Harris, Robert – Pompeji

Der junge Wasserbaumeister Marcus Attilius Primus wird nach Misenum am Fuß des Berges Vesuv beordert, um neuer Aquarius des römischen Aquädukts Aqua Augusta zu werden, nachdem sein Vorgänger Exomnius spurlos verschwunden ist. Die Aqua Augusta versorgt eine Reihe Städte rund um den Vesuv herum mit dem Zeichen der Zivilisation, dem Wasser. Bald nach Attilius‘ Ankunft sterben kostbare Fische im Becken des reichen Ampliatus, das Wasser ist mit Schwefel vergiftet; der Fluss der Augusta versiegt, die Wasservorräte reichen nur noch für zwei Tage. Attilius berechnet den Abschnitt des Aquädukts, in dem der Defekt zu finden sein muss, und lässt sich mit einer Sklavenmannschaft nach Pompeji verschiffen, um von dort aus die Reparatur zu starten.

In Pompeji herrschen merkwürdige Zustände: Der ehemalige Sklave Ampliatus verschaffte sich in der Zeit nach dem großen Erdbeben einen neuen Status, entwickelte einen ausgeprägten Geschäftssinn und fesselte die mächtigen Familien der Stadt an sich. So ist er der eigentliche Herrscher und bewirkt gegen den Willen der Offiziellen, dass Attilius geholfen wird (damit hofft er auch, den neuen Aquarius in seine Schuld zu ziehen).

Attilius gelingt es, den Aquädukt provisorisch zu reparieren, aber zunehmende kleine Erdbeben steigern auch seine Unruhe. Aus verräterischen Schriftstücken, die ihm von Ampliatus‘ Tochter zugespielt werden, kommt er einem großen Betrug auf die Spur, die in Zusammenhang mit Exomnius‘ Verschwinden zu stehen scheinen. Exomnius stammte von Sizilien, kannte den Ätna und seine Vorboten, und bei der Lektüre dieser Schriftstücke erkennt Attilius, was außer Exomnius niemand erkannt hatte. Es gab Verbindungen zwischen Ätna und Vesuv! Attilius erklimmt den Berg und findet Exomnius‘ Leiche, gestorben in giftigen Dämpfen. Die Beben werden stärker, Attilius flieht vom Vesuv, dessen Gefährlichkeit lange verkannt wurde.

_Robert Harris_, geboren 1957 in England, arbeitete als Redakteur, Reporter und Kolumnist; für Letzteres erhielt er eine Auszeichnung. Vor „Pompeji“ schrieb er die Bestseller „Vaterland“, „Enigma“ und „Aurora“.

|Pompeji| ist ein wohl recherchierter historischer Roman, der die ganze Tragik des Vesuvausbruchs, der schließlich zur Einäscherung Pompejis führte, darstellt. Mit Attilius bedient Harris sich eines Protagonisten, der nach dem Ausbruch nicht mehr gesehen wurde. Geschickt verbindet Harris Erzählungen und Fakten, um die persönliche Geschichte des Aquarius zu erzählen und ein mögliches Happy-End für ihn aufzuzeigen.

Den Kapiteln vorangestellt sind jeweils kurze Abschnitte aus Schriften zum Vulkanismus, so dass der Leser eine ungefähre Vorstellung von den Vorgängen bei einem Ausbruch bekommt; außerdem wirken sie wie ein Countdown, je näher der Ausbruch rückt. Alle gesponnenen Fäden werden verknüpft und liefern ein stimmiges Gesamtbild, so dass kein Detail zu erkennen ist, das für die Erzählung unnötig erschiene. Stundenweise schreitet die Zeit voran, manchmal muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass Harris diese Ereignisse an drei Tagen statt finden lässt, denn viel passiert in dieser Zeit. Attilius scheint fast ohne Schlaf auszukommen, aber tatsächlich lässt Harris das nicht unberücksichtigt.

Eine weitere sympathische Figur ist der militärische Befehlshaber Plinius, auf den gleichzeitig viele wichtige Schriften aus dieser Zeit zurückgehen, zum Beispiel die |Historia Naturalis|, aus der Harris auch mehrfach zitiert. Plinius sieht in dem Vulkanausbruch das letzte Geheimnis der Natur, das schriftlich festzuhalten ihm in seinem Leben vergönnt ist. So begibt er sich mit wissenschaftlichem Eifer in höchste Gefahr und liefert eine derart genaue Beschreibung des Hergangs, dass noch heute in der Wissenschaft der Ausdruck „plinianisch“ für einen derartigen Vulkanausbruch steht.

Warum allerdings Oberaufseher Corax einen tödlichen Hass auf Attilius hat, wird nicht ganz deutlich. Erwähnt wird, dass er auf das Amt des Aquarius gehofft hatte, doch diese Erklärung ist etwas unbefriedigend. Wahrscheinlich ist es menschliche Abneigung, die sich über diesen Punkt in Hass entwickelt.

Insgesamt kann gesagt werden, dass „Pompeji“ zu Recht ein Bestseller ist, denn er liest sich flüssig und spannend und bietet hervorragende Unterhaltung bei gleichzeitiger Vermittlung interessanter Fakten zu einer historischen Begebenheit.