Robert Harris – Imperium

Nach seinem viel gepriesenen Roman „Pompeji“ setzt Robert Harris seine Linie konsequent fort. Mit „Imperium“ siedelt er die Handlung erneut im Römischen Reich an, um dort mittels einer bekannten historischen Figur einen Politik-Thriller zu konzipieren, dessen Brisanz ohne Weiteres auch auf die Gegenwart bezogen werden kann. Auch wenn viele Elemente der Handlung unter dem Schleier der Vergangenheit nicht mehr vollständig rekonstruiert werden konnten und daher von Harris dramaturgisch geschickt gefüllt wurden, stützt sich der Autor auf zahlreichen zeitgenössische Quellen. Sein Studium im Cambridge und seine langjährige journalistische Arbeit haben ihn mit akribischer, aber dafür fruchtbarer Recherche vertraut gemacht. Und sein Vorgehen zahlt sich aus, denn nach „Pompeji“ gelingt es dem Briten ein weiteres Mal, der römischen Epoche gerecht zu werden und zugleich einen spannenden Roman abzuliefern.

Zum Inhalt

Harris hat für „Imperium“ keinen Geringeren als Marcus Tullius Cicero in den Mittelpunkt seiner Handlung gerückt. Eine Persönlichkeit, die den meisten zumindest durch die Schulpflichtlektüre des Lateinunterrichts ein Begriff sein sollte. Cicero war nicht nur ein bedeutender Rhetoriker, sondern auch Anwalt, Philosoph und vor allem Politiker. Er lebte zu einer Zeit, in der er mächtigen Männern wie Pompeius, Crassus und Caesar Freund oder Feind war (so genau konnte man das nie sagen) und in der die römische Republik ihrem Untergang entgegensah – genug Stoff also für ein packenden Hintergrund.

Die Geschichte wird aus der Sicht des Ich-Erzählers Tiro aufgebaut, der förmlich gesehen Ciceros Sklave war, ihm aber als wichtigster Sekretär und Berater zur Seite stand. Tiro berichtet als alter Mann aus der Retrospektive über zwei wichtige Perioden in Ciceros Leben, die gleichzeitig die beiden Hauptteile des Romans ausmachen. Der erste bezieht sich auf Ciceros Karriere als Senator, der zweite auf den als Prätor.

Im ersten Teil wird, nach Tiros kurzer Einführung zu sich und seinen Beweggründen für diese Niederschrift, der Aufstieg Ciceros von einem unbedeutenden Mann zu einem der einflussreichsten Redner Roms geschildert. Die ersten fünfzig Seiten muten leider mehr wie eine biografische Zusammenfassung der für die folgende Handlung wichtigen Personen und Handlungsschauplätze an. Wer durchhält und den etwas trocken präsentierten Anfang übersteht, wird im weiteren Verlauf des Romans mehr als entschädigt. Trotzdem bleibt die Frage, wieso Harris hier das Potenzial nicht genutzt hat, gleich richtig loszulegen.

Wie dem auch sei, mit der Schilderung des politischen Aufstiegs Ciceros und seiner poltitischen Laufbahn in der Republik zeigt sich schließlich, worum es in der Macht fast ausschließlich geht: Einfluss bei den wichtigen Politikern. Als Cicero eines Tages von einem Sizilier namens Sthenius aufgesucht wird, der ihn um Rechtsbeistand als Anwalt gegen den sizilianischen Statthalter Verres aufsucht, nutzt der Rhetoriker die Gunst der Stunde. Denn er erfährt, dass Verres, der durch hohe Summen die bedeutenden Poltiker schmiert, noch mehr Dreck am Stecken hat. Cicero setzt alles auf eine Karte, um Verres, einen Mann, der sich durch seinen Reichtum sogar die Legitimation für offensichtlichen Missbrauch seiner Statthalter-Tätigkeit erschlichen hat, zu Fall zu bringen.

Was Harris dort schildert, ist ein modernes politisches Machtspiel im historischen Gewand. Packend und überaus überzeugend stellt er Ciceros Kampf gegen den korrupten Verres und seine von ihm bestochenen Politiker dar. Ihm gelingt es bereits nach dem ersten Teil seines Romans, Cicero mit einem glaubhaften Profil zu versehen und bedeutend lebendiger wirken zu lassen, als dies ein Sachbuch je könnte.

Der Bruch zum zweiten Teil, schließlich werden mehrere – wenn auch ereignislose – Jahre übersprungen, nimmt ein wenig Wind aus den Segeln. Glücklicherweise zieht die Geschwindigkeit aber bald wieder an, auch wenn der Kurs zunächst in eine andere Richtung geht. Weg vom Juristenkrimi, der sich fast ausschließlich vor Gericht abgespielt hat, geht es nun um einen Piratenangriff, dem Rom fast hilflos ausgesetzt ist. Cicero, der sich mittlerweile einen Namen gemacht und ein hohes Amt in der Republik bekleidet hat, schlägt sich auf die Seite von Pompeius, der schon in jungen Jahren militärisch eindrucksvolle Siege erringen konnte und nun als Oberbefehlshaber alle Fäden in die Hand nehmen will. Die Aristokraten fürchten um ihren Einfluss und setzen sich zur Wehr, doch wiederum gelingt es Cicero mittels geschicktem Vorgehen und rednerischem Talent, den von ihm unterstützen Pompeius an die Macht zu bringen.

Fazit

Was nach der Lektüre von „Imperium“ bleibt, ist das Staunen über einen Mann, der – umgeben von korrupten Politikern, die sich gegenseitig bestechen – allein durch die Kraft seiner Stimme, seiner wohlgewählten Worte und seiner bestechenden Argumentation die Spitze der Republik erklimmen konnte. Eine Fähigkeit, die damals wie auch heute eine Seltenheit darstellt und umso mehr beeindruckt. „Imperium“ liest sich als gut recherchierter historischer Roman, der ein würdiges Abbild der römischen Epoche hinterlässt. „Imperium“ liest sich ebenso gut als packender Politik-Thriller, wobei der Roman deutlich mehr Politik als |thrill| zu bieten hat. Und „Imperium“ liest nicht zuletzt auch als Allegorie auf die heutige Politik-Gesellschaft und ihre Käuflichkeit durch große Wirtschaftsunternehmen. Wem auch nur einer der drei Aspekte zusagt, ist mit Robert Harris bereits bestens beraten.

Gebundene Ausgabe: 405 Seiten
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