Heitz, Markus – 05:58

„Poolitzer“ is back in the ADL und zu Besuch bei seinen Freunden, dem Ex-Nega-Magier Xavier, dessen Geliebter, der hermetischen Magierin Cauldron, und dem Troll Ultra. Zufälligerweise treibt im Stuttgarter Raum gerade ein Serienmörder sein Unwesen, welcher den Modus Operandi berühmter Vorbilder wie Jack The Ripper (und anderer) akkurat imitiert. Gleichzeitig wird die Modeszene der Metropole durch Fememorde in Unruhe versetzt. Gospini wäre nicht Poolitzer, wenn er nicht eine große Story hinter dem Geschehen vermutete. Bedauerlicherweise fühlt sich sein Chummer Ultra dazu berufen, auf den Spuren seines großen Idols zu wandeln und selbst Journalist zu werden. Und so stürzt sich Serverin Timur Gospini in die Ermittlungsarbeit, im Schlepptau einen riesigen Troll in schrillem Outfit.

Doch wie immer sind ihm Glück und Zufall hold; diesmal in Person des Hypnotiseurs Guru Mahatma Citta aka Ranjit Felix Ficker II. Während einer Vorstellung ging ein Trick schief und dem Künstler kam ein hypnotisierter Zuschauer abhanden, welcher nun zu einem in Serie killenden Zeitgenossen mutiert sein könnte. Gut nur, dass Severin Timur Gospini so gute Kontakte zu den örtlichen Polizei-Behörden, vertreten durch den mittlerweile zum BKA beförderten Vigo Spengler, hat. Das sollte die Angelegenheit zu einem Spaziergang machen, … meint man.

Während die Reporter ihrer Arbeit nachgehen, haben Xavier und Cauldron andere Sorgen. Xavier geht es richtig mies, weil er seine Nega-Magie-Fähigkeiten eingebüßt hat und auch ansonsten körperlich unter den Nachwirkungen des letzten Abenteuers (in „Aeternitas“) leidet. Cauldron fühlt sich berufen, den Geist einer jungen Magierin vor der Vernichtung zu bewahren. Dazu bedarf es allerdings der Hilfe einer Todfeindin, der Gestaltwandlerin Abongi, welche selbst von einem äußerst mächtigen und bösartigen Elementar besessen ist (vgl. „Aeternitas“).

„05:58“ ist der fünfte Shadowrun-Roman von Markus Heitz, dessen belletristischer Output sich quantitativ mittlerweile mit dem anderer Vielschreiberlinge der deutschen Phantastik-Szene messen kann. Da sich Millionen von Fliegen nicht irren können, ist es auch der fünfte Band, in dem Severin Timur Gospini „Poolitzer“ sein enthüllungsjournalistisches Unwesen treiben darf. Ließen sich im vierten Teil, „Sturmvogel“, noch mit viel gutem Willen und nach mehreren Klaren gesellschaftskritische und politische Anspielungen ausmachen, so zeichnet sich „05:58“ durch eine triviale 08/15-Story aus. In wenigen Worten lässt sich diese Buch wie folgt kennzeichnen: Locker-flockig leichte Lesekost, routiniert zusammengeschrieben und so sättigend wie ein Papadam; „Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“ in Buchform; magere Protagonisten in einer hanebüchenen Story; Atmosphäre, so fesselnd ist wie ein Werbeclip für Hühneraugenpflaster. Viele Leser – dieselben, die Wolfgang Hohlbein für einen begnadeten Literaten halten – werden dieses fade, deutsche Curry-Gericht lieben. Ich nicht!

Zu allererst vermisse ich das Spezifische und die Düsterheit des Backgrounds. Oberflächliche Bezüge – und mehr als das wird man kaum finden – machen noch keinen Shadowrun-Roman, ein bisschen Riggen, Decken (nein, nicht die Dame von nebenan) und Zaubern noch keine fesselnde Story, wobei es alleine Cauldrons „Auftritte“ sind, die dem Buch den zarten Hauch eines Dark-Science-Fantasy-Elementes verleihen.

Der Rest der Geschichte ist so austauschbar und beliebig wie die Protagonisten. Diese sind nicht mehr als Abziehbilder, leidlich animierte Strichmännchen, die sich verbal Sahnetorten ins Gesicht schmeißen. Zugegeben: Poolitzer und seine Chummer kennen wir schon aus den vorangegangenen Bänden und insofern brauchten sie keine sehr detaillierte Zeichnung, aber das entschuldigt nicht, sie bar jeglicher nachvollziehbarer Motivation durchs Bild taumeln zu lassen. Ich konnte weder die Beweggründe für Ultras vorübergehende Journalimus-Fixierung, noch Cauldrons helfende Zauberhand, Fickers Persönlichkeitsstörung oder das Handeln des Slashers nachvollziehen, denn auch hier begnügt sich Heitz mit oberflächlich konstruiert wirkenden Erklärungen, mit Trivialitäten wie beispielsweise einer juckenden Journalistennase oder obskuren Mutterinstinkten.

Das „Originelle“ in diesem Buch beschränkt sich auf zwei Story-Twists gegen Ende und einige vermeintlich lustige Namen, von denen „Fritz Ficker“ sehr schön den dumpfen, trashigen Humor des Autors (oder des Publikums?) illustriert.
Weniger wäre mehr gewesen! Weniger Protagonisten, weniger Handlungsstränge, weniger Oberflächlichkeit, weniger Zufälle. Stattdessen Konzentration auf das Wesentliche oder wenigstens auf irgendetwas, denn für sich genommen bietet jeder der Stränge ausreichend Potenzial für eine atmosphärisch dichte, glaubwürdige Geschichte. So aber ist „05:58“ einer der schwächsten Shadowrun-Romane der letzten Jahre.

Ein belangloser, uninspirierter Shadowrun-Roman, der zwar routiniert heruntergeschrieben wurde, den ich aber auf Grund der fehlenden Atmosphäre und der „soapigen“ Handlung guten Gewissens nicht einmal Shadowrun-Fans empfehlen kann. Wahrscheinlich werden sich aber genug Leser finden, die dieses Werk als gelungen ansehen. Schade!

_Frank Drehmel_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.x-zine.de veröffentlicht.|