Hanover, Daniel – Drachenschwert, Das (Dolch und Münze 1)

Dolch und Münze:

Band 1: „Das Drachenschwert“
Band 2: „The King’s Blood“ (noch ohne dt. Titel)

Geder Palliako wäre eigentlich gern ein Gelehrter und würde das Buch vor ihm lieber zu Hause übersetzen als in einem zugigen Zelt. Vor allem, weil die übrigen Adligen seiner Kompanie ihn ständig verspotten. Aber der König hat befohlen, die freie Stadt Vanai zu erobern …

Söldnerführer Marcus Wester hat genug vom Krieg. Doch das Einzige, was ihn vor einer Zwangsrekrutierung durch den Fürsten von Vanai schützt, ist ein Vertrag, den er nicht erfüllen kann, weil der Fürst seine Männer hat einsperren lassen. Es sei denn, er bekäme kurzfristig Ersatz irgendwoher …

Cithrin ist ein Mündel der mächtigen Medean-Bank, seit sie denken kann. Quasi ihr ganzes Leben lang hat der Leiter der Filiale in Vanai sie ausgebildet. Aber nichts, wirklich nichts hätte das junge Mädchen, das bisher kaum das Haus verlassen hat, darauf vorbereiten können, dass es Vermögenswerte der Bank vor dem drohenden Krieg aus der Stadt schmuggeln muss …!

Der Autor hat seine Geschichte mit einer ganzen Menge an Figuren bevölkert. Und interessant sind nicht nur die Hauptfiguren.

Geder ist im Grunde ein sanfter, freundlicher und gutmütiger Mensch. Aber er ist weder besonders stark noch besonders belastbar. Die vielen Demütigungen durch seine Standesgenossen gehen nicht spurlos an ihm vorüber, und dem Druck, den die Eroberung Vanais bedeutet, ist er letztlich nicht gewachsen. Gleichzeitig gehört Geder nicht zu den Leuten, die schnell und leicht verzeihen.

Marcus Wester hingegen ist vor allem ein guter Soldat und fähiger Anführer, zynisch, aber verlässlich und kompetent. Und er besitzt die Sorte von Anstand, die dafür sorgt, dass er des öfteren Entscheidungen wider jede Vernunft trifft.

Cithrin wiederum ist ein unerfahrenes junges Mädchen. Deshalb hat sie beim Verlassen Vanais vor allem eines: panische Angst vor Entdeckung! Aber sie ist nicht dumm, und sie hat gelernt, wie ein Geschäftsmann zu denken, und die Beschäftigung mit den Belangen des Bankwesens stärkt ihr Selbstbewusstsein ganz ungemein.

Unter den Nebenfiguren fand ich vor allem Clara bemerkenswert. Sie ist mit Dawson, dem Jugendfreund des anteanischen Königs, verheiratet. Und während Dawson, der Reaktionär, beinahe einen Bürgerkrieg vom Zaun bricht, nur um jegliche Art von gesellschaftlicher Veränderung in Antea zu verhindern, wirkt Clara stets besänftigend, dämpfend im Hintergrund, und sorgt so dafür, dass ihr Gemahl die Grenzen zivilisierten Benehmens nicht überschreitet, ohne jedoch ihrem Gatten zu irgendeinem Zeitpunkt ihre Unterstützung zu entziehen. Ein faszinierender Balanceakt.

Interessant ist auch Meister Kit, denn obwohl bereits bei dem Hinterhalt der Räuberbande klar war, mit wem der Leser es da zu tun hat, wird kaum etwas über seine Person verraten. Meister Kit fasziniert vor allem durch seine besondere Weltsicht und seine erstaunlichen Fähigkeiten, die vor allem auf der Theaterbühne zum Vorschein kommen.

Jeder einzelne von ihnen hat mir gut gefallen, vor allem Geder, dessen Entwicklung eine recht bedenkliche Richtung genommen hat. Die Darstellung wirkt jederzeit glaubhaft und echt, selbst Westers, der schon ziemlich dem Typus des mürrischen Haudegens entspricht. Und selbst diejenigen Charaktere, die noch weiter am Rand stehen, wie die einzelnen Schauspieler von Meister Kits Truppe, oder die diversen anteanischen Adeligen, sind alle, so knapp sie auch gezeichnet sein mögen, durchaus eigenständig und lebendig.

So bunt wie die Personenriege wirkt auch die Welt, die der Autor seiner Geschichte zugrunde gelegt hat. Allein dreizehn Menschenrassen gibt es, davon ein großer Teil mit tierischen Merkmalen wie Fell, Hauer, Schuppen oder Chitinpanzer. Zumindest teilweise wurden sie als Sklaven von den Drachen erschaffen, die einst die Welt beherrschten, ehe sie sich in einem verheerenden Bürgerkrieg selbst gegenseitig auslöschten. Jetzt herrschen die Erstgeborenen – man könnte sie als „normale Menschen“ bezeichnen – , und auch sie halten die anderen Rassen offenbar für minderwertig. Und dann gibt es noch, sozusagen am Ende der Welt, im von der Zivilisation vergessenen Osten, ein Kloster mit Mönchen, die eine Spinnengöttin verehren. Und die Ansichten darüber, welche Rolle diese Göttin in der Weltgeschichte gespielt hat, gehen offenbar ziemlich auseinander …

Der Entwurf der Gesellschaftsordnung entspricht sozusagen den Erwartungen: Es gibt Königreiche, von denen bisher allerdings ausschließlich Antea eine Rolle spielt, mit Adeligen, Kaufleuten, Handwerkern und Bauern sowie Söldnerheeren und den dazugehörigen Rangeleien um Macht und Einfluss.

Das gilt auch für die Handlung. Intrigen am Königshof von Antea, Krieg, eine Gruppe von Gefährten, die durch’s Land reist, das klingt alles nicht unbekannt. Ich könnte auch nicht sagen, daß die Geschichte besonders spannend gewesen wäre. Denn obwohl die Karawane nur knapp der Entdeckung durch das anteanische Militär entgeht, zeigt der parallel laufende Handlungsstrang um Dawson und seine Frau Clara, daß Antea im Grunde ganz andere Probleme hat als Vanai. Im Grunde ist die Eroberung dieser Stadt nur eine unbedeutende Episode innerhalb der anteanischen Politik und keiner Erwähnung wert, hätte nicht Geder Palliako daran teilgenommen!

Und auch Cithrins Flucht und ihr Neuanfang in Porta Oliva wären nicht unbedingt weltbewegend. Dass diese Ereignisse ein wichtiger Teil des Gesamtgeschehens sind, zeigt sich erst am Ende des Buches. Im Grunde sind die Eroberung Vanais und deren Folgen lediglich der Anstoß für etwas viel Weitreichenderes, Tiefgreifenderes. Etwas, das ganz bestimmt nicht angenehm werden wird!

Obwohl das Buch also trotz seines Umfanges eher eine Art Einleitung für die folgenden Bände ist, habe ich mich zu keiner Zeit gelangweilt. Das ist zum einen der gelungenen Charakterzeichnung zu verdanken. In jedem der einzelnen Handlungsstränge gab es eine oder mehrere Personen, die stark und interessant genug ausgearbeitet waren, um die Erzählung auch über weniger turbulente Stellen hinweg zu tragen. Ein wenig lag es auch an der oft nur angedeuteten Historie der Welt, die es erforderlich macht, dass der Leser gelegentlich seinen eigenen Kopf benutzt, um die einzelnen Teile zusammenzusetzen. Vor allem aber war der Verlauf der Geschichte eine einzige lange Kette von Ursache und Wirkung, eines kommt zum anderen, wobei teilweise auch sonst getrennt verlaufende Handlungsstränge einander bedingten. Und diese Kette entwickelte ihren ganz eigenen Sog. Der Leser ahnt im Grunde erst ziemlich gegen Ende, wohin die ganze Sache letztlich führen mag, und doch ist ihm mehr oder weniger die ganze Zeit über klar, dass die Protagonisten da unausweichlich in etwas hineinschlittern, das größer ist als die Frage, ob eine Gesellschaftsordnung reformiert werden sollte oder nicht, und bedeutender als der Kampf eines jungen Mädchens um seine Zukunft. Ich bin gespannt, wie es weitergehen wird.

Daniel Hanover ist eines der Pseudonyme, hinter denen sich der Verfasser des Zyklus Die magischen Städte verbirgt. Warum in Deutschland allerdings die Autorennamen Daniel Abraham und M. L. N. Hanover zu Daniel Hanover zusammengemischt wurden, erschließt sich mir nicht ganz. „Das Drachenschwert“ ist der erste Band seines neuen Zyklus Dolch und Münze, auf Englisch ist auch der zweite Band bereits erhältlich unter dem Titel „The King’s Blood“. Ein Erscheinungstermin für die deutsche Ausgabe ist nicht bekannt.

Taschenbuch 670 Seiten
Originaltitel: „The Dragon’s Path“ (The Dagger and the Coin 1)
Deutsch von Simone Heller
ISBN-13: 978-3-442-26865-8

http://www.danielabraham.com/
www.randomhouse.de/blanvalet

Der Autor vergibt: (4.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Schreibe einen Kommentar