrstuhls zu den Sternen. Jimbo gelingt es, das Ding anhand der Geheimkombination zu steuern, die er bei Mrs Pearce abschrieb.

Die Welt der Aliens heißt Plonk, also Fusel (siehe meinen Abschnitt „Übersetzung“). Das bringt Jim ebenso wie den wiedergefundenen Charlie ständig zum Grinsen. Einen Stern, der „Fusel“ heißt, kann natürlich niemand ernst nehmen. Deshalb finden nicht wirklich bedrohliche Ereignisse auf Plonk statt. So kann man sich mit Hilfe von farbigen Saugnäpfen, die aussehen wie Kloplöppel und die man sich auf die Stirn steckt, alles Erdenkliche herbeiwünschen.

So weit, so nett. Aber ein ernstes Problem findet Jim ebenfalls heraus: Seine Freund Charlie will gar nicht wieder weg. Er hat die Erde vergessen. Es erweist sich als hartes Stück Arbeit, Charlie wieder zu Verstand zu bringen und wieder mit nach Hause zu bringen. Aber wie immer gibt es erst ein großes Hindernis zu überwinden: Bantid Vantresillion, der Chef von det Janze, will davon überhaupt nichts wissen. Jim muss ihn erst überlisten, bevor er aus dem Schneider ist und mit Lizzy und Charlie nach Hause kann. Für immer? Das muss die Zeit erweisen. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.

Die Science-Fiction-Handlung weicht nicht allzu weit von den Mustern ab, die die britische SF-Fernsehserie „Doctor Who“ vorgegeben hat. Doch um den jugendlichen Lesern keine Angst zu machen, geht es auf der fremden Welt eher skurril als gefährlich zu. Skurrilität ist sowieso die durchgehende Eigenschaft vieler seltsamer Dinge, auf die der junge Held stößt. Dazu gehören Kupferarmbänder, blau glühende Augen und die Alien-Sprache, die zunächst an Esperanto erinnert. Hauptsächlich renkt durch das Zusammenspiel der Freunde wieder ein. Und dazu gehört zu Jimbos Verwunderung und Freude auch Lizzy. Lizzy ist gar nicht mehr sauer auf ihn, seit sie entdeckt hat, wie ihr Macker sie belogen hat.

Jeder junge Leser mag Jimbo auf Anhieb, denn jeder wäre gerne so wie er – oder ist es sogar: schlecht in der Schule, aber immer zu Abenteuern aufgelegt. Und als sich endlich wirklich ein Abenteuer zeigt, steht es für Jim außer Frage, dass er seinen besten Freund zurückholen und retten muss. Deshalb wird das Buch auch so gerne in den englischen Schulen gelesen, wie der Autor in seinem Nachwort berichtet: Dort ist die erste Fassung, die er nun überarbeitet hat, zu einem kleinen Klassiker geworden, vor allem bei den Lehrern. (Vielleicht wollen sie ja beweisen, dass sie KEINE Aliens sind.)

Ein weiterer schöner Aspekt ist die Wandlung des Verhältnisses, das Jim zu seiner Umwelt hat, zunächst also zu seiner Schwester und seinen Eltern, dann aber zu Charlies Eltern und vor allem zu den Aliens. Sind alle Erwachsenen solche Aliens, fragt er sich, doch das stellt sich zum Glück als nicht zutreffend heraus. Die meisten Großen sind sogar ziemlich nett und hilfsbereit, wenns drauf ankommt.

Sogar die Aliens von Plonk erweisen sich nicht als Jungs fressende Ungeheuer mit drei Augen, sondern als ganz normale Erwachsene mit etwas erweiterten Möglichkeiten – und einen ungesunden Appetit auf eine weitere Welt, nämlich die Erde. Das erinnert uns zwar stark an die unseligen Vogonen eines Douglas Adams, aber die Plonkianer sind doch wesentlich bessere, äh, Menschen – und Dichter. Kein Grund also, sich unter dem Bett zu verstecken.

Der Sprecher

Oliver Rohrbeck trägt den Erzähltext zurückhaltend vor, doch legt er sich bei den Dialogen richtig ins Zeug. Auf diese Weise kann er den Figuren nichts nur ihre jeweilige Eigenart zuweisen, sondern auch den Text durch Emotionen beleben. Terry Kraterface, Lizzys Freund, brüllt beispielsweise Jim an und disqualifiziert dadurch als ausrastender Halbstarker. Anschließend schreit Lizzy den Störenfried Jim an, natürlich in einer viel höheren Tonlage. Jim, der Ich-Erzähler, spielt den verwunderten und manchmal Sympathie heischenden Beobachter. Seine Tonlage ist im Dialog hoch und ein wenig kindlich, aber als Erzähler steht er seinen Mann.

Sein Freund Charlie ist ein aufgeweckter und pfiffiger Bursche, der vor wagemutigen Expeditionen und illegalen Aktionen nicht zurückschreckt. Im Gegenteil: Auf diese Weise kommt Kimbos bester Freund erst den seltsamen Aliens auf die Spur. Im Gegensatz dazu sind diese leicht furchteinflößend, so etwa Mr. Kidd, der eine tiefe Tonlage hat, und Mrs. Pearce. Wirklich furchterregend ist hingegen deren Aufseher, ein auf unheimliche Weise ruhiger Typ. In seiner tiefen Tonlage und anzüglichen Ausdrucksweise verfehlen seine Drohungen ihre Wirkung bei Jim und Charlie nicht.

Natürlich ist mit die interessanteste Frage jene, wie der Sprecher die fremden Wörter der Aliens ausspricht. Nun, schon in der Übersetzung hat der deutsche Leser überhaupt keine Schwierigkeiten. Alle Wörter sind der deutschen Schreibweise angeglichen worden. „Spadwetsch“ bleibt „Spadwetsch“. Doch es kommt darauf, mit welcher Ernsthaftigkeit man die Fremd-Wörter vorträgt, ohne dass sie lächerlich wirken.

Rohrbecks Aussprache lässt an Ernsthaftigkeit nichts zu wünschen übrig, und nur so entfaltet die Fremd-Sprache ihre Fremdartigkeit und unterschwellige Bedrohlichkeit. Ich habe mich immer wieder gewundert, wie fehlerlos der Sprecher diese Wörter vorträgt. Aus „Coruisk“ wurde etwa „Korisk“. Aber es kann auch sein, dass beim Schnitt der Aufnahme etliche Fehler beseitigt wurden.

Die Übersetzung

Für den deutschen Leser ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, wieso für Jim und Charlie der Name des fremden Planeten so wahnsinnig lustig sein soll. „Plonk“ klingt doch ganz okay, oder? Eben nicht. Denn das englische Wort „plonk“ bedeutet so viel wie „Fusel“!

Das Booklet

…liefert Informationen zum Autor und zu Sprecher, und es listet die Überschriften aller Kapitel auf. Auf der letzten Seite findet man Werbung für zwei weitere Hörbücher.

Unterm Strich

Das ideenreiche, witzige und spannende Hörbuch macht durchweg Spaß beim Zuhören. Die Spur nach Schottland hat mich an John Buchans „39 Stufen“ erinnert. Und Klein-Jimbo ergeht es wie dem Krimi-Helden: Er muss das Geheimnis eines Begriffs lösen. Diesmal ist es das Wort „Coruisk“, das sich als der Name eines Sees herausstellt. Eine echte Expedition mit seiner Schwester – das hätte sich Jim nie im Leben träumen lassen. So lehrt das Hörbuch ganz nebenbei, dass sich Menschen und Beziehungen ändern lassen – und das macht auch Erwachsenen Hoffnung.

Das Hörbuch

Es sind vor allem die Dialoge, die die Geschichte und die Figuren zum Leben erwecken. Der Sprecher weist jeder Figur ihre eigene charakteristische Ausdruckweise und Tonlage zu. Deshalb stehen die beiden Freunde Jim und Charlie sowohl den Erwachsenen gegenüber als auch den Aliens, die wie Menschen aussehen. Leicht kann der Sprecher den Letzteren eine unheimliche, ja sogar bedrohliche Erscheinungsweise zuweisen und eine unterschwellige Gefahr heraufbeschwören. Dies klappt sogar wesentlich besser als etwa im Buch.

Für Kinder ist die Geschichte also erst ab einem gewissen Kenntnisstand begreifbar und erst ab einer gewissen emotionalen Reife zumutbar. Man will keine Dreijährigen mit gefährlichen Aliens erschrecken, oder? Na, also. Am besten hält man sich an die Faustregel, dass das Lese- und Hör-Alter des Kindes dem des jüngsten Protagonisten entspricht. In diesem Falle also dreizehn. Q.E.D.

3 Audio-CDs mit 205 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Boom! Or, 70.000 light years
Gelesen von Oliver Rohrbeck
Auflage: August 2010

Aus dem Englischen von Sabine Hübner
ISBN-13: 978-3837305340