Tanja Heitmann – Wintermond

Tanja Heitmann ist auf das Geheimnisvolle und Düster-Romantische abonniert. In ihrem ersten Roman „Morgenrot“ ging es um das mittlerweile klassische Thema: Sie, unschuldig und jung, verliebt sich in ihn – seines Zeichens Vampir. Heutzutage muss auch eine solch problembehaftete Konstellation zum Happy End führen, doch bevor die Büchernärrin und der dämonische Vampir endgültig zusammen kommen durften, mussten viele Prüfungen bestanden werden und es wurde generell viel gelitten.

Nun ist „Wintermond“ erschienen, der zweite Band in Heitmanns „Dämonen“-Reihe, doch wer glaubt, jetzt zu erfahren wie es mit Lea und Adam weiterging, der täuscht sich. „Wintermond“ erzählt eine ganz neue Geschichte, mit anderen Personen – und ja, auch mit anderen Dämonen. Es geht um Meta, die in einer Galerie arbeitet und sich in ihrer spärlich bemessenen Freizeit mit ihren zickigen Freundinnen rumtreibt. Meta hat seit Jahren eine Beziehung mit dem Egomanen Karl. Allerdings befinden sich die beiden zur Zeit – mal wieder – in einer Beziehungspause, hauptsächlich, damit Karl fremdgehen kann, ohne sich dabei schuldig fühlen zu müssen. In einer Bar gerät Meta zufällig an David, mit dem sie sich auf einen heißen One-Night-Stand einlässt. Natürlich bereut sie ihre sexuelle Impulsivität sofort, als sie am nächsten Morgen in Davids reichlich herunter gekommener Wohnung aufwacht. Als David sie dann auch noch wenig höflich hinaus komplimentiert, weil er einen Termin hat, kommt sie endgültig zu der Überzeugung, dass die ganze Geschichte ein Fehler war.

David findet das jedoch nicht. Ihm geht diese Meta nicht mehr aus dem Kopf und so verfolgt er ihre Spur, auf eine zweite Chance hoffend. Und tatsächlich beginnen die beiden eine Affäre, während Metas High-Society Freundinnen die Nase rümpfen und Metas distinguierter Nachbar David wegen seines leicht verlotterten Aussehens wiederholt für einen Handwerker hält. Das ist jedoch lange nicht das größte Problem für die junge Liebe. Denn David trägt einen Dämon in sich, eine Art Wolf. Damit ist er auch an ein Rudel gebunden, doch der Anführer dieses Rudels führt nichts Gutes im Schilde und so besteht die Gefahr, dass zwischen den Wölfen in naher Zukunft ein Krieg ausbricht. Und natürlich würde Meta dann mitten in der Schusslinie stehen.

„Wintermond“ ist wieder ein Schmöker, der sich wunderbar verschlingen lässt. Heitmanns großes Talent ist es eben, ihren Geschichten einen geheimnisvollen und düsteren Anstrich zu geben. Schon die Beschreibung der namenlosen Stadt, in der sich niemand freiwillig draußen aufhält, ist beklemmend. Dieses leicht schwebende, nicht greifbare ist es, was den Reiz ihrer Romane ausmacht und die nur durchschnittlich originellen Plots aus der Masse heraus hebt. Dass Heitmann beruflich mit Literatur zu tun hat und daher weiß, wie diese zu klingen hat, spiegelt sich in ihrer Prosa wider. Sie schreibt flüssig, ja geradezu rund, und bringt wiederholt schöne Wendungen und Bilder, die in einem Liebesschmöker so passend wirken wie ein Biedermeier-Stuhl in einem Ikea-Wohnzimmer (weswegen sie sich wohl auch die Kritik eingehandelt hat, „geschraubt“ zu klingen).

Selbst ihre Dämonen werden Heitmanns Methode der literarischen Verschleierung unterworfen. Das war schon in „Morgenrot“ so, wo nicht einmal das Wort „Vampir“ fiel und sich naive Leserinnen beschwerten, dass es sich darum gar nicht um einen echten Vampirroman handelte. „Wintermond“ funktioniert nach dem gleichen Prinzip, was zu einer sehr eigenen Werwolf-Mythologie führt. Denn David verwandelt sich nicht bei Vollmond in einen Wolf. Er hat keine zusammengewachsenen Augenbrauchen (jedenfalls werden keine erwähnt) und sein Zustand scheint auch nicht ansteckend zu sein. Stattdessen haust in ihm ein Dämon, der sich unter Umständen als wolfsähnlicher Schatten manifestiert. Durch ihn erhält David einige zusätzliche Fähigkeiten (Stärke oder auch schärferen Geruchssinn), aber grundsätzlich ist sein Wolf im wahrsten Sinne des Wortes so wenig greifbar wie viele andere Dinge in Heitmanns Roman.

Gleiches gilt für die Darstellung der Liebe. Sie ist bei Heitmann immer sphärisch, überirdisch und auch überlebensgroß. Wenn das Schicksal zuschlägt, ist von den Charakteren keine Eigeninitiative mehr gefragt. Wie schon in „Morgenrot“ hat auch das Liebespaar in „Wintermond“ sich kaum etwas zu sagen. Meta und David haben eben einen sehr unterschiedlichen Hintergrund, doch gerade da würde man annehmen, hätten die beiden sich viel zu sagen und viel von einander zu entdecken. Doch nein, es gibt Sex und tiefgründige Blicke – aber bis zum ersten wirklichen Gespräch zwischen den beiden muss man lange warten. Das bemerkt auch Rahel, die einzig wirklich greifbare Figur im Roman: „Aber wenn ihr euch das nächste Mal ausgetobt habt, solltet ihr vielleicht auch ein paar Sätze wechseln“, meint sie entnervt.

Trotzdem, David ist ein durchaus würdiger Protagonist. Er trägt eine schwere Vergangenheit mit sich herum und seine Gegenwart sieht auch nicht viel besser aus. Er verliebt sich entgegen besseres Wissen in Meta, obwohl er weiß, dass diese Beziehung sie beide in Schwierigkeiten bringen wird. Und so muss er viel riskieren und erst den bösen Rudelführer aus dem Weg schaffen, bevor er Meta wirklich gewinnen kann. Eine klassische Charakterentwicklung – da kann man eigentlich nicht viel falsch machen.

Und tatsächlich gibt es an David auch nichts auszusetzen. Meta – und Heitmanns weibliche Charaktere im allgemeinen – sind da jedoch eine ganz andere Geschichte. Heitmann kann (und will) einfach keine sympathischen Frauen schreiben: Frauen, die frau interessieren. Frauen, die frau mag. Frauen, mit denen frau mitfiebern kann. Das ist umso verheerender, als Heitmanns Zielgruppe ja eben gerade Frauen sind. Dann jedoch einen Roman vorfinden zu müssen, der von einer ganzen Schar dürrer, diätverrückter, oberflächlicher Zicken bevölkert wird, ist eine ziemliche Enttäuschung. Und nein, Meta macht da keine Ausnahme.

Meta fühlt sich offensichtlich einer gewissen Szene (früher hätte man wohl „gesellschaftlicher Stand“ dazu gesagt) angehörig. Das heißt, sie kleidet sich in schicke Fähnchen, obwohl draußen Winter ist. Das heißt, sie ernährt sich nur von Salatblättern, um ihre Figur nicht zu ruinieren. Das heißt, sie akzeptiert Karls „Beziehungspause“, weil man das als urbaner Yuppie eben so macht. Das heißt auch, sie ist ständig von noch mehr überspannten Weibchen umgeben, die genauso verschrobene Ansichten haben wie sie.

Das wird natürlich alles besser, als David endlich in Metas Leben tritt und ihr den Kopf gerade rückt. Plötzlich isst sie auch mal ein Croissant (zunächst allerdings widerwillig) und gibt ihren tratschenden Freundinnen auch mal Widerworte. Jedoch mag diese Entwicklung den Leser nicht vollends zu befriedigen, kommt die Veränderung doch nicht aus Meta selbst. Was sie braucht, ist eben kein Mann, sondern ein Rückgrat. Dass Metas Emanzipation zur selbstbewussten Frau durch und für David geschieht, negiert diese eigentlich positive Entwicklung sofort wieder. Und so wirkt „Wintermond“ über weite Strecken wie eine völlig verrückte Mischung aus „Salz auf unserer Haut“ (Intellektuelle lässt sich wegen des guten Sex mit einem einem nicht standesgemäßen Mann ein) und[„American Psycho“ (endlose Passagen über versnobte Charaktere ohne Persönlichkeit). Und dazwischen tummeln sich Wölfe, die aus Schatten bestehen.

Dass sich Meta so ihren imaginären und vollkommen überzogenen Standards aussetzt, macht sie wenig sympathisch. Auch nicht, dass sie zwar diffus unter ihrem oberflächlichen Leben leidet, jedoch wieder und wieder in ihre alten Muster zurück fällt. Sicher, irgendwann platzt auch bei ihr der Knoten, doch bis es soweit ist, muss der Leser einiges ertragen. Und als sie sich dann endlich von der Oberflächlichkeit ihrer Freunde los sagt, ist ihr Erkenntnisgewinn folgender: „Vielleicht sollte man sich seine Freunde doch nicht nach Äußerlichkeiten aussuchen, dachte Meta düster.“ Eine solche – durchaus ernst gemeinte – Aussage entbehrt jeden weiteren Kommentars.

Tanja Heitmann kann schreiben und ist auch in der Lage, ansprechende Plots für ihre Zielgruppe zu erfinden. Jetzt muss es ihr nur noch gelingen, wirklich greifbare Frauenfiguren zu entwickeln, mit der sich die Durchschnittsleserin wenigstens in einigen Punkten identifizieren kann. Denn kann man mit der Protagonistin nichts anfangen, wird es schwer, ein Buch wirklich zu mögen.

Gebundene Ausgabe: 480 Seiten
ISBN-13: 978-3453266117
www.tanja-heitmann.de
www.heyne.de