Harald Gilbers – Odins Söhne

Die Handlung:

Berlin, Januar 1945: Kommissar Oppenheimer ist untergetaucht und muss sich mit Schwarzmarktgeschäften über Wasser halten. Als dabein ein brutaler Mord geschieht, wird seine Unterstützerin Hilde verhaftet. Der Tote ist Hildes Ehemann, SS – Hauptsturmführer Erich Hauser. Zwar ist das Paar seit Jahren getrennt, doch Hilde als Regimegegnerin hätte ein Motiv: Der skrupellose Mediziner Hauser war KZ – Lagerarzt im Osten und hat dort Versuche an Menschen durchgeführt. Oppenheimer muss alles riskieren, um Hilde aus den Fängen der NS – Justiz zu retten. Schon bald findet er Hinweise darauf, dass ein mysteriöser Kult in den Mordfall verstrickt ist…( Verlagsinfo)

Mein Einruck:

Nach dem Erfolg des Romanes „Germania“, für den Autor Harald Gilbers mit dem renommierten Friedrich – Glauser – Preis ausgezeichnet wurde, lässt er seinen Kommissar Richard Oppenheimer zum zweiten Mal in Berlin ermitteln. Allerdings ist dieser aufgrund seiner jüdischen Herkunft inzwischen untergetaucht und nicht mehr als Ermittler in der Berliner Mordkommission tätig. Unter dem Namen Hermann Meier versucht er ein unauffälliges Leben zu führen, arbeitet als Nachtwächter in einer Bank und bewohnt eine kleine bescheidene Wohnung. Die regelmäßigen Treffen mit seiner Ehefrau Lisa sind von großer Vorsicht und Heimlichtuerei geprägt – zu groß ist für beide das Risiko, entdeckt und denunziert zu werden. Einzig die Freundschaft zu Hilde von Strachwitz, die als Ärztin arbeitet und im Hintergrund gemeinsam mit anderen Regimegegnern eine Art Netzwerk aufgebaut hat, um Untergetauchten zu helfen, ist für Oppenheimer alias Meier überhaupt eine Möglichkeit, Hilfe und Rat in seiner Situation zu bekommen. Der Roman deckt ein Zeitfenster ab, in dem es nur zwei Möglichkeiten für die Bevölkerung gab: entweder bedingungslose Unterstützung des nationalsozialistischen Regimes oder aber ein Dasein in ständiger Furcht vor Entdeckung und Denunziation.

Während Berlin durch die Alliierten zunehmend zerstört wird, hofft der eine Teil der Bewohner, dass es einfach bald vorbei sein wird, während die Nazis noch einmal im wahrsten Sinne des Wortes alles auffahren: auch Meier, bis dahin unbehelligt geblieben, soll plötzlich beim Volkssturm eingezogen werden. Da bereits ein Großteil der deutschen Männer als Soldaten an der Front gefallen oder in Kriegsgefangenschaft verschollen ist, werden nun durch Hitlers Schergen quasi als letztes Aufgebot alle anderen herangezogen, die bisher verschont geblieben sind: halbwüchsige junge Männer, genauso wie ältere Männer und solche, die aufgrund ihrer zum Beispiel rüstungsrelevanten Tätigkeiten vorher eine Begründung hatten. Doch die Einberufung zum Volkssturm ist nicht Meiers einziges Problem: aus Angst vor Entdeckung entzieht er sich dem nicht. Aber als ausgerechnet Hilde unter Mordverdacht verhaftet wird, versucht er gemeinsam mit einem Anwalt und zwei weiteren Vertrauten von Hilde, auf eigene Faust zu ermitteln. Hilde soll ihren Ehemann, den SS – Hauptsturmführer und KZ – Lagerarzt Erich Hauser getötet haben und leider sprechen die Indizien absolut gegen sie. Meier alias Oppenheimer hat Hauser erst kurz zuvor kennengelernt und Einiges an der Geschichte ist für ihn zunächst unklar. Zusammen mit den Anderen beginnt er zu ermitteln, wobei ihm seine Erfahrungen als Kommissar bei der Berliner Mordkommission und auch Kontakte zur Berliner Unterwelt zugute kommen.

Es gelingt ihm, Zeugen ausfindig zu machen und durch die Befragungen eine Menge Details hervorzubringen, so dass sich langsam ein Bild ergibt, das Hilde vielleicht vor der scheinbar unabwendbaren Todesstrafe bewahren könnte. Gilbers hat seinen Roman in Kapitel gegliedert, die jeweils mit Daten überschrieben sind. So zieht sich die Handlung im Zeitraum von Januar bis März 1945, sowohl jahreszeitlich als auch historisch eine dunkel-düstere und kalte Zeit. Mit Bombenangriffen in beinahe jeder Nacht und drohender Hungersnot für die Bevölkerung, blühenden Schwarzmarktgeschäften und dem verzweifelten Versuch aller, das jeweils Beste aus der Situation zu machen. Die Charakterisierung dieser Zeit gelingt überzeugend und wird vom Autor noch gewürzt, indem er einen Germanenkult in den Plot mit einbaut. Die Gestaltung des Umschlages ist gleichermaßen düster und entspricht damit passend dem Inhalt.

Mein Fazit:

So viel vorab: „Odins Söhne“ ist nichts für schwache Nerven! Der Roman glänzt zwar nicht durch sprachliche Raffinesse oder bildreiche Schnörkel. Stattdessen nimmt die klare und dialogreiche Sprache schnell Fahrt auf und fesselt den Leser mit belegbarer Zeitgeschichte, nicht ohne die düstere Atmosphäre zu verbreiten, die in diesem Kapitel unserer Geschichte geherrscht haben muss. Die menschenverachtende Ideologie der Nationalsozialisten und die Stimmung in der Bevölkerung, die irgendwo zwischen der Hoffnung auf Erlösung und verzweifeltem Festhalten am Regime schwankte, wird ausgezeichnet durch Gilbers festgehalten. Sein Protagonist Oppenheimer, der als Jude selbst die Entbehrungen am eigenen Leib zu spüren bekommt und nur durch sein Untertauchen zunächst überleben kann, ist ein nüchtern ernsthafter Mensch.

Selbstverständlich und selbstlos versucht er, seiner Unterstützerin Hilde durch seinen Einsatz zu helfen, so wie diese im Widerstand zuvor zahlreichen Menschen geholfen hat. Die Charaktere im Buch sind allesamt gut und vielseitig ausgearbeitet. Verglichen mit anderen historischen Romanen, die etwa zur selben Zeit spielen, wie beispielsweise von Volker Kutscher oder Susanne Goga, ist jedoch der Unterhaltungswert von „Odins Söhne“ nicht ganz so groß, was mir persönlich ein bisschen fehlte. Nichtsdestotrotz bleibt dieser Roman aber ein überaus spannender Krimi mit erstklassig recherchiertem historischen Background, den man sich nicht entgehen lassen sollte! Das offene Ende lässt darüber hinaus hoffen, dass wir von Oppenheimer hören werden.

Taschenbuch: 528 Seiten
ISBN-13: 978-3426516430

www.droemer-knaur.de

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