Peter F. Hamilton – Der Stern der Pandora (Commonwealth-Saga 1)

Im Jahr 2380 hat sich das intersolare Commonwealth der Menschheit auf über 600 Welten in einem knapp 400 Lichtjahre durchmessenden Gebiet ausgebreitet. Man versteht es zwar, überlichtflugfähige Sternenschiffe zu bauen, aber es existieren nur wenige, denn man reist per Wurmloch.

Am äußeren Rand des Commonwealth beobachtet ein Astronom das Unmögliche: Ein Stern verschwindet einfach – vom einen Moment auf den anderen. Da er zu weit vom nächsten Wurmloch entfernt liegt, wird eigens ein überlichtschnelles Schiff gebaut. Seine Mission: herauszufinden, ob das Phänomen eine Bedrohung darstellt. Bald stellt sich heraus, dass es nie eine größere Bedrohung für die Menschheit gab … (Verlagsinfo)

Just zum Zeitpunkt der ersten Landung auf dem Mars entdeckte man die Wurmlochtechnologie – die vermeintlichen Raumfahrtpioniere sprachen bedeutungsschwere Worte und wurden im selben Moment winkend aus einem kalifornischen Physiklabor gegrüßt, das ein Wurmloch zum Mars geöffnet hatte. Die Expansion des Commonwealths wurde durch die Wurmlochportale ermöglicht, mit deren Hilfe man per Bahn von Welt zu Welt reisen kann.

Kontakte zu vielen außerirdischen Rassen wurden geknüpft, wie den elfenartigen Silfen, die in den Wäldern ihrer Heimatwelten leben und über wurmlochähnliche, aber unberechenbare Pfade zwischen ihnen wandeln. Dem Tod wurde durch Rejuvenation und Bewusstseinsspeicherung der Schrecken genommen, einige Menschen leben bereits seit Jahrhunderten. Computernetzwerke entwickelten sich zu SIs (Sentient Intelligences), die mit der Menschheit verbündet sind.

Bisher lebte man in Frieden mit allen entdeckten Alienrassen, einzig an schottische Clans erinnernde Extremisten vom Planeten Far Away, dem entlegensten Außenposten der Menschheit, glauben an eine außerirdische Verschwörung des „Starflyers“, eine Art „Nessie“-Legende dieser Gegend. Ein dort abgestürztes Alien-Raumschiff wurde völlig unbemannt entdeckt, dennoch hält sich hartnäckig das Gerücht, ein Alien hätte überlebt und die Regierung des Commonwealth infiltriert.

Eines Tages verschwindet ein weit entfernter Stern – von einem Moment auf den anderen. Genauere Nachforschungen ergeben, dass er von einer Dyson-Sphäre umgeben wurde, einem bisher hypothetischen Konstrukt, eine Art Schale, die den Stern vollständig umschließt. Der namensgebende Physiker Freeman Dyson postulierte dies Jahrhunderte zuvor als Beweis für die Existenz einer außerirdischen Zivilisation, welche die Energien dieser Sonne für ihre Zwecke nutzt.

Man beschließt, ein Fernraumschiff auf Erkundungsmission zu schicken. Unter der Crew befinden sich erfahrene Pioniere der damaligen Marsmission. Für den Anführer der terroristisch angehauchten Bevölkerung Far Aways, Bradley Johansson, ist das eindeutig der Beweis, dass der „Starflyer“ zum Endschlag gegen die Menschheit ausholt … für ihn ist dieser ferne Stern die Büchse der Pandora.

Mein Eindruck

Mit dem Commonwealth-Zyklus präsentiert Peter F. Hamilton, bekannt als Autor des „Armageddon-Zyklus“, der Mindstar-Serie und der zwei Romane um den Drachentempel ein auf sechs Bände angelegtes Science-Fiction-Epos.

Die Commonwealth-Saga

Vol. 1: Pandora’s Star, 2004

Band 1: Der Stern der Pandora, Bastei Lübbe, 2006, ISBN 3-404-23290-9
Band 2: Die Boten des Unheils, Bastei Lübbe, 2006, ISBN 3-404-23293-3

Vol. 2: Judas Unchained, 2005

Band 3: Der entfesselte Judas, Bastei Lübbe, 2006, ISBN 3-404-23330-1
Band 4: Die dunkle Festung, Bastei Lübbe, 2007, ISBN 3-404-23304-2

Dabei bedient er sich recht freimütig bei seinen Kollegen. Die Idee des ewigen Lebens dank geklonter Körper und Bewusstseinsspeicherung sowie der Problematik, eine solche Person zu ermorden, findet sich bereits in Richard Morgans Roman „Das Unsterblichkeitsprogramm“ (und auch hier nicht zum ersten Mal). Die Nutzung von Wurmlöchern ist seit Star Trek auch ein alter Hut; interessant, wenn auch nicht wirklich neu, ist die relative Unfähigkeit der Menschheit in raumfahrttechnischer Hinsicht: Man hat Wurmlöcher zwischen den Welten, also wozu mühsam den Weltraum erschließen? Anstelle der üblichen darwinistischen Überlebenskämpfe gegen eine andere Spezies, leben bei Hamilton Menschen und Aliens in Eintracht miteinander.

Allerdings erzeugt Hamilton geschickt ein sublimes Gefühl der Bedrohung und Unsicherheit: Kein Mensch versteht die Silfen wirklich – ist der „High Angel“, eine Informationen sammelnde Entität, die im Gegenzug wenig Informationen herausgibt, wirklich keine Bedrohung der Menschheit? Verschwörungstheorien gibt es demzufolge wie Sand am Meer, wobei die Anhänger der „Starflyer“-Verschwörung in ihren Augen Freiheitskämpfer, in den Augen des Rests der Menscheit aber Terroristen sind. Wer aber nun im Recht ist, bleibt völlig offen.

Leider gilt dies auch für dieses Buch: Denn die |Second Chance| startet erst nach einer langwierigen Vorstellung der Zustände im Commonwealth und zahlreicher Personen, die nicht alle im direkten Zusammenhang zur Mission stehen. Allerdings kann sich das in den Folgebänden ändern, trotzdem vertrödelt Hamilton viel zu viel Zeit damit. Das Raumschiff bricht erst im letzten Viertel des 750 Seiten starken Buches auf! Die Entdeckungen im Zielsystem sind faszinierend und vielversprechend, leider endet an dieser Stelle das Buch mit einem geradezu bösartigen Cliffhanger.

Stattdessen entwickelt der Autor zahllose Handlungsstränge, die vorerst allesamt ins Leere laufen. Die vielzitierte epische Breite ist das allerdings nicht, eher ein Breittreten von zumindest in diesem Buch nicht ersichtlich zueinander passenden Handlungsebenen. Wichtig sind insofern nur die Vorstellungen der Kämpfer um Kazimir McFoster, der von Johansson selbst auf die Expedition angesetzt wird.

Hier beschreibt Hamilton einige wilde Überfälle auf Clanner-Art, bei denen Kazimir auf seinem „Charlemagne“, einem genetisch angepassten übergroßen Streitross, gegen das Commonwealth vorgeht. Ich kann zwar nachvollziehen, dass Hamilton die Bewohner von Far Away als hinterwäldlerische Simpel mit fanatischem Glauben an die Boshaftigkeit eines vermutlich imaginären „Starflyers“ (der Name an sich ist schon ironisch) darstellen möchte, wirklichen Gefallen konnte ich an mit Blastern und Schutzschirm kämpfenden Reitern oder ähnlichen Höhlenwilden jedoch noch nie finden. Aktuelle Terrorismus-Thematiken werden hier recht simplifiziert in die Handlung eingebaut.

Auf einer anderen Ebene steht der Mord mit anschließender Löschung des Memory-Sticks zweier Personen, die dadurch mehrere Jahre ihres Lebens verloren haben, dessen Aufklärung in einer Gerichtsverhandlung kulminiert. Was hat diese Ebene eigentlich im Roman verloren? Sie ist für die Expedition zur Dyson-Sphäre völlig belanglos. Das Thema ewiges Leben, Rejuvenation und Bewusstseinsspeicherung wurde von Richard Morgan in nicht weniger als drei Büchern behandelt; meint Hamilton, er müsste ebenfalls auf diesen Zug aufspringen und sich mit seiner gekürzten und schwächeren Fassung selbst deklassieren? Warum ist diese Handlungsebene überhaupt in diesem Buch nötig, das daran leidet, dass die Haupthandlung erst am Ende startet und sogleich mit einem Cliffhanger endet?

Einer der Teilnehmer der Expedition ist Wilson Kime, der dritte Mann auf dem Mars, der ein wenig versucht, die Niederlage darin zu kompensieren, wirklich etwas zu entdecken: Die Wurmlochöffnung direkt vor seinen Augen auf dem Mars beraubte ihn damals gewissermaßen seines Hochgefühls und Triumphs. Währenddessen ist „Ozzie“, einer der Mit-Erfinder der Wurmlochportale, auf den Pfaden der Silfen unterwegs, zusammen mit dem Jungen Orion, dessen Eltern auf einem dieser Pfade verschollen sind. Ozzie stellt uns die Silfen vor, sein Handlungsstrang bleibt jedoch unabgeschlossen.

Warum er gerade auf diesen seltsamen und unvorhersehbaren Pfaden von Welt zu Welt wandelt? Keine Ahnung! Sein Partner Nigel Sheldon ist einer der reichsten und politisch einflussreichsten Personen des Commonwealths und finanziert den Bau der |Second Chance| zur Erforschung des verschwundenen Sterns und ist auch verantwortlich für die „zweite Chance“ auf Ruhm der ehemaligen Marsastronauten bei dieser Expedition, die er ihnen damals genommen hat. Die Zusammenhänge sind hier nur lose, die Sprünge zwischen den Handlungsebenen verwirren und stören enorm.

Unterm Strich

Verglichen mit seinen anderen Zyklen startet Hamilton dieses Mal sehr schwach. Der Armageddon-Zyklus verstand es von Anfang an, mich in seinen Bann zu schlagen. Dieses Mal recycelt Hamilton viele Ideen und baut sie oft unnötigerweise in die Handlung ein oder lässt sie ohne weitere Berührungspunkte nebenher laufen. Warum eigentlich? Selten wurde ich in ein derart umfangreiches Universum so schlecht eingeführt.

So viele Charaktere er auch vorstellt, es fehlt der Handlung an starken Charakteren und Kohärenz. Breitgetretene Nebenhandlungen ließen mich verzweifelt auf den Start der |Second Chance| warten. Diese hebt viel zu spät ab, das Ende verspricht allerdings sehr viel; man muss auch bedenken, dass Hamilton den Zyklus auf sechs Bände angelegt hat. Der Cliffhanger stört mich insofern doch, denn es scheint in Mode zu kommen, große Erwartungen zu fördern, die bei vielen Büchern in letzter Zeit schließlich nicht erfüllt werden konnten.

Die Übersetzung

… von Axel Merz ist wie bereits im Armageddon-Zyklus an und für sich relativ gut gelungen, leider neigen ausnahmslos alle Personen im Roman zu einem recht saloppen Plauderton. Störend empfand ich ebenfalls unübersetzte Eigennamen wie „Star Flyer“ oder „High Angel“ sowie zahllose Ausdrücke, die man durchaus übersetzen könnte, wie „Icewhale-Fleisch“, oder SI für „Sentient Intelligence“. Das endet dann mitunter in kuriosen Sätzen wie „Schließlich war der Großteil der SIs der AI Smartware, dem Very Large Array, entsprungen, das die Konstruktion und den Betrieb der CST Wurmlochgeneratoren überwacht hatte, und eine Lösung war erforderlich“.

Die interessante Handlungsebene um die Dyson-Sphäre und die eigentliche Expedition kommt viel zu kurz, langweilige Nebenhandlungen werden breitgetreten und nehmen den Großteil des Romans ein.

Das Ende hingegen ist wie bereits erwähnt vielversprechend – allerdings sollte Hamilton im nächsten Band mehr Mühe auf eine kurzweiligere Handlungsführung legen und seine Geschichte vorantreiben; der Einstiegsband verspricht viel, ist letzten Endes aber leider nur unterdurchschnittlich und langweilt mit schwachen und oft abgedroschenen Nebenhandlungen, die bereits von vielen anderen Autoren besser durchdachte Themen aufgreifen.

Taschenbuch: 752 Seiten
Offizielle Verlagsseite des Autors: https://www.panmacmillan.com/authors/peter-f-hamilton/1507
www.luebbe.de

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