Hillerman, Tony – Labyrinth der Geister, Das

„Das Labyrinth der Geister“ ist bereits 1978 unter dem Originaltitel „Listening Woman“ erschienen und war der insgesamt dritte Kurzroman von Anthony C. Hillerman. In Deutschland wurde das Buch allerdings erst elf Jahre später zum ersten Mal aufgelegt, nämlich 1989 im |Rowohlt|-Verlag. In diesem Jahr folgt nun eine Neuauflage dieses Titels, der für mich auch die erste Begegnung mit dem Autor darstellte.

_Der Autor_

Tony Hillerman wurde 1925 als Farmerssohn in Sacred Heart, Oklahoma, geboren und besuchte als Tagesschüler acht Jahre lang ein Internat für Indianer. Hier entwickelten sich auch erste Themenschwerpunkte für seine späteren Romane. Neben seinen Tätigkeiten als Journalist und Dozent an der University of New Mexico begann er Ende der Sechziger Kriminalromane zu schreiben. Für seine Ethno-Thriller um die Navajo-Cops Jim Chee und Joe Leaphorn wurden ihm unter anderem der |Edgar Allen Poe Award| und der |Grandmaster Award| der |Mystery Writers of America| verliehen sowie der |Center for the American Indian’s Friend Award| und der |Navajo Tribe’s Special Friend Award|. Hillermans Romane wurden in 17 Sprachen übersetzt. Der sechsfache Vater lebt mit seiner Frau in Albuquerque, New Mexico. Eine Übersicht seiner Romane kann man [hier]http://www.rororo.de finden.

_Inhalt_

Der Navajo-Indianer Hosteen Tso ahnt Schlimmes; sein Gefühl sagt ihm, dass etwas Schreckliches geschehen wird. Daher fragt er Magaret Cigaret, besser bekannt als „Listening Woman“ (eine weise Frau, die die Stimmen der Götter und Geister hören und verstehen kann), um Rat. Doch ihre Hilfe nutzt Tso nicht mehr viel – kurze Zeit später wird der alte Mann zusammen mit der jungen Anna Atcitty tot aufgefunden, brutal erschlagen und von unbekannten Tätern ermordet.

Ein halbes Jahr lang wird der Fall bearbeitet, jedoch kann die lokale Polizeistation keine Fortschritte machen. Joe Leaphorn, seines Zeichens Lieutenant bei den örtlichen Cops, interessiert sich für den Fall und lässt dabei seine eigentliche Aufgabe, sich bei einem Pfadfindercamp als Sicherheitskraft zu engagieren, fallen. In diesem Entschluss wird er noch bestärkt, als er von einem zuvor angehaltenen Raser angefahren wird und dieser nachfolgend nicht mehr ausfindig zu machen ist.

Leaphorn möchte dem Sträfling auf die Schliche kommen und wird so auch immer wieder mit dem Mord an Tso konfrontiert, denn der geflüchtete Raser muss irgendwo in der Nähe von Hosteens Hogan untergetaucht sein.

Doch dies sind nicht die einzigen mysteriösen Vorfälle im Gebiet der Navajos. Seit einigen Monaten wird ein Hubschrauber vermisst, der Zeugenaussagen zufolge sogar im Lake Powell versunken sein soll, dort aber nie entdeckt werden konnte. Außerdem tauchen nach und nach Personen auf, die in irgendeiner Weise mehr zu wissen scheinen, als sie eigentlich preisgeben. Darunter befindet sich neben der leicht hysterischen Theodora Adams auch der mittlerweihe zum Priester ausgerufene Sohn Tsos, Benjamin Tso, dessen Rückkehr ebenfalls unter unerklärlichen Umständen vor sich ging.

Was haben all diese Leute mit dem Mord am Navajo-Weisen zu tun? Welche Rolle spielt der untergetauchte Raser, der eine Brille mit breitem Goldrand trägt? Was weiß „Listening Woman“ Magaret Cigaret wirklich? Und in welchem Zusammenhang stehen diese Vorfälle mit dem Verschwinden des Hubschraubers? Joe Leaphorn macht sich auf einen langen Weg in die Tiefen der Canyons, um Antworten auf diese Fragen zu finden, erkennt jedoch viel zu spät, in welche Gefahr er sich da begeben hat …

_Betrachtungen_

Eines bleibt direkt mal festzuhalten: Von der gesamten Erzählweise her ist „Das Labyrinth der Geister“ wirklich einzigartig. Hillerman verschafft uns Einblicke in eine ganz andere Welt, in für uns schwer zu verstehende Bräuche und Traditionen, in eine Welt, in der Liebe und Hass oft miteinander einhergehen – und in eine Welt, die vor aktuellen Problemen und dem Verbrechen nicht geschützt ist.

Dabei gefällt Hillermans einfacher und doch aussagekräftiger Schreibstil von Anfang an. Jedoch braucht man schon ein paar Seiten, bis man sich mit den ersten Fakten so richtig vertraut machen kann. Der Autor beginnt seine Erzählung nämlich direkt mitten im Geschehen, erspart sich also eine Vorstellung der Charaktere und eine dementsprechende Einleitung voll und ganz. Dies geschieht indes im weiteren Verlauf, und genau dies erschwert manchmal auch den Zugang zur Geschichte. Das eigentliche, dann aber auch einzige Problem ist, dass wichtige Charaktere, die quasi die Handlung prägen und schlussendlich auch entscheiden, erst sehr spät ins Geschehen eingreifen, wohingegen manche anfänglichen Dialoge rückblickend betrachtet vollkommen unwichtig erscheinen. So kommt Hillerman gerade zur Mitte hin ein wenig ins Schwanken, denn auf einmal stehen völlig neue Handlungsträger im Mittelpunkt, und sie alle plus die Zusammenhänge mit gewisssen Vorfällen werden auf engem Raum vorgestellt. Hier hätte Hillerman sich besser mehr Zeit, sprich mehr Seiten gegönnt, denn es wirkt zwischendurch schon einmal ein wenig hektisch.

Die Idee an sich, die Charaktere nach und nach vorzustellen, finde ich hingegen gar nicht schlecht, und es stellt sich für den spannungsvollen Verlauf im Endeffekt sogar als wertvoll heraus, genau so vorzugehen, nur hätte ein wenig Ausschmückung der Sache gut getan.
Davon abgesehen ist „Das Labyrinth der Geister“ ein echter Glücksfall von einem Griff ins Buchregal. Die Story nimmt wirklich sehr breit gefächerte Ausmaße an, von denen man selbst nach hundert Seiten noch nicht viel erahnen könnte. Hier spielen so viele Einzelheiten und Vertrickungen zusammen, dass man die komplexe Handlung erst nach und nach versteht, doch Hillerman gelingt es durch seine wirklich spannende Erzählweise, den Hörer bei der Stange zu halten, so dass man die Hände einfach nicht von diesem Buch lassen kann. Besonders zum Ende hin, als sich die Sache dann aufklärt (?) – ich will nicht zu viel verraten – kommt man gar nicht mehr vom „Labyrinth der Geister“ los und liest die letzten hundert Seiten mit absoluter Hingabe.

Lediglich die Tatsache, dass Hillerman in seinen Beschreibungen ab und zu ein wenig zu übertreiben gedenkt und manchmal einfach zu viele Zufälle gleichzeitig auftreten, wirkt seltsam, fällt aber auch nicht wirklich negativ ins Gewicht. Stattdessen überwiegt der Eindruck, eine sehr gut durchdachte, erst zum Ende voll überschaubare und einfach mitreißende Geschichte gelesen zu haben, die man sich zum Taschenbuch-Preis von knapp neun €uronen ruhigen Gewissens zulegen darf. Ich jedenfalls habe in Sachen Krimi selten eine so gute Geschichte aufgesogen.