Harris, Charlaine – Untot in Dallas

„Untot in Dallas“ ist bereits das zweite Abenteuer um die telepathisch begabte Kellnerin Sookie Stackhouse aus der Feder von Charlaine Harris. Im Erstling [„Vorübergehend tot“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=788 stellte sich die Mittzwanzigerin Sookie aus dem provinziellen Bon Temps als schüchterne, naive Romantikerin vor, die explosionsartig aufblüht, als der Vampir Bill ins Städtchen zieht. Dazu muss man wissen, dass Vampire im Amerika von Charlaine Harris normal und legal sind, also auch ein bürgerliches Leben führen können. Das führt zu Touristenattraktionen wie der Vampirbar im nahe gelegenen Shreveport oder einer so praktischen Erfindung wie synthetischem Blut. Sookie schätzt an ihrem ungewöhnlichen Liebhaber vor allem dessen geistige Funkstille – die Gedanken von Vampiren kann sie nämlich nicht lesen, wie sie erfreut feststellt – und seine sexuelle Unermüdlichkeit. Frau hat schließlich einiges nachzuholen, wenn sie 25 Jahre ohne Sex auskommen musste. Doch mussten Bill und Sookie neben der trauten Zweisamkeit und den wilden Liebesspielen im Whirlpool auch noch einen Kriminalfall lösen, der Sookie fast das Leben gekostet hätte. Doch was einen nicht umbringt …

„Untot in Dallas“ verläuft entlang derselben Linien, die Charlaine Harris im ersten Band gezogen hat. Bill ist immer noch bevorzugt mit Sookies Haarpflege beschäftigt und berät sie mit Leichtigkeit in allen täglichen Fragen des Stils (und das, obwohl er noch nie einen Tanga in seinem natürlichen Lebensraum gesehen hat). Die beiden können nicht voneinander lassen, auch wenn Sookies Bezeichnung, dass sie „fest miteinander gehen“ eher nach Highschool-Romantik klingt denn nach einer heißen Affäre mit einem Untoten. Die hübsche Idylle wird allerdings jäh gestört, als der schwule Koch der Bar ermordet aufgefunden wird, in der Sookie arbeitet. Ziemlich schnell ergibt sich der Verdacht, dass Bon Temps seinen eigenen geheimen Sexclub besitzt, den Lafayette wohl gegen sich aufgebracht hat. Allerdings wird es bis zum Ende des Romans dauern, bis Sookie das Geheimnis um Lafayette und den Sexclub lösen kann, denn Sookie hat seit ihrer Bekanntschaft mit Bill einen neuen Nebenjob.

Bill ist in der internen Hierarchie der Vampire dem Barbesitzer Eric unterstellt. Eric betreibt die Vampirbar in Shreveport und weiß auch um Sookies besonderes Talent. Da Vampire als legale Bürger nur noch schwerlich Verdächtige einfach foltern können, bis sie mit der Wahrheit rausrücken, sind Sookies Fähigkeiten ziemlich gefragt. Und so leiht Eric Sookie nach Dallas aus, wo ein Vampir verschwunden ist. Die restlichen Vampire wollen nun herausfinden, was genau passiert ist und wo sich selbiger Vampir befindet.

Zunächst geht auch alles glatt und die texanischen Vampire scheinen gar nicht so furchteinflößend zu sein, wie Sookie zunächst vermutet hatte. Doch dann deuten alle Hinweise zum Verschwinden des Vampirs auf eine fundamentalistische Gemeinde, die den Vampiren feindlich gesonnen ist, und von da an geht es steil bergab für Sookie und ihre Gesundheit.

„Vorübergehend tot“ wäre an einigen Stellen verbesserungswürdig gewesen. So wirkte die Liebesgeschichte zwischen Sookie und Bill von Zeit zu Zeit einfach zu schwülstig und drohte, die Kriminalgeschichte zu erdrücken. „Untot in Dallas“ wiederholt diese Fehler keineswegs. Bill und Sookie haben es sich offensichtlich in ihrer Beziehung gemütlich gemacht, weswegen sie nicht ständig in den Vordergrund gerückt werden muss. Und gerade der Plot um die Vampire in Dallas nimmt einen Großteil der Handlung ein und schafft es dabei, ein ziemliches Tempo zu generieren. Charlaine Harris hat also in „Untot in Dallas“ ihren Vorgänger noch übertroffen und hier scheinbar ihren Stil gefunden. Die Handlung ist frisch, spannend und temporeich erzählt und kann daher noch besser unterhalten als „Vorübergehend tot“.

Allerdings werden auch die Ähnlichkeiten gerade zu den Romanen von Laurell K. Hamilton immer deutlicher. Die vampirfeindliche Gemeinde in Dallas erinnert stark an eine Einrichtung, die auch bei Hamilton geschildert wird, jedoch nimmt sich Harris mehr Zeit, ihre Kritik an jeglicher Art von religiösem Fundamentalismus zu verdeutlichen. Die Vampire werden hier zu Opfern von Kleingeistigkeit und der Weigerung, andersartige Lebensentwürfe zumindest zu tolerieren. Die Untoten mutieren zum Universalbeispiel; sie könnten für religiös Andersdenkende stehen, für Homosexuelle, für jede Art von Minderheit.

Eine Figur, die unbedingt Erwähnung finden sollte, ist der Vampir Eric. Er erscheint wie eine illustre Mischung aus Anne Rices Lestat und Laurell K. Hamiltons Jean-Claude. Von beeindruckender Statur, mit einer wilden blonden Mähne, weiß er um seine Wirkung und hat sich darum scheinbar angewöhnt, nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wo Bill zumeist zurückhaltend und bürgerlich wirkt, bringt Eric garantiert frischen Wind in die Handlung. Es ist unbedingt zu begrüßen, dass sein Part gegenüber dem Erstling noch vergrößert wurde. Zwischen ihm und Sookie sprühen nur so die Funken und man möchte sich fast wünschen, sie würde den biederen Bill für den aufregenden Eric verlassen.

Auch die Übersetzung hat sich, gegenüber dem Erstling, merklich verbessert. Sie liest sich generell runder und auch wenn es den einen oder anderen Ausreißer im Sprachfluss gibt, so sind diese viel seltener als in „Vorübergehend tot“. Dass man sich jedoch bis zum Schluss des Buches nicht entscheiden konnte, ob der verschwundene Vampir nun „Farrell“ oder „Farrel“ heißt, ist wohl nicht nur für Rechtschreibfanatiker ärgerlich. Beide Schreibweisen wechseln sich nämlich mit schöner Regelmäßigkeit ab.

„Untot in Dallas“ macht, ganz ehrlich, mehr Spaß als „Vorübergehend tot“. Der Plot ist flotter und es geht generell tougher zu als im ersten Band. Hier spritzt auch schonmal das Blut und es gibt ein hübsch inszeniertes Massaker im Hauptquartier der Vampire. Dagegen war „Vorübergehend tot“ viel zahmer und mehr auf das reine Frauenpublikum ausgelegt. Weniger Schwulst und dafür mehr Fights und Verfolgungsjagden darf der Leser jedoch von diesem Buch erwarten. Und die ausgewogenere Mischung tut der Lektüre wirklich gut!

|Originaltitel: Living dead in Dallas
Aus dem Englischen übertragen von Dorothee Danzmann|